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Pilze, frisch geerntet von der Kartonbox aus der eigenen Küche: "Die schmecken ein wenig wie Speck"

Am Hof stehen 30 Kühe. Im Obstkeller wachsen Pilze. Sebastian Reindl ist einer von wenigen Züchtern, die Pilzbrut erzeugen - für Profis und für Hobbyzüchter.

Das Interesse an der Pilzzucht hat Sebastian Reindl in China entdeckt. Jetzt züchtet er am Hof in Schleedorf Pilzbrut.
Das Interesse an der Pilzzucht hat Sebastian Reindl in China entdeckt. Jetzt züchtet er am Hof in Schleedorf Pilzbrut.

Dass die Pilze nicht wachsen? Nein, das sei noch keinem seiner Kunden passiert, sagt Sebastian Reindl lachend. Karton aufreißen, Plastik einschneiden, Wasser draufsprühen und den Schwammerln beim Wachsen zuschauen. Ob Austernpilze, Zitronenseitlinge "mit fruchtigem Aroma" oder Rosenseitlinge - "die schmecken ein wenig wie Speck" -, nach ein bis zwei Wochen könne man ernten. Die erste Ernte sei garantiert, meist kann nach je zwei weiteren Wochen vier Mal geerntet werden, teils auch sechs Mal. Pilzzucht aus der Kartonbox in der eigenen Küche: ein Kinderspiel.

Pilzzucht aus der Kartonbox: Ein Kinderspiel.
Pilzzucht aus der Kartonbox: Ein Kinderspiel.

Nur einer von vier Produzenten in Österreich

Der Weg dorthin, der sei freilich kniffliger. Er sei einer von nur vier Produzenten in Österreich, die auch die Pilzbrut selbst herstellten, sagt Reindl. Aus dem Stamm des Pilzes - ob Austernpilz oder Shiitake - werde ein Teil herausgeschnitten und in einer Petrischale in Agarlösung, also einer Art Gelatine, angesetzt. Binnen einer Woche beginne das Mycel wie ein weißer Flaum zu wachsen. In einem Sack Gerste-Hirse-Mischung wird das angesetzt. "Das Getreide muss davor sterilisiert werden, nur wenn alle anderen Keime abgetötet sind, kann der Pilz wachsen." Höchste Hygiene und Sauberkeit in einem Reinraum "wie im OP" seien Voraussetzung. Aus zehn Kilo dieser Pilzbrut werden durch Zufügen weiterer Gerste binnen einer Woche 200 Kilo. Aus dieser Pilzbrut wird mit Sägemehl oder Stroh das Substrat erzeugt, aus dem die Pilze wachsen. 500 Kilo Pilze ergebe das, sagt Reindl. Die wachsen schnell, meist in einer Woche.

"Ich bin doch mehr der Tüftler und Techniker"

Hatte Reindl zunächst selbst mit dem Züchten von Pilzen aus zugekaufter Pilzbrut begonnen, habe er sich mittlerweile auf die Zucht der Pilzbrut spezialisiert. "Ich bin doch mehr der Tüftler und Techniker als der reine Züchter." Verkauft wird an Hobbyzüchter online und ab Hof, sei es die fertige Pilzbox oder Zucht-Sets. Hauptgeschäft sind aber Großkunden, für Züchter erzeugt man auf Auftrag Pilzbrut.

Begonnen hat alles mit einer Reihe von Zufällen. Aufgewachsen am elterlichen Stoff'nhof in Schleedorf absolvierte Reindl zunächst die HTL für Elektrotechnik und Maschinenbau. Im Krankenhaus habe er als Medizintechniker gearbeitet, sich dann aber fürs Studieren entschieden, am Holztechnikum in Kuchl. Ein Stipendium habe ihn einen Monat nach China geführt - und die Lust geweckt. Drei Jahre habe er Chinesisch gelernt, um die Masterarbeit für einen Parkettproduzenten in Schanghai zu beenden. "In jedem kleinen Laden gab es dort 15 Sorten frischer Pilze." Das habe sein Interesse geweckt.

Auch Partnerin Lisa Reindl ist mit an Bord.
Auch Partnerin Lisa Reindl ist mit an Bord.

Im ehemaligen Obstkeller ist die eigene Pilzzucht

Als dann sein Plan, beruflich vorerst nach China zu gehen, mit Ausbruch der Coronapandemie schlagartig auf Eis gelegt war, begann er am elterlichen Biobetrieb mit Pilzen zu experimentieren.

Die 30 Milchkühe stehen immer noch am Hof in Schleedorf, um die kümmern sich vorwiegend seine Eltern. "Wir helfen uns aber gegenseitig aus." Im Zuhaus ist mittlerweile seine Pilzbrut-Produktion. Die Maschinenbau-HTL habe ihm hier stark geholfen, der Reinraum ist Marke Eigenbau, auch die Sterilisatoren hat er gebraucht aus der Lebensmittelindustrie gekauft und repariert. Im ehemaligen Obstkeller ist die eigene Pilzzucht, zu Probezwecken und für den kleinen Ab-Hof-Laden. Im einstigen Kuhstall des Nachbarn wird Substrat für Großkunden abgefüllt.

Weitere Ideen hat Reindl genug: Mit dem Holztechnikum in Kuchl arbeite er an einem Dämmstoff aus dem abgeernteten Substrat. Mit Apothekern tüftelt er an Pilzextrakt. "In der chinesischen Medizin spielt etwa der Reishi eine große Rolle, sei es bei Hautproblemen oder als Nahrungsergänzungsmittel."

Von Austernpilz bis Rosenseitling:Edelpilze aus der Kartonbox

3500 Pilze - ob essbar oder nicht - gebe es in Österreich, 38.000 weltweit. Züchten könne man davon nur 65, sagt Reindl. Steinpilze etwa seien durch die Form ihrer Symbiose mit Baumwurzeln (Mykorrhiza) unmöglich zu züchten. In Asien habe Pilzzucht Tausend Jahre Tradition. Im Karton kann es jeder versuchen.

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