Der Urlaub steht bevor und man zählt bereits die Tage, bis man sich endlich entspannen kann. Davor gilt es aber noch eine Liste an Aufgaben abzuarbeiten - immerhin möchte man kein Chaos hinterlassen. Als Kind und Kegel schließlich gepackt sind, wächst die Vorfreude. Doch die wird schnell wieder gebrochen, als sich die Anreise wegen eines Staus verzögert - und schon die ersten Familienkonflikte aufbrechen. Wie geht man damit um, wenn verschiedene Umstände einen Strich durch den Entspannungsurlaub zu machen scheinen?
Das Phänomen, dass viele im Urlaub krank werden, nennt man im medizinischen Jargon auch "Leisure sickness" (Freizeitkrankheit) und lässt sich zunächst ganz deutlich aufklären: Sobald das Stresshormon Kortisol, das bei chronischer Überarbeitung konstant überhöht ist, in der Ruhephase (also etwa im Urlaub) plötzlich abfällt, kann ein angegriffenes Immunsystem verspätet zusammenbrechen. Ausreichende Ruhephasen im Alltag sind also essenziell für einen gesunden Lebensstil - und in weiterer Folge für einen glücklichen Urlaub. Aber welche Dinge sind noch zu beachten, um den Urlaub möglichst entspannt zu gestalten?
Es ist hilfreich, "den Urlaub von innen nach außen zu planen", rät Erna Gappmayer-Löcker, klinische Psychologin an der Landesklinik Tamsweg, und erklärt, dass man sich mehr auf innere Bedürfnisse als auf äußere Umstände konzentrieren sollte, die man ohnehin nicht immer unter Kontrolle habe. Man müsse die Freizeit als Auszeit vom Alltag betrachten und nach der persönlichen Lebenssituation ausrichten. "Wenn man im Beruf körperlichen Tätigkeiten nachgeht, sollte man in den Ferien eher versuchen zu ruhen, während jene Menschen, die auf den Computer angewiesen sind, bewusst versuchen sollten, auf technische Geräte in den Ferien zu verzichten."
Die Frage, die man sich bereits bei der Reiseplanung stellen sollte, müsse lauten: "Brauche ich Erholung? Oder will ich Neues erleben, Städte erkunden?" In der Planungsphase könne man außerdem ungewolltem Stress im Urlaub vorbeugen, indem man genügend zeitlichen, finanziellen, und programmlichen Spielraum einkalkuliere, um somit flexibler und spontaner sein zu können. Folgt man dem Prinzip, die Aufmerksamkeit auf innere Bedürfnisse zu richten und überraschende Umstände nicht als unglücklich anzusehen, lässt sich das Risiko eines unentspannten Urlaubs senken, ist Gappmayer- Löcker überzeugt.
Man müsse sich generell - auch im Alltag - darin üben, mehr auf Situationen einzugehen und das Beste daraus zu machen, "indem man etwa an einem verregneten Tag die Zeit für die Bettruhe oder zum Lesen nutzt" - anstatt an den Umständen, die sich nicht ändern lassen, zu verzagen.
Bedeutsam sei auch ein positives Umfeld zu schaffen, sagt Wolfgang Worliczek, Psychotherapeut aus Salzburg. In seiner Praxis für pädagogisch-psychologische Beratung versucht er immer wieder zu vermitteln, wie wichtig es ist, realistische Erwartungen zu haben - an sich selbst, an die Familie, an den Urlaub. Gerade in den Ferien sollten Erwartungen heruntergesetzt werden. Die Selbstfürsorge sollte nicht zu kurz kommen. Bei der Planung gemeinsamer Ferien mit Familie oder Freunden könne es daher hilfreich sein, die Verantwortung zu teilen: Wenn man etwa den Partner oder Freunde um Unterstützung bei der Betreuung von Kindern bittet, habe man nicht ständig das Gefühl, für die Erwartungen anderer verantwortlich zu sein. "Es ist wirklich wichtig, auch Zeit für sich selbst zu haben", appelliert Worliczek.
Viele Schwierigkeiten, vor allem unter Paaren, ergeben sich aufgrund zu hoher Erwartungen an den Urlaub: "Plötzlich soll man viel Zeit miteinander verbringen und das noch auf eine besondere Art! Gerade in dieser Zeit treten dann alte Schwierigkeiten zutage, die man im Alltag erfolgreich unter den Teppich gekehrt hat", erzählt der Therapeut, der sich auf Familienberatungen spezialisiert hat.
Kommunikation sei zudem entscheidend: "Das offene Gespräch mit den Kindern über ihre Wünsche und Interessen für die Ferien ermöglicht das Finden gemeinsamer Aktivitäten, die allen Spaß machen." Oftmals verspürten (berufstätige) Eltern, dass sie Erholung bräuchten, aber sie bewerten ihren Wunsch oft selbst als egoistisch. Eine offene Kommunikation könne dem etwas entgegenhalten. Der Leitsatz, den Worliczek gern nenne, laute "Selbstfürsorge ist sogar eine Verpflichtung".
Wenn all diese Ratschläge im akuten Urlaubsstress nicht helfen, gibt es ganz einfache Übungen. Erna Gappmayer-Löcker empfiehlt, sich beim Atmen auf die Luft zu konzentrieren, die die Nasenflügel berührt. Man wird schnell merken, wie ruhig und zugleich tief man dadurch atmet. Eine andere Maßnahme gegen innerliche Unruhe wäre, das Gesicht einfach ein paar Minuten lang von der Sonne bescheinen zu lassen. Es klingt banal, trägt aber erheblich dazu bei, sich selbst in einer bestimmten Situation, einer bestimmten Umgebung gewahr zu werden: Es hilft, eine Umgebung mit allen Sinnen wahrzunehmen. Und es erübrigt sich beinahe zu erwähnen, warum es gerade im Urlaub ratsam ist, das Smartphone in der Tasche zu lassen.