Der Abschnitt der Enns zwischen Mandling und dem Gesäuse ist in Summe etwa 90 Kilometer lang und gilt als die längste unverbaute Flussstrecke Mitteleuropas. Besonders zwischen Mandling und Schladming ist die Enns weniger spektakulär, jedoch ruhig und damit ideal für Familien und Anfänger, wie wir es sind. Beim Schnupperkurs, den die Kajakschule für Gäste mit der Schladming-Dachstein-Sommercard ganz kostenlos anbietet, werden wir alle mit Neoprenanzügen, Wasserschuhen, Schwimmwesten, Helmen und natürlich mit einem Kajak ausgestattet. Ich habe sogar einen Shorty mit, mein eigenes kurzärmliges Neoprenoutfit für warme Tage, immerhin hat es heute mehr als 30 Grad Außentemperatur.
Doch Knauß besteht darauf, dass auch ich in die Langversion mit Ärmeln, Jacke und Hosenbeinen wechseln muss - denn Sicherheit geht vor. Außerdem ist das Wasser in der Enns auch im Hochsommer klirrend kalt. Und wir werden etwa eine Stunde im Ennswasser sein. Bereits als wir uns in die engen Outfits quetschen, schwitzen wir so sehr, dass wir das kalte Wasser kaum noch erwarten können. Selbst im Hochsommer soll die Enns hier nicht mehr als 16 Grad erreichen.
Trockentraining beginnt
Bevor es in den Fluss geht, startet die Schnuppereinheit mit einem Trockentraining und ein wenig Materialkunde an Land, gefolgt von unterhaltsamen Übungen im noch bacherlwarmen Freizeitsee Aich: Wir spielen Fangen im Kajak, um uns mit dem Paddel anzufreunden, und üben die sogenannte Eskimorolle, eine Methode, mit der man sich im Falle des Kenterns wieder aufrichten kann, ohne aussteigen zu müssen - und vor allem, ohne in Panik zu geraten. So zumindest die Theorie, aber gar nicht leicht in der Praxis, denn im Kajak ist man fest von einem Verdeck umschlossen. Das hält bei Touren im rauen Wasser zwar trocken, kann aber beim Kentern dann doch beängstigend sein, weil man sich unter Wasser eingeschlossen fühlt.
Schnell wird klar, ich beherrsche beides nicht. Weder die Eskimorolle noch meine aufkommende Panik bei akuter Unterwasserlage. Macht nichts, Meister Knauß und sein Team zeigen uns, wie wir uns auch ohne Eskimorolle mehr oder weniger elegant aus dem Kajak befreien können. Trotzdem hoffe ich immer noch, dass sich weder mein Boot noch eines der Kinderkajaks an diesem Tag umdrehen möge.
Zum Abschluss der Schnuppereinheit gibt es noch Action für die Kids: Beim sogenannten Alpinstart werden sie im Kajak sitzend vom drei Meter hohen Sprungturm senkrecht in den Badesee geschubst. Was für ein Erlebnis!
Wer will, kann am Ende des Schnupperprogramms direkt zur kostenpflichtigen Wildwassertour von Aich nach Tunzendorf wechseln: Dazu ziehen wir unsere Boote in die nahe gelegene Enns. Glasklares Wasser, das aus dem benachbarten Pongau kommt und durchs Obersteirische bis Oberösterreich und schlussendlich in die Donau fließt.
Mit unseren Paddeln versuchen wir, der Strömung Herr zu werden - und das ist manchmal richtig anstrengend. So anstrengend, dass wir in einer Pause die Boote anlegen, uns ins Wasser legen und uns von der Strömung ein Stück flussabwärts treiben lassen. Damit wir anlegen können, lernen wir, gezielt in sogenanntes Kehrwasser einzufahren; eine Technik, mit der man das Kajak dreht, sodass es gegen die Strömung sanft hinein in die ruhige Bucht gleitet.
Beeindruckende Landschaften
Erst jetzt fallen uns die leuchtend grünen Hügel und die imposanten Berggipfel auf, an denen wir schon die ganze Zeit nahezu achtlos vorbeischippern. Am Wasser sind wir hoch konzentriert: Hauptsache, niemand bleibt an Ästen oder Steinen hängen, und nur nicht kentern!
Aber wie es eben so läuft: Kurz vor Ende der Fahrt passiert es doch. Ich liege mit meinem Kopf nach unten im Fluss. Flugs ist ein erfahrener und starker Kanute aus dem Knauß-Team an meiner Seite. Stark ist vor allem deshalb wichtig, weil das Boot richtig schwer wird. Nach dem Kentern hat es das Gewicht einer kleinen vollen Badewanne. Allein hätte ich es wohl niemals drehen können. Die Tour dauert den ganzen Nachmittag. Am Ende holt uns das Kajaktiv-Taxi ab und bringt uns zurück zum Badesee Aich.
Wir schälen uns aus den nassen Neoprenanzügen und springen noch ein letztes Mal in den Badesee. Im Vergleich zur Enns fühlt sich das Wasser nun lauwarm wie eine tropische Lagune an.
Nervenkitzel am Gletscher - das Kontrastprogramm
Am nächsten Tag stehen wieder Nervenkitzel und Wasser am Programm, Letzteres diesmal jedoch in gefrorener Form: Mit der Gondel geht es von Ramsau erst einmal hinauf zum Dachsteingletscher. Mutige könnten die zehnminütige Fahrt auf etwa 2700 Meter sogar direkt auf dem Dach (!) der Gondel in einer Art Balkon genießen. Doch Nervenkitzel bekommen wir oben auf dem Gletscher noch genug.
Die Fahrt dauert weniger lang als das Warten in der langen Schlange an der Talstation, trotz gekaufter Tickets zu festem Zeitpunkt. Mehrere Hunderttausend Menschen besuchen den Schladminger Gletscher jährlich, die Gondel kann stündlich knapp 400 Personen befördern.
Der Hochgebirgstourismus ist für uns nun das Kontrastprogramm zum fast einsamen Paddelerlebnis auf der Enns. Oben erwartet uns ein kleines Gletscher-Disneyland mit Attraktionen, die uns - Groß wie Klein - imponieren: ein Skywalk, die höchstgelegene Hängebrücke Österreichs und die "Treppe ins Nichts", allerdings mit sehr viel Panoramablick - jedenfalls nichts für schwache Nerven.
Für den Besuch des künstlich gekühlten Eispalasts mit seinen Eisskulpturen muss extra ein Ticket gelöst werden, die Fahrt hinauf auf den Gletscher ist für eine Familie ohnehin schon nicht ganz günstig. Der Weg zum Eispalast führt über die schwindelerregende Hängebrücke.
Während der Sommer mit über 30 Grad die Menschen im Tal ins Schwitzen bringt, liegen die Temperaturen hier auf dem Gletscher nur wenig über dem Gefrierpunkt. Wir können nicht anders - und veranstalten eine kleine Schneeballschlacht in kurzen Hosen. Der Schnee ist nicht ganz ideal für eine Schlacht, er ist feucht und schwer. Die Kugeln, die wir formen, schmelzen allzu rasch zwischen unseren Fingern. Doch wir haben genug Eifer und sind schnell, schon sitzen die ersten Treffer. Noch nie zuvor ist mir im Juli ein kalter Batzen Schnee mitten ins Gesicht geflogen. Nach kurzer Zeit quietschen und kichern wir alle.
Doch nichts währt ewig, nicht einmal das ewige Eis. Und auch nicht der kleine Schneemann, den eines der Kinder geformt hat und unter Tränen mit ins Tal nehmen will. Das große Schmelzen ist hier nicht zu übersehen. Der Klimawandel wird uns an diesem Tag schmerzlich bewusst - und stimmt uns traurig. Vielleicht sind doch der allmählich schwindende Gletscher, die majestätischen Berge und ihre Gipfel sowie die atemberaubenden Weiten, die das Auge sucht, die wahren Attraktionen - nur, wie lange noch?
INFO & ADRESSEN
Kajak und Flusswandern auf der Enns: Kajaktiv - Kajakschule und geführte Touren auf der Enns, Schnupperkurs 38 € im Aicher Badesee um 9 Uhr (kostenlos für Besitzer der Sommercard Schladming/Dachstein)
Flusswandern in Kajak, Kanu oder auf dem Monster-SUP ab 48 € pro Person, Kurse auch für Fortgeschrittene, kajaktiv.at
Dachstein-Gletscherbahn:
Berg- und Talfahrt inkl. Eintritt Attraktionen (Eispalast, Treppe ins Nichts, …) 60,50 € für Erwachsene, 31 € für Kinder, gratis für Besitzer der Sommercard. www.derdachstein.at, www.schladming-dachstein.at
SCHÖNE PADDELSTRECKEN FÜR GROSSE UND KLEINE
Draupaddelweg
Zwischen Lienz und Lavamünd bietet der Draupaddelweg auf gut 210 Kilometern erlebnisreiche Etappen für Kanu, Kajak oder SUP. Die gute Lage der Bahnhöfe an der Drau sorgt für Mobilität und Flexibilität. An der Drau lässt sich das familien- und kinderfreundliche Kanuwandern perfekt mit anderen Sportarten und Ausflugszielen verbinden: Drauradweg, Kletterpark, Wanderwege, Mountainbiken, Canyoning, Paragleiten, Badeseen, Sehenswürdigkeiten, die auch Kinder spannend finden, und dazu feinste Alpen-Adria-Kulinarik. draupaddelweg.com
Auf dem Neusiedler See
Pannonische Reize: Kanurundfahrten mit dem Paddelzentrum Rust durch die Ruster Bucht oder auf einer naturkundlichen Exkursion durch die einzigartige Schilflandschaft, als Touren zum Sonnenuntergang oder zum Zauber des Mondscheins vom Wasser aus. Erfahrene Bootsführer begleiten die Paddler in Kanus wie auch in Seekajaks und auf SUPs. Verleih, Test und Verkauf von Seekajaks, SUPs, Kanadiern und Paddelausrüstung hochwertiger Marken, Kurse und Schnupperpaddeln. seekajak.at
March-Thaya-Auen
Thaya (Dyje) und March (Morava) sind zwei Flüsse, deren Unterläufe häufig zusammen befahren werden. Sie bilden die Grenze zwischen dem niederösterreichischen Weinviertel, Tschechien und der Slowakei. Da es der March an guten Einstiegsstellen mangelt, wird die Fahrt vorzugsweise in Břeclav auf der Thaya gestartet. Von hier kann man 22,7 Kilometer bis in die March und anschließend 69,3 Kilometer weiter bis in die Donau paddeln - was 90 hindernisfreie Paddelkilometer ergibt. Aufgrund der langsamen Strömung ist die Strecke auch für Anfänger gut geeignet, ideal für Vogelbeobachtungen. Kanuverleih: www.kanu-ferl.at, www.marchthayaauen.at
Nationalpark Donau-Auen
Eine Kanutour in den Donauseitenarmen bei Stopfenreuth hat ihren besonderen Reiz. Lautlos gleitet das Kanu durch das Wasser, die Morgenstimmung in diesem Naturparadies entfaltet ihren ganzen Zauber. Zu beobachten sind eine Vielzahl an Vögeln bis hin zu Sumpfschildkröten und Bibern. Im Dezember 1984 befand sich hier das Kerngebiet der Aubesetzung, die den Bau des Kraftwerkes Hainburg verhinderte und so den Grundstein für den Nationalpark Donau-Auen legte. Hinweis: Die Gäste müssen mitpaddeln, daher werden wasserfeste Trekkingsandalen oder Gummistiefel empfohlen. Die Kanutour wird auch als Abendveranstaltung angeboten, Mindestteilnehmerzahl neun Personen, Kinder ab sechs Jahren. www.donauauen.at