SN.AT / Leben

Mein Sommer-Strohhut

Die Türen der Geschäfte sind bei den angenehmen Temperaturen nun schon offen. So auch in der Müllner Hauptstraße 29: eine denkbar schmale Geschäftstür. Ein kleines Zunftschild zur Straße hin zeigt an, wer dort arbeitet: ein Hutmacher.

Hutmacher Leon Freiberger bei der Arbeit.
Hutmacher Leon Freiberger bei der Arbeit.
Hutmacher Leon Freiberger bei der Arbeit.
Hutmacher Leon Freiberger bei der Arbeit.

Vor drei Jahren waren wir im Hochsommer in Vence, in der Nähe von Nizza, in der wunderschönen Chapelle du Rosaire, die von Henri Matisse gestaltet wurde. Beim Eingang in die Räumlichkeiten prangt ein Bild des Künstlers Matisse mit Sommerstrohhut. In der Form nicht unähnlich dem Hut von Pettersson aus der Kinderbuchreihe Pettersson und Findus.

Da ich ein paar Hühner habe und gerade im Sommer viel im Garten bin, wollte ich so einen Hut für den Sommer. In Südfrankreich habe ich keinen gefunden und auch sämtliche Internetrecherchen blieben ohne Erfolg. Die wenigen Firmen, die mir auf meine Anfrage antworteten, lehnten ab: nicht in der Kollektion.

Und da gehe ich nun, drei Jahre später, in der Müllner Hauptstraße beim Krimpelstätter vorbei und sehe durch diese schmale offene Tür zum Hutmacher hinein. Da wird mir ganz klar: Wenn mir jemand so einen Strohhut à la Matisse machen kann, dann ist es dieser junge Mann in dieser Hutmacherei - sein Name lautet: Leon Freiberger.

Am nächsten Tag komme ich mit einem Foto von Matisse mit Hut vom damaligen Aufenthalt in Vence zu ihm und der junge Mann sagt: "Ja, Stroh habe ich einiges auf Vorrat (und meint damit seine noch ungeformten Strohhutrohlinge). Rufen Sie mich an. Ihr Anliegen, das Sie haben, gehört genau besprochen." Nach dem Wochenende treffen wir uns in der Werkstatt.

"Wir müssen jetzt einiges klären" - mit diesem Satz beginnt die Anprobe. Ein Formblatt ist auszufüllen. Kopfumfang, Kontaktdaten, Lieferzeit ...

Aber dann wird es richtig originell: Leon Freiberger hat mit seinem Freund mithilfe eines 3D-Druckers eine Gerätschaft entwickelt, die - angelehnt an alte Zylinder-Kopfformbestimmungs-Maschinerien - die reale Kopfform abbildet und hilft, dass der Hut dann auch wirklich passt.

Panoramahutrohlinge aus Ecuador. Der Hutmacher empfiehlt mir die Farbe Kork.
Panoramahutrohlinge aus Ecuador. Der Hutmacher empfiehlt mir die Farbe Kork.
Thomas, ob im Garten oder im Süden - nur mehr mit Hut.
Thomas, ob im Garten oder im Süden - nur mehr mit Hut.

Ich fühle mich sofort total verstanden. Bei einem Kopfumfang von 60,5 Zentimetern weiß ich, was ein Hut anrichten kann, der nicht auf die Kopfform abgestimmt ist. In den vielen Jahren bei der Trachtenmusikkapelle mit einem für meine Kopfform zu runden und etwas zu kleinen Musikerhut habe ich nach kurzer Zeit bei den Ausrückungen immer gelitten. Der übermäßige Druck des Hutes im Stirnbereich hat mir das damalige Marschieren im Freien mit Hut vergällt.

Eine Skizze der Kopfform, sozusagen aus der Heiligenscheinperspektive, wird angefertigt, alles analog. Die Huthöhe wird bestimmt. Es sollen, nach Schätzung im Vergleich zum Original von Matisse, zumindest 17 Zentimeter sein. Das Material: Stroh. Nicht irgendein Stroh, sondern Rohlinge mit dem Panamastempel und handgeflochten.

Leon Freiberger erzählt die Geschichte dazu: Diese Rohlinge kommen aus Ecuador und nicht aus Panama. Sie haben nur den Zollstempel vom Panamakanal, wo sie ausgeführt wurden und werden. Es wird also ein Panamahut (so wie alle Panamahüte dieser Welt) aus Ecuador! Die Farbe: Kork. Alles wird im Formblatt vermerkt. Dazu noch ein Windband - bei der Größe dieses Hutes angeblich fallweise unverzichtbar.

Eigentlich sind wir vom Bestellvorgang her fertig, aber dann kommen wir ins Ratschen: Erstaunlich, was dieser 22-jährige Hutmacher schon alles erlebt hat und wie er nach Mülln gekommen ist. Ich erzähle noch ein wenig von alten Ansichten von der Müllner Hauptstraße, worauf man sieht, dass in früheren Zeiten ein Friseur sein Geschäft in der Müllner Hauptstraße 29 hatte. Das passt wohl alles sehr gut zusammen.

Ein paar Tage vergehen und dann erreicht mich eine SMS-Nachricht - wie vom schwedischen Möbelhaus: "Thomas, dein Hut ist fertig." Hin in die Werkstatt und probieren: Tadellos, der Hut sitzt auf Anhieb. Ich bin glücklich, ich fühle mich wie Matisse im Übergang vom Impressionismus zum Expressionismus. Erstmals setzte ich den wunderbaren Strohhut dann bei strahlendem Sonnenschein im Garten im kleinen Erdäpfelacker auf. Die Hühner gackern, alles beginnt zu blühen. Ich fühle mich wohlbehütet für die kommende Hitze der Sommertage. Mein Sommerstrohhut! Leon sagt, er hält ein Leben lang ...