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Die Rechnung der Gnigler Milchmädchen

Iris Burtscher
Ein Foto aus dem Salzburg Museum zeigt ein „Salzburger Milchmädchen“ um 1875 mit Hundeschlitten.
Ein Foto aus dem Salzburg Museum zeigt ein „Salzburger Milchmädchen“ um 1875 mit Hundeschlitten.

Pferde sind als Transporttiere seit Langem im Einsatz. Dass in Salzburg früher auch Hunde vor die Wägen gespannt wurden, überrascht. In Salzburgs Fotoarchiven schlummern dazu wahre Schätze. "Es gibt verschiedene Darstellungen, Stiche und Fotos der Milchmädchen in unseren Archiven", sagt Sabine Veits-Falk, Leiterin des Stadtarchivs Salzburg. Auf vielen sind die Milchverkäuferinnen auch mit Hundewagerl zu sehen. "Der innerstädtische Kleinhandel war damals weiblich dominiert. Hunde wurden wohl verwendet, weil sie ausreichten und leistbarer waren als größere Zugtiere."

Der Milchhandel ging nicht über den Wochenmarkt, sondern man belieferte den Endverbraucher direkt, berichtet Peter Kramml, der ehemalige Leiter des Stadtarchivs: "Der Milchverkauf erfolgte direkt in den Gassen und daher mit kleineren Handwagen und Wagen, die von Hunden gezogen wurden." Diese Versorgungsart endete laut Kramml erst 1939 mit der im NS-Staat eingeführten Ablieferungspflicht an den neu errichteten Milchhof.

Der Milchhandel entwickelte sich etwa in Liefering zu einer wichtigen Erwerbsquelle. Die Stadt war das Hauptabsatzgebiet. Bekannt waren auch die Gnigler Milchmädchen, die Milch vom Heuberg in die Stadt brachten und dort verkauften. Die Informationen in den Archiven sind aber spärlich, sagt Veits-Falk: "Die Milchmädchen und Milchweiber treten in erster Linie über Bildquellen in Erscheinung, über ihre Tätigkeit gibt es keine Berichte." Das Alltägliche finde hier eben wenig Niederschlag. In den Zeitungsarchiven finden sie vereinzelt Erwähnung: Im Februar 1801 wurde eine Strafe gegen drei Milchweiber verhängt, die schlechte Milch verkauften, berichtete das "Intelligenzblatt von Salzburg". Weil zum bereits zweiten Mal erwischt, sei eine "zweistündige Arreststrafe" verhängt worden. Das "Salzburger Volksblatt" schreibt ein Jahrhundert später über die Milchweiber in der Hellbrunner Allee, "die mit ihren scheppernden Karren und Blechgefäßen einigermaßen Leben in die dortige Monotonie bringen".

1911 berichtete die "Salzburger Wacht" über eine Milchfrau, die von Aigen in die Innenstadt fuhr. Ihr Milchwagen wurde durch einen Sturm umgeworfen, "wobei sämtliche Milchkannen mit solcher Wucht aus dem Wagen geschleudert wurden, daß sich die Deckel lösten und sich der gesamte Milchinhalt auf die Straße ergoß". Ob sie über die vergossene Milch weinte, bleibt in dem Bericht unerwähnt.

Die Redewendung hat sich bis heute gehalten ebenso jene der Milchmädchenrechnung. Laut Duden geht die Phrase auf den französischen Dichter Jean de la Fontaines zurück. Er schrieb im 17. Jahrhundert eine Fabel über ein Milchmädchen, das am Weg zum Markt bereits Pläne über den Erlös schmiedet, dabei nicht aufpasste und die Milch verschüttete.