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Sie speichern Millionen Tonnen CO₂: Moore sollen helfen, das Klima zu retten

Trockengelegt. Moore sind ein wirksamer Klimaschützer - falls es sie noch gibt.

Werden Moore trockengelegt, werden Unmengen Kohlendioxid freigesetzt.
Werden Moore trockengelegt, werden Unmengen Kohlendioxid freigesetzt.

Kommt jetzt der Moorfrieden? Noch in der vergangenen deutschen Bundesregierung hat der Schutz der Moore, die als wichtige Helfer für den Klimaschutz gelten, für unheimlichen Ärger gesorgt: die damalige CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner überwarf sich mit SPD-Umweltministerin Svenja Schulze aus Angst, dass bisherige Felder unter Wasser gesetzt werden und Bauern sie nicht mehr bewirtschaften können. Nun hat sich die rot-grün-gelbe Bundesregierung auf eine Nationale Moorschutzstrategie geeinigt. Sie soll Landwirtschaft und Klimaschutz unter einen Hut bringen. Warum das entscheidend ist? Eine Erklärung in vier Schritten.

1. Moore werden zu Klimakillern
Moore sind starke Klimaschützer, wenn sie intakt sind, der Untergrund matschig feucht-braun ist, Orchideen und fleischfressender Sonnentau, Sumpfohreule und Birkhuhn oder andere seltene Pflanzen und Tiere dort leben. Denn: Weltweit bedecken Moore zwar nur drei Prozent der Landfläche, sie speichern aber etwa so viel Kohlenstoff, wie sich in der gesamten Vegetation der Erde findet. Mit Torfabbau und ihrer Nutzung oder Trockenlegung wandeln sie sich allerdings zu Kohlenstoffquellen und feuern so die Erderhitzung an. Allein in Deutschland werden auf diese Art jedes Jahr 53 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Die nicht mehr intakten Moorböden machen laut der Moorstrategie 7,5 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen aus. Vergleichbare Zahlen für Österreich fehlen.

2. Zerstörte Moore
Früher gab es vor allem ganz im Norden Deutschlands, aber auch im Alpenvorland Moorlandschaften. In Österreich sind die meisten noch bestehenden Moore im Westen zu finden. Moore entstehen überall dort, wo das Wasser nicht abfließen kann. Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg wurden die meisten allerdings trockengelegt - für den Bau von Straßen und Häusern, für die Landwirtschaft, die Felder und Wiesen brauchte. Das galt einst als großer Fortschritt, zum Beispiel für die Ernährungssicherung.

Der Zustand der österreichischen Moore ist laut Agrarministerium "ungünstig" bis "schlecht". Ihre Größe ist unbekannt, wird aber auf rund 30.000 Hektar geschätzt. Auch das genaue Ausmaß der Zerstörung sei nicht feststellbar, heißt es in einem Bericht des Umweltbundesamts 2021. Österreich hat wie Deutschland eine Moorstrategie, mangels Daten bleibt sie aber vage. In "Aktionsplänen" stellen die Bundesländer Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen in Aussicht.
Sinkt der Wasserstand in den Mooren, gelangt Sauerstoff an den Torf, aus dem sie bestehen. Die Folge: Der Kohlenstoff, der in den abgestorbenen Pflanzenresten im Torf gebunden war, wird nach und nach frei und entweicht als CO2 in die Atmosphäre. Dass 92 Prozent der Moore in Deutschland entwässert sind, soll sich darum ändern. Wie viele Moore in Österreich entwässert sind, ist nicht bekannt.

3. Moore zu Baustofflieferanten
Der Untergrund soll wieder nasser werden, abgesehen davon, dass der Torfabbau "mittelfristig" auslaufen soll. "Nur so kann es in Deutschland gelingen, bis 2045 treibhausgasneutral zu leben und zu wirtschaften", steht in der Strategie. Die Moorböden müssen dann allerdings anders bewirtschaftet werden. Noch wird gut die Hälfte der Moorflächen zum Beispiel als Grünland für die Milchviehwirtschaft genutzt. Erste Landwirte experimentieren zwar schon mit sogenannten Paludikulturen, sie bauen auf nassen Böden zum Beispiel Rohrkolben als Baustoff an oder Torfmoose als Torfersatz. Aber das rechnet sich bisher nicht: Für die Produkte fehlt der Markt. Der Bund verspricht nun Förderung in Kooperation mit den Ländern. Auch Photovoltaikanlagen auf Moorböden sollen neue Einkommenschancen bieten.

4. Moorschutz ganz freiwillig
Am Ende sollen ab 2030 jedes Jahr fünf Millionen Tonnen CO2 gespart werden. Ob das klappt, ist offen. Denn die neue Art der Moorwirtschaft soll auf dem Prinzip Freiwilligkeit beruhen, zumindest vorerst. Finanzielle Anreize sollen den Umstieg aber leichter machen. So stellt in Deutschland der Bund mit dem "Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz" bis zum Jahr 2026 insgesamt vier Milliarden Euro zur Verfügung, allerdings nicht nur für die Wiedervernässung von Mooren, sondern auch für den Schutz alter Wälder oder den grünen Umbau von Städten.

Umweltschützer fordern Verbindlichkeit und konkretere Schritte. Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes, warnte: "Das Zeitfenster, um überfällige Maßnahmen umzusetzen und die Klimawandelfolgen auf erträglichem Niveau zu halten, schließt sich."

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken, gab indes zu bedenken: Noch vor einigen Jahrzehnten sei die Nutzung von Mooren zur heimischen Lebensmittelproduktion "staatlich gefördertes Ziel" gewesen, von der neuen Ausrichtung seien nun ganze Regionen betroffen. Den Betrieben und Familien müssten "gleichwertige wirtschaftliche Alternativen" geboten werden. "Ordnungsrechtliche Eingriffe ohne Rücksicht auf die individuelle Situation der Betriebe verspielen das Vertrauen." Der deutsche Moorfrieden - er ist zumindest brüchig.