Milch und ihre Facetten stehen im Mittelpunkt einer neuen Qualifizierung. Gerlinde Mock hat sie absolviert und darf sich die erste Milch-Sommelière Österreichs nennen.
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Für eine ausgewogene Ernährung sollten Milch und Milchprodukte täglich konsumiert werden.
In Sachen Geschmack kann Gerlinde Mock keiner so schnell etwas vormachen. Wie andere Leute Münzen, Bierdeckel oder Autogramme sammelt die 47-Jährige augenscheinlich Qualifizierungen. Sie ist unter anderem Kaffee-, Bier-, Käse-, Tee-, Fruchtsaft- und Wasser-Sommelière, Weinakademikerin, Milch- und Käsesensorikerin, Fachfrau für Zigarren, American-Bartenderin und seit Herbst 2021 auch Österreichs erste Milch-Sommelière. "Ich liebe Essen und Trinken - auch in Kombination mit Reisen, bei denen ich lokale Getränke und Speisen genieße und mich für deren Herstellung interessiere", erklärt Mock, die als Trainerin im Bereich Tourismus am Schulungszentrum Fohnsdorf in der Erwachsenenbildung tätig ist. Als Trainerin sind Know-how und Aktualität für künftige Gastronomiefachleute wichtig, zudem will sie Interesse für natürliche und hochwertige Lebensmittel wecken.
Milch ist ein einzigartiges Lebensmittel
Mock findet es etwa nicht gerechtfertigt, dass Milch negativ dargestellt wird. "Ich habe das Gefühl, dass sich teilweise die Meinung verfestigt hat, dass Milch unnötig ist." Diese Meinung basiere jedoch auf einer schlecht geführten Diskussion und Recherche. Zwar verlangten Menschen nach natürlichen, regionalen und saisonalen Produkten, gleichzeitig lehnten sie aber die natürlichste Sache der Welt, die Milch, ab, nur weil sie von einem Tier - in der Regel von der Kuh - komme. "Milch ist ein einzigartiges Lebensmittel mit hochwertigem Eiweiß, leicht verdaulichem Milchfett, die Kalzium-Aufnahme förderndem Milchzucker, lebensnotwendigen Mineralstoffen und Spurenelementen. Es gibt keine Alternative für sie. Kein Pflanzendrink kommt an die natürliche Nährstoffdichte der Milch heran", betont Mock. Ihr ist jedoch bewusst, dass es Menschen gibt, denen Milch nicht bekommt, sei es wegen einer Histaminintoleranz, einer Allergie oder einer Unverträglichkeit.
"Kein Pflanzendrink kommt an Milch heran."
Gerlinde Mock
Milch-Sommeliére
Mock hat während ihrer Ausbildung an der Genussakademie Bayern gelernt, was sich bei einer Verkostung über Milch aussagen lässt. Am Milchrückstand am Glasrand erkennt sie , ob die Milch homogenisiert wurde oder nicht. Beim Homogenisieren werden die Fettpartikel auf eine Größe von wenigen Mikrometern verkleinert, was unter anderem für Vollmundigkeit sorgt. Mock kann auch Aussagen zum Geruch und der Farbe der Milch machen. Milch gibt es in verschiedenen Weißschattierungen. "Frisst eine Kuh Gras, bekommt ihre Milch durch das Betakarotin einen strohgelben Touch. Auch vermehrt das Gras die wertvollen Omega-3-Fettsäuren und konjugierten Linolsäuren. H-Milch wird durch die Hitzebehandlung etwas dunkler", erklärt Mock.
Das Futter, aber auch das Wasser, das eine Kuh trinkt, beeinflussen den Geschmack der Milch und ihre Zusammensetzung. Gleiches gilt für die Rahmenbedingungen der Kuhhaltung und wie ein Tier damit zurechtkommt. Mock sagt deshalb: "Milch spiegelt Terroir wieder." Terroir ist ein Begriff aus dem Agrarbereich, hinter dem sich die Gesamtheit aller Faktoren wie etwa Boden und Klima verbirgt, die ein Produkt ausmachen. Die Aromen der Milch nimmt Mock hauptsächlich über den Geruchsinn auf. "Ich schlürfe und kaue Milch wie Wein." Milch kann eine fruchtige, blumige oder nussige Note haben, Rohmilch etwa nach Marille oder Melone schmecken.
Vielseitige Verwendung von Milch
Spannend fand Mock während ihrer Qualifizierung, dass bestimmte Produkte in Bayern anders schmecken als in Österreich und dass es dort auch andere Produkte gibt als hierzulande. Als Beispiele nennt sie Rahm mit 15 Prozent Fettgehalt, Schmand, ein stichfestes Produkt aus saurer Sahne mit einem Fettanteil von mindestens 24 Prozent, und Vorzugsmilch. Diese Form der Rohmilch wird nur gefiltert und gekühlt und ist in Deutschland im Lebensmittelhandel erhältlich.
Da Mock sehr gastroaffin ist, betont sie die vielseitige Verwendung von Milch - von der kalten Vorspeise bis zum Dessert. Auch auf der Getränkekarte findet sich Milch, wenn auch selten ein Glas voll Milch bestellt werden kann. Milch gibt es im Kakao, in Milch-Shakes und Frappés, als Milchcreme, im Kaffee, in Cocktails oder in Likören.
Während Wein- oder Bier-Sommeliers auch beratend wirken, indem sie Getränkeempfehlungen zu Speisen aussprechen, liefern Milch-Sommeliers Informationen zur Milchpolitik, Nachhaltigkeit und Ernährung mit Blick auf Fütterung, Haltung und deren Auswirkung auf die Milchinhaltsstoffe sowie zur Klimabilanz. Für Mock ist auch das Food-Pairing interessant. "Milch harmonisiert besonders mit Desserts und Käse, als gesunde Jause mit Butterbrot und Käse." Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, täglich 200 bis 250 Gramm Milch und Milchprodukte sowie 50 bis 60 Gramm Käse zu sich zu nehmen.
Themen, mit denen sich künftige Milch-Sommeliers im Kurs befassen
Die Genussakademie Bayern bietet die Qualifizierung zum Milch-Sommelier seit 2021 an. Der nächste Kurs wird voraussichtlich im Herbst 20024 stattfinden. Zielgruppe sind Käse-Sommeliers, in der Direktvermarktung Tätige und Gastro-Profis.
Die Ausbildung umfasst mehrere Themen. Bei "Milch-Sensorik" geht es um die sensorischen Unterschiede verschiedener Milchsorten und dabei speziell um die Beschreibung der sensorischen Eigenschaften von Milch in Aussehen, Geruch, Geschmack und Konsistenz. Im Modul "Kuh und Mensch und Milch" lernen die Teilnehmer die sich verändernde Bedeutung und Wahrnehmung von Milch im jeweiligen kulturellen Kontext der Jahrhunderte kennen und sie befassen sich mit der aktuellen Milchpolitik. Die komplexen Zusammenhänge von Tierhaltungsformen und Klimafolgen sowie das Potenzial der Kühe stehen im Mittelpunkt des Moduls "Kuh und Klima". Bei "Milch und Gesundheit" dreht sich alles um die Rolle des Grundnahrungsmittels Milch in der Ernährung und ob sie nach aktuellen wissenschaftlichen Studien noch als "gesund" eingestuft werden kann. Milchalternativen, ihre Herstellungsweise und ihre Ernährungsphysiologie sind ein weiterer Teil der Qualifizierung.
Exkursionen zu landwirtschaftlichen Betrieben runden die Ausbildung zum Milch-Sommelier bzw. zur Milch-Sommelière ab.