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Architektin Caroline Rodlauer: Warum Umbauen nachhaltiger ist als Neubauen

Ressourcen schonen und Boden sparen: Die steirische Architektin Caroline Rodlauer stellt in einem praxisorientierten Buch Best-Practice-Beispiele für das Bauen im Bestand vor.

Vom ehemaligen Backhaus zum Wohnsitz, Haus Illichmann, OÖ.
Vom ehemaligen Backhaus zum Wohnsitz, Haus Illichmann, OÖ.

Sanieren, Renovieren, Aufstocken und Nachverdichten von Wohnhäusern: Welche Vorteile bringt es, um- statt neu zu bauen?

Architektin Caroline Rodlauer.
Architektin Caroline Rodlauer.

Die "Salzburger Nachrichten" haben darüber mit der Architektin und Ortsbildsachverständigen Caroline Rodlauer gesprochen.

Frau Rodlauer, im Mai 2025 wird Ihr Buch mit dem Titel "Umbauen statt neu bauen" erscheinen. Was war der Grund für dieses Buchprojekt und warum braucht es ein Plädoyer für das Bauen im Bestand? Caroline Rodlauer: Nirgendwo in Europa wird so viel an Bodenfläche durch Verbauung versiegelt wie in Österreich. In Zahlen gegossen sind das rund 11,6 Hektar pro Tag. Problematisch ist das vor allem deshalb, weil der Dauersiedlungsraum in Österreich sehr knapp ist. Diese begrenzte Verfügbarkeit von Boden steht dem Fakt gegenüber, dass in der Raumordnung täglich neue Baulandflächen ausgewiesen werden. Parallel dazu gibt es tatsächlich sehr viele leer stehende und brachliegende Gebäudestrukturen in ganz Österreich - geschätzt sprechen wir da von 40.000 Hektar. Aus diesen Gründen glaube ich, dass wir uns viel mehr dem Thema der Umbaukultur widmen müssen. Mein Buch soll einen Beitrag dazu leisten, indem es einerseits aufzeigt, welche Konsequenzen der inflationäre Umgang mit der Ressource Boden hat, und andererseits Lösungsstrategien anbietet.

Was genau ist mit dem Begriff Versiegelung gemeint? Ich spreche eigentlich nicht gern von Bodenversiegelung, der Begriff Flächen-Inanspruchnahme trifft es eigentlich besser. Von den 11,6 Hektar, die in Österreich jeden Tag verbraucht werden, wird rund die Hälfte komplett versiegelt. Das bedeutet, dass Flächen durchgehend mit einer wasser- und luftundurchlässigen Schicht abgedeckt werden. Versiegelung hat natürlich auch ökologische Folgen, sprich: Regenwasser kann nicht mehr versickern, die Hochwassergefahr steigt und die sommerliche Überhitzung nimmt zu. Die Erholungsräume für Mensch und Tier werden nachhaltig beeinträchtigt - die Konsequenzen spüren wir alle. Zudem hat die Zersiedelung auch für das Orts- und Landschaftsbild der Tourismusregion Österreich irreversible Folgen.

Die Architektur setzt sich mit dem Thema Flächenverbrauch und Bodenverfügbarkeit noch nicht sehr lange auseinander? Sagen wir, das Thema bewegt sich sehr langsam in die richtige Richtung. Auch bei Architekturwettbewerben und Bauherrenpreisen stelle ich noch immer fest, dass - oft - ausschließlich Neubauten Auszeichnungen erhalten. Bestenfalls werden teure und aufwendige Sanierungen nominiert, die sind für "Normalverbraucher" aus finanziellen Gründen oft nicht nachahmbar. Aus meiner Sicht wäre es zum Beispiel sinnvoll, eine Sonderkategorie einzuführen, die die Einbeziehung einer bestehenden Bausubstanz würdigt. Neubauten auf der grünen Wiese entstehen ja eigentlich unter den günstigsten Rahmenbedingungen. Sich mit den Parametern eines Bestandsgebäudes zu beschäftigen, verlangt den Architekten und Handwerkern dagegen einiges ab! Das Umstrukturieren, Aufstocken, Erweitern, Nachnutzen - das ist eigentlich die Königsdisziplin, wenn man das so sagen will. Gerade für Handwerker und Architekten bietet eine Spezialisierung in diesem Bereich meiner Ansicht nach ein riesiges Chancenpotenzial.

Und wie steht es um den Kostenvergleich zwischen Um- und Neubau? Es kommt natürlich immer darauf an, aber meiner Erfahrung nach spart man bei Um- statt Neubau durchschnittlich 25% Kosten ein, weil zumindest der Rohbau wirtschaftlich wiederverwendbar ist, und auch Infrastruktur, Leitungen und Aufschließungen meist schon am Baugrund liegen.

 Architekt Stefano Mori, „Aus eins mach drei“ – Bad Dürrnberg, Salzburg. Transformation eines Einfamilien- in ein Mehrfamilienwohnhaus für eine Großfamilie.
Architekt Stefano Mori, „Aus eins mach drei“ – Bad Dürrnberg, Salzburg. Transformation eines Einfamilien- in ein Mehrfamilienwohnhaus für eine Großfamilie.

Hohe Grundstückspreise und steigende Bankzinsen lenken Bauwillige aber auch ganz von selbst in die Richtung von Bestandssanierungen. Eine Umorientierung findet derzeit auch aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen statt, das ist richtig. Der Klassiker ist, dass sich beispielsweise die Enkelin im Haus der Oma das Obergeschoß ausbaut. Häufig wird auch die Garage aufgestockt und zum Wohnraum ausgebaut. Um- und Zubauten, das merke ich auch in meiner Funktion als Sachverständige, liegen voll im Trend. Das ist gut so, denn viele alte Einfamilienhäuser stehen auf riesigen Grundstücken, die damit sinnvoll nachverdichtet werden. Den bestehenden Wohnraum neu zu nutzen oder zu erweitern ist wesentlich effizienter, als wieder Bauland auszuweisen und immer neue Siedlungen zu gründen. Gleichzeitig bringt zum Beispiel ein Mehrgenerationenwohnen wichtige soziale Vorteile mit sich - von der Kinderbetreuung bis zur gemeinsamen Infrastruktur. Miteinander leben bringt viele Vorteile!

Wenn man leer stehende Gebäude nutzen will, sind oft auch bürokratische Hürden zu überwinden. Müssten die gesetzlichen Vorgaben beweglicher werden? Es wäre sicher notwendig, an ein paar Stellschrauben zu drehen. Derzeit ist es so, dass ein Neubau auf der grünen Wiese rechtlich einfacher umzusetzen ist als die Sanierung eines Bestandsgebäudes, insbesondere wenn es sich dabei um historische Gebäude handelt. Wenn die gesetzlichen Vorgaben für die Umnutzung zu umfangreich sind, werden sich Bauherren im Zweifel natürlich meistens für Abriss und Neubau entscheiden.

Das ist besonders für Ortszentren von Belang? Gerade die historisch gewachsenen Ortskerne sind so etwas wie Visitenkarten für die österreichischen Regionen. Das Dilemma ist, sie verschwinden zunehmend. Das hat - nicht nur, aber auch - damit zu tun, dass eine Nachnutzung der bestehenden Gebäudestruktur oft schwierig zu bewerkstelligen ist. In einem alten Bürgerhaus Geschäftsräumlichkeiten unterzubringen scheitert wahrscheinlich an der zu niedrigen Raumhöhe, eine gewerbliche Nutzung fällt also aus. Ältere Gebäude sind auch selten barrierefrei, damit kommen auch Banken und Apotheken nicht als Mieter infrage. Kurz gesagt: Die Nachnutzung wird durch einige Bestimmungen sehr stark eingeschränkt und teilweise auch verunmöglicht. Damit schlittert man in das Problemfeld der Ortskernentleerung. Wunderschöne alte Dorfmittelpunkte werden immer leerer, weil das Leben in die Peripherie zieht.

Zur Person:
Caroline Rodlauer lebt als Architektin, Bau- und Ortsbildsachverständige, Publizistin sowie Universitätslektorin im Steirischen Salzkammergut und befasst sich intensiv mit Dorf- und Regionalentwicklung.

"Umbauen statt neu bauen" erscheint am 19. Mai 2025 im Pustet-Verlag.