SN.AT / Panorama / Österreich

Kinder lernen später und schlechter schwimmen - ein Trend, der immer wieder fatale Folgen hat

Fast zehn Prozent der Erwachsenen in Österreich können nicht oder nur sehr unsicher schwimmen. Aus mehreren Gründen lernen viele Kinder nicht mehr richtig, wie man sich über Wasser hält.

Ein Sprung ins kühle Nass am Mattsee.
Ein Sprung ins kühle Nass am Mattsee.

Seit dem vergangenen Wochenende, an dem heißes Badewetter in Österreich herrschte, gab es drei tödliche Badeunfälle in Kärnten, wo ältere Personen ertranken. In Frohnleiten (Steiermark) rutschte laut Polizei ein 14-Jähriger auf dem Sprungturm des Freibads aus und fiel aus fünf Metern Höhe direkt auf einen 15-Jährigen, der sich im Becken befand. Der 15-Jährige erlitt Rückenverletzungen.

Die Ursachen sind vielfältig, aber nach übereinstimmender Einschätzung von Fachleuten können die Menschen in Österreich immer weniger gut schwimmen. Johanna Trauner-Karner, Leiterin des Bereichs Sport- und Freizeitsicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV), spricht von einem "komplexen Problem".

Überschätzung der eigenen Fähigkeiten

Vor allem bei Jugendlichen gebe es eine "stark abnehmende Kompetenz" beim Schwimmen. Auch bei vielen älteren Personen nehme die Häufigkeit ab, mit der schwimmen gegangen werde. Das führe oft auch zu einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten. Es gebe zwar keine Langzeitvergleiche, aber die Schwimmfrequenz lasse nach. Für ältere Menschen komme neben zunehmender Hitze noch das Herz-Kreislauf-Thema hinzu, wenn man plötzlich in kaltes Wasser eintauche.

Insgesamt können nach Schätzungen rund 630.000 Erwachsene in Österreich nicht oder nur sehr schlecht schwimmen. In Österreich leben laut Statistik Austria rund 7,4 Millionen Menschen ab 20 Jahren. Die Gesundheit Österreich GmbH geht auch von einem Nichtschwimmeranteil von acht Prozent für die Bevölkerung ab fünf Jahren aus.

Durchschnittlich 33 Tote pro Jahr durch Ertrinken

Pro Jahr ertrinken im Durchschnitt 33 Menschen in Österreich, im Jahr 2024 waren es sogar 39. Das zeigen Zahlen des KFV, das seit 2018 gezielt Polizei- und Medienberichte auswertet. "Die Zahlen sind sehr hoch", sagt Trauner-Karner. Im Vorjahr hatte das KFV erhoben, dass etwa 134.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 19 Jahren gar nicht schwimmen können. Die aus Umfragen hochgerechneten Zahlen zeigen, dass weitere 93.000 Kinder und Jugendliche nur sehr schlechte Schwimmkenntnisse haben.

Auch Peter Spitzer, Unfallforscher am Zentrum "Große schützen Kleine" des Uniklinikums Graz, bestätigt die sich verschlechternden Werte. Das Durchschnittsalter ertrunkener Kinder stieg demnach in den vergangenen Jahren von vier auf sechs Jahre an. "Das höhere Durchschnittsalter bei Ertrinkungsunfällen im Kindesalter zeigt auch, dass das Schwimmen immer später erlernt wird." Spitzer bedauert, dass oft ein erfolgreich absolvierter Schwimmkurs schon als Endpunkt der Beschäftigung mit dem Thema gesehen werde und nicht als Anfang. Ähnlich sei es leider auch bei der freiwilligen Fahrradprüfung. Letztlich komme es aber auf die Übung und die Routine an, um sicher zu sein, so der Unfallforscher.

Ertrinken ist in Österreich bei Kindern unter fünf Jahren die häufigste tödliche Unfallursache, bei Kindern zwischen 5 und 14 Jahren die zweithäufigste. In den vier Jahren 2021 bis 2024 starben 18 Personen dieser Altersgruppe in Österreich. Für die Kleinsten sind private Pools das größte Risiko, für größere Kinder oft Flüsse. In öffentlichen Schwimmbädern ist die Überlebenschance wegen der Aufsicht durch Bademeister am höchsten.

Die Gründe für diese Entwicklungen sind vielfältig. Es gebe zum Beispiel mehr Freizeitmöglichkeiten als früher und für die meisten Schulen ist der Schwimmunterricht nur schwierig zu bewerkstelligen, sagen die von den SN befragten Fachleute. Es gebe auch teilweise kulturelle Gründe, weil viele Zuwanderer weniger wasseraffin seien. Umgekehrt förderten Thermenlandschaften eher das Planschen als das Schwimmen, gibt Unfallforscher Spitzer zu bedenken.

Vor allem bei den 12- bis 18-Jährigen sehe man eine stark abnehmende Kompetenz, sagt KFV-Expertin Trauner-Karner. Das habe teilweise auch soziale Gründe, denn wenn das Schwimmen an den Schulen nicht sicher erlernt werde, fehle vielen Leuten das Geld für private Kurse. Positiv hebt Trauner-Karner hervor, dass in mehreren Bundesländern KFV-Initiativen bereits aufgegriffen wurden. So habe das Burgenland den Schwimmunterricht bzw. die Organisation dafür an den Schulen intensiviert und in Niederösterreich gebe es vom Land geförderte Schwimmkurse. "Salzburg hat hier ein großes Infrastrukturproblem", betont die KFV-Expertin.

Generell wird empfohlen, Kindern das Schwimmen möglichst frühzeitig beizubringen. Dazu geben beide Experten gute Tipps: Man solle nicht mit Brustschwimmen beginnen, denn das sei viel schwieriger als Rückenschwimmen. Sich am Rücken im Wasser mit Körperspannung zu stabilisieren und dann mit den Beinen zu strampeln und mit den Armen zu rudern, sei viel einfacher. Und schwimmen lernen solle man ohne Schwimmbrille, damit die Reflexe des Körpers auf Wasser voll wirken können. Außerdem wird - auch Erwachsenen - empfohlen, aufblasbare Schwimmbojen, in die auch das Handy oder Wertsachen passen, zu verwenden. "Im Notfall kann man sich daran festhalten und sich etwas erholen", so Trauner-Karner. Das sei auch für andere Aktivitäten wie Stand-up-Paddeln empfehlenswert.