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Betroffener berichtet: So lebt es sich mit Schwerhörigkeit

Schwerhörigkeit ist nicht nur ein Phänomen bei älteren Menschen. Auch jüngere sind davon bereits betroffen. Früherkennung ist das Um und Auf.

Schwerhörigkeit ist nicht nur ein gesundheitliches, sondern auch ein soziales Problem.
Schwerhörigkeit ist nicht nur ein gesundheitliches, sondern auch ein soziales Problem.

Einmal ohne Hörgerät unterwegs zu sein - das ist für Peter heute kaum mehr vorstellbar. "Egal, ob ich daheim, in der Arbeit oder unterwegs bin - das Hörgerät ist immer bei mir", erzählt der Salzburger und geht die Stiegen hinunter. "Auch beim Einkaufen in der Nähe begleitet es mich." Er ist nicht der Einzige, der unter einer Hörbeeinträchtigung leidet. Allein in Österreich sind es rund 1,1 Millionen Menschen ab 60 Jahren, die mit einer Höreinschränkung leben müssen.

Erste Anzeichen von Hörverlust erkennen

Unter Schwerhörigkeit (Hypakusis) wird eine Einschränkung des Hörvermögens verstanden. Sprache und Geräusche können von Betroffenen nur eingeschränkt wahrgenommen werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von "beeinträchtigender Schwerhörigkeit" bei einer Höreinschränkung auf dem besser hörenden Ohr von 35 Dezibel. Unterschieden wird dabei zwischen einer leichtgradigen Schwerhörigkeit, bei der Betroffene etwa das Flüstern kaum mehr wahrnehmen; einer mittelgradigen Schwerhörigkeit, bei der sie sich schwertun, Gesprächen zu folgen; einer hochgradigen Schwerhörigkeit, bei der ein Hörgerät unerlässlich ist; einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit sowie Taubheit. Weltweit sind über 466 Millionen Menschen von Schwerhörigkeit betroffen, darunter rund 34 Millionen Kinder, schätzt die WHO. Zwei bis drei von 1000 Kindern werden in Österreich jedes Jahr mit Hörbeeinträchtigung geboren.

Erste Anzeichen eines noch leichten Hörverlusts sind Probleme beim Sprachverstehen - sei es in Gesprächen, beim Fernsehen oder Telefonieren. Die meisten Betroffenen haben das Gefühl, dass der Gesprächspartner nur nuschelt oder undeutlich zu ihnen spricht. "Man versteht nur Bahnhof", sagt Peter. Im Alter von vier Jahren wurde bei dem heute 48-Jährigen eine mittelgradige Schwerhörigkeit auf beiden Ohren festgestellt, deren Ursache bis heute nicht restlos geklärt werden konnte; jedoch vermuten er und seine Mutter einen direkten Zusammenhang mit einer Mandeloperation, als er vier Jahre alt war.

"Es geht nicht nur ums Hören, sondern auch ums Verstehen."
Peter
Betroffener

Früherkennung: Hörtest im Kinderalter durchführen

Bereits bei Neugeborenen wird das Hörvermögen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes untersucht. Doch auch Kinder, die "normalhörend" geboren werden, können in den ersten Lebensjahren an Hörvermögen verlieren. Deswegen wird von HNO-Fachärztinnen und -ärzten ein weiterer Hörtest im Kindergartenalter empfohlen. Um die Sprachentwicklung der Kinder weder zu beeinträchtigen noch zu verzögern, sollen sie Hörgeräte oder Hörimplantate (zum Beispiel Cochlea-Implantate) sogar ab dem ersten Lebensjahr tragen.

Unterschieden wird in der Medizin zwischen einer Schallleitungsschwerhörigkeit und einer Schallempfindungsschwerhörigkeit. Bei der ersten Form kann der Schall nicht ans Innenohr weitergegeben werden, da der Gehörgang durch Schädigungen wie Verletzungen und Ohrschmalz verschlossen ist. Funktioniert die Hörschnecke (Cochlea) nur unzureichend oder liegen Störungen des Hörnervs oder des Gehirns vor, wird von zentraler Schwerhörigkeit oder zentraler Schallverarbeitungsschwerhörigkeit gesprochen.

Hörprobleme: Verstärkte Gefahr von Depressionen und Demenz

Während eine Hörbeeinträchtigung bei Kindern verschiedene Ursachen haben kann, kommen bei Erwachsenen Faktoren wie Lärmbelastung, Nikotin, Diabetes sowie Mittelohrerkrankungen als Auslöser hinzu. Empfohlen wird eine gesonderte Untersuchung. Denn unbehandelt können sich Höreinschränkungen auf alle Lebensbereiche auswirken und die Person belasten - so zum Beispiel zu sozialem Rückzug sowie Depressionen führen. Auch ist das Risiko für Demenz erhöht, was zahlreiche Studien belegen.

Hörgeräte verbessern Sprachverständnis deutlich

"Es geht nicht nur ums Hören, sondern auch um das Verstehen der Sprache", sagt Peter. Mit dem Hörgerät versteht er heute rund 75 Prozent der gesprochenen Wörter. Ohne dieses würde er auf nur rund 40 Prozent kommen. Persönliche Gespräche seien ihm aber weitaus lieber als das Telefonieren, da er Mimik und Gestik des Gegenübers beim Reden wahrnehmen und zusätzlich interpretieren kann. Vieles hängt auch davon ab, wie jemand artikuliert; ob er oder sie im Dialekt, leise oder schnell spricht. Erleichterung versprechen die Induktionsschleifen für Hörgeräteträger, die in manchen Kirchen, Kinos oder Konzertsälen vorhanden sind. Sie übertragen die Audiosignale drahtlos ans Hörgerät in den Ohren des Nutzers. Störungen oder Hintergrundgeräusche entfallen. "Für mich sind sie ein Segen", sagt Peter schmunzelnd.

Erzielen Hörimplantate bessere Ergebnisse?

"Allgemein kann man sagen, dass sich leichte bis mittelgradige Hörverluste problemlos mit Hörgeräten versorgen lassen", erklärt Stefan Tschani, Leiter des Audiologie-Teams an der HNO-Abteilung des Salzburger Landeskrankenhauses. "Bei einer hochgradigen Schallempfindungsstörung kann unter Umständen noch eine ausreichende Verbesserung der Sprachverständlichkeit erzielt werden." Falls dies nicht mehr möglich ist, spricht sich der Kliniker für ein Hörimplantat aus. Obwohl das Durchschnittsalter zwischen 60 und 65 Jahren liegt, werden Hörstörungen heute wesentlich früher diagnostiziert und behandelt.

Es gibt verschiedene Arten von Hörgeräten: Unterschieden wird zwischen solchen, die hinter dem Ohr getragen werden, und jenen, die im Gehörgang und in der Ohrmuschel sitzen. Gemeinsam ist beiden, dass die Halbleitertechnik die eingehenden akustischen Signale verarbeitet und verstärkt ans Innenohr weiterleitet, wie Stefan Tschani erklärt. "Das Klangbild entspricht daher weitgehend dem Original." Neuerungen gibt es bei Hörgeräten laufend. Auch bei den ins Innenohr eingesetzten und als Cochlea-Implantate bezeichneten Geräten können die Einstellungen auch nachträglich an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer weiter angepasst und die Systeme ferngewartet werden.

ÖGK unterstützt bei Hörgerät-Kosten

Für Heilbehelfe und Hilfsmittel wie etwa Hörgeräte übernimmt die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) die Kosten für die Grundversorgung, wenn eine ärztliche Verordnung von einem HNO-Arzt vorgelegt wird. Ist ein Hörgerät auch nach fünf Jahren voll gebrauchsfähig, sollte dieses weiterhin genutzt werden. Die Kosten für notwendige Reparaturen innerhalb der Mindestgebrauchsdauer werden von ihr übernommen. Die ÖGK übernimmt innerhalb der Nutzungsdauer die Kosten für ein neues Gerät nur dann, wenn es entweder aus medizinischen Gründen erforderlich ist oder die Reparatur eines kaputten Teils unwirtschaftlich wäre. Auch nach Ablauf der Mindestgebrauchsdauer ergebe sich kein automatischer Anspruch auf ein neues Hörgerät, heißt es vonseiten der ÖGK.
Nachdem Peter die Einkäufe ausgeladen hat, nimmt er die Hörgeräte in seine beiden Hände und reinigt sie vorsichtig mit einem Tuch. Die Schwerhörigkeit nehme er heute viel gelassener als früher, gibt er zu. Störfaktoren seien sie für ihn keine. Für ihn seien die Hörhilfen daher wie eine Brille, die ihn im Alltag sehr unterstütze, sagt er abschließend. "Ja, aber ohne dass es andere Personen mitbekommen."