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Ungewöhnlich reisen: Amen, und gute Nacht!

Neuartige bis schräge Urlaubstrends. Der Zweck ist das Ziel: Von Kirchen-Nächtigungen, Set-Jetting und Gruseln bis endlich Ausschlafen.

Belebungsprogramm für die Kirchen Englands: Übernachtungsgäste.
Belebungsprogramm für die Kirchen Englands: Übernachtungsgäste.

Die großen Reiseveranstalter haben ihre Vorausschau für dieses Jahr veröffentlicht, Fazit: Die Buchungen laufen gut, der Andrang ist groß, rechtzeitig reservieren zahlt sich aus. Es wird also so viel gereist wie schon lange nicht mehr, auf der Fernstrecke wie auch in Europa. Der postpandemische Nachholbedarf scheint ungebrochen. Aber auch die Lust auf Neues, Unkonventionelles, Gesundes und sogar Schräges ist zu bemerken. Wir stellen hier ein paar ungewöhnliche Urlaubstrends vor, die sich in den letzten Jahren etabliert haben.

Endlich mal ausschlafen

Wer sich daheim nachts unruhig von einer Seite zur anderen wälzt, ist vielleicht ein Kandidat für den neuen Sleep Tourism, wie CNN den Trend bezeichnet. Studien des amerikanischen "Journal of Clinical Sleep Medicine" zeigen, dass Covid-19 und die damit verbundenen Maßnahmen massive Auswirkungen auf die Schlafqualität von vielen Menschen hatten, knapp 60 Prozent der Befragten aus 49 Ländern sind unzufrieden mit ihrem Schlaf, 40 Prozent schlafen seit Corona schlechter. Also, warum im Urlaub nicht einfach ordentlich ausschlafen? Mitten im Städtetrubel von New York bettet das Park Hyatt Hotel den gestressten Gast in einer Schlafsuite auf ein Bett, das sich während des Schlafs individuell anpasst, die Rosewood Hotels stehen mit ganzheitlichen Behandlungen inklusive Tees und Aromatherapie zur Seite. In London dreht sich im schallberuhigten Zedwell Hotel ebenfalls alles um die Nachtruhe, im Cadogan Belmond Hotel kann man sogar einen "Sleep Concierge" bemühen. Und ein schwedischer Bettenfabrikant hat kurzerhand ein kleines, feines Sleep Spa Hotel in der malerischen, portugiesischen Stadt Coimbra eröffnet. Wer also seinen Urlaub mit professioneller Hilfe verschlafen will, hat viele Möglichkeiten. Die bewegen sich allerdings eher im hochpreisigen Sektor, der Schlaf wird daher im wahren Sinn des Wortes kostbar.

Das genaue Gegenteil davon ist Dark Tourism. Ganz neu ist dieser Nervenkitzel nicht, denn der Besuch von Orten, an denen sich Schauerliches zugetragen hat, ist seit dem 19. Jahrhundert dokumentiert. Doch wo es früher zu einstigen Hinrichtungsstätten, Schlachtfeldern, später auch zu Lagern oder AKW-Ruinen ging, stehen heute jene Orte ganz oben auf der Liste, in denen Gruselfilme gedreht wurde. Beispiele: das dunkle, neblige London, wo Hunderte Horrorfilme gedreht wurden, das rumänische Bran als Standort von Draculas Schloss. Hier wird die unglaubliche Zahl von 90 Geistertouren angeboten. Sogar die sonst eher sonnigen Metropolen wie Rom, Venedig oder Barcelona haben eine dunkle Seite, der sich mit genüsslicher Gänsehaut bei zahlreichen Gruseltouren nachspüren lässt.

Was uns direkt zum nächsten Trend bringt, dem Set-Jetting. Kinoleinwände dienen hier als Reiseinspiration. Die Drehorte von Kultserien oder Filmen machen Lust, diese Kulissen selbst zu entdecken und sich auf die Spuren der Stars zu begeben. Laut einer Umfrage des Online-Reiseanbieters Expedia bei unserem deutschen Nachbarn ist jeder oder jede Zweite schon einmal dem Lieblingsfilm oder der Lieblingsserie nachgereist. Keine schlechte Idee, entdeckt man doch auf diese Weise höchst malerische Flecken wie Ouarzazate, das "Hollywood Marokkos", wie manche die ockerfarbene Stadt nennen. Hier gastierten "Game of Thrones", "James Bond" oder auch der "Gladiator". Für "Downton Abbey", "Indiana Jones" oder "The Lost King" geht es nach Schottland, London punktet mit "The Crown" oder "Sherlock Homes". Paris, ohnehin immer eine Reise wert, zeigt sich von seiner cineastischen Seite aktuell mit den Serien "Lupin" und "Emily in Paris", für "Death in Paradise" fliegen Set-Jetter auf die Insel Guadeloupe, für "The White Lotus" nach Thailand. Sogar die sächsische Grenzstadt Görlitz wurde zum "Görliwood" mit "Der Vorleser" oder "The Grand Budapest Hotel". Sightseeing auf besondere Art.

Den Stars hinterher geht es auch beim Tour Tourismus. Dieser Trend erfordert allerdings ein wenig mehr an Vorbereitung, denn hier muss der Kalender konsultiert und auch ein Ticket gebucht werden. Was manchmal gar nicht so einfach ist. Konzerte sind Publikumsmagneten; wenn Stars aus der Rock- und Pop-Welt, aber auch aus der Klassik ihre Auftritte absolvieren, fahren oder fliegen manche Fans extra deswegen an den Ort des Geschehens. Und wenn man schon einmal da ist, kann man sich das Reiseziel auch genauer ansehen, Museen und Cafés besuchen, in Ausstellungen gehen oder ausgedehnte Spaziergänge machen, die lokale Küche entdecken.

Camping und Kultur haben normalerweise wenige Überschneidungen, beim Trend Champing jedoch sehr wohl. Die Wortkreation aus "church" und "camping" bezeichnet das Übernachten in Kirchen, wie es in England angeboten wird. Weil das Image der Kirche ein wenig aufpoliert werden sollte und die historischen Gebäude zu wenig genutzt werden, stellte der Conservation Trust kurzerhand Gästebetten in die Gotteshäuser. 25 Kirchen sind aktuell verfügbar, der Trust sucht weitereMitglieder, die ihre Tore für Übernachtungen öffnen. Die Saison geht von März bis Oktober, an drei Orten sogar ganzjährig, nur einer jedoch mit Heizung. Gebucht wird die imposante, aber durchaus nicht luxuriöse Bleibe über die Website champing.co.uk. Die Briten sind begeistert, stimmungsvoll ist diese Bleibe allemal, und es bringt Geld für die Erhaltung der Kulturschätze.