In der Branche ist es seit Tagen das heiß diskutierte Thema: Nicht nur in der Werbung forciere der Rewe-Konzern seine Eigenmarke Hofstädter zuletzt stark. Auch in den Billa-Regalen würden zunehmend Markenprodukte heimischer Produzenten durch die Eigenmarke - die sich selbst gern als g'standener Metzger inszeniert - verdrängt.
"Es stimmt, dass die Gangart in den vergangenen Wochen noch einmal deutlich verschärft wurde", sagt Thomas Schmiedbauer, Chef und Eigentümer der Firma Wiesbauer und stellvertretender Obmann des Fachverbands der Fleischwarenindustrie in der Wirtschaftskammer. Das treffe auch ihn selbst. Die "Wiener Prater-Stelze", die bisher unter der Wiesbauer-Marke in den Regalen lag, soll auf Hofstädter umgestellt werden. Rewe habe dafür an alle Wurstproduzenten eine Ausschreibung geschickt. "Unter dem Namen Prater-Stelze kann Rewe das nicht anbieten, den haben wir schützen lassen, weil das Verfahren - das Stelzenfleisch in Schinkenform zu bringen und dünn aufzuschneiden - eine Erfindung meines Vaters war", sagt Schmiedbauer. Unter Kümmelbraten oder Brathaxn sei das aber sehr wohl möglich. Gewinnen würde jener Produzent, der es am billigsten herstellt.
Ein Drittel des Marktes geht bei Auslistung verloren
Mitbieten wird übrigens auch Schmiedbauer selbst. "Aber sicher nicht mit der eigenen Rezeptur meiner Prater-Stelze, da würde ich mich ja selbst kannibalisieren", sagt er. Immerhin geht es bei der Stelze für ihn um eine Produktion von 100 Tonnen im Jahr - und damit um eines der Topprodukte. Betroffen sei aber bei Weitem nicht nur seine Firma mit 850 Mitarbeitern, zu der im Übrigen auch die Landmetzgerei Senninger in Saalbach zählt. "Was ich von den Kollegen höre, sind in den vergangen sechs bis acht Wochen 50 bis 60 Artikel ausgeschrieben worden, die bisher unter Markenanbietern liefen - vom Schinken bis zu Würsteln."
"Die aktuellen Umstellungen unserer Partner im Lebensmittelhandel zugunsten von Eigenmarken betreffen uns als regionalen Produzenten sehr stark", sagt auch Franz Ablinger, Chef des gleichnamigen Traditionsbetriebs mit 220 Mitarbeitern in Oberndorf. Für die Eigenmarken von Handelsketten würden viele verschiedene Betriebe produzieren. "Man ist als Produzent sehr schnell austauschbar."
"Wertschöpfung bleibe lt. Rewe in Österreich"
Andere Betriebe wollen sich auf SN-Nachfrage nicht äußern. "Wenn du die Listung bei einem der großen Handelskonzerne verlierst, verlierst du ein Drittel des Marktes", betont Branchensprecher Schmiedbauer. Spar, Rewe und Hofer haben über 85 Prozent Marktanteil. Da gehe es schnell um nötige Auslastung des eigenen Werks. Bei Wiesbauer entfielen keine zehn Prozent der Produktion auf Handelsmarken, bei anderen deutlich mehr. Bei Rewe bestätigt man, dass es in den vergangenen Wochen "eine Reihe von Ausschreibungen im Wurstwarenbereich" gegeben habe. Das aber sei alltägliches Geschäft bei Artikeln, die eine bestimmte Umsatzschwelle überschreiten. "Im Rahmen dieser Ausschreibungen wird es zu keinen wesentlichen Verschiebungen im Verhältnis Lieferanten/eigene Werke kommen", heißt es in einer Stellungnahme.
Produziert werde die Marke Hofstädter sowohl von Herstellern und Lieferanten aus Österreich als auch von den eigenen Rewe-Fleischwerken. "Die Wertschöpfung bleibt sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Produktion in Österreich", so Rewe. Aufträge ans Ausland vergebe man unter Hofstädter nicht.
Der Handel zählt längst selbst zu den großen Playern der heimischen Fleischindustrie. Auf 35.000 Quadratmetern produziert Rewe in dem 2019 eröffneten Fleischwerk in Eberstalzell (OÖ) Fleisch und Wurst. Daneben werden in Radstadt in Salzburg Wurstwaren und in Traiskirchen Fleisch- und Convenienceprodukte verarbeitet. Spar ist mit österreichweit sechs Tann-Werken laut eigenen Angaben größter Fleischverarbeiter und Wurstproduzent in Österreich.
Heimische Fleischindustrie schreibt großteils Verluste
"Wenn man nicht auch die Gastronomie beliefert oder stark im Export ist, wird es für die heimische Fleischindustrie immer schwieriger", sagt Josef Domschitz vom Fachverband der Lebensmittelindustrie. Zwei Drittel der Betriebe der Fleischindustrie haben laut einer Umfrage der Wirtschaftskammer im Vorjahr Verluste geschrieben. Schon im Herbst des Vorjahres hat man sich, wie berichtet, in einem offenen Brief an den Handel gewandt. In einer "besonders dramatischen und existenzbedrohenden Weise" sei die Fleischindustrie von den rasant steigenden Kosten betroffen. Waren es zunächst steigende Kosten - von Energie über den Fleischpreis bis zu Verpackung und Transport -, so seien es zuletzt die stark gestiegenen Löhne, die die Hersteller belasten. "Preiserhöhungen konnten wir im Handel seit eineinhalb Jahren nicht durchbringen", heißt es in der Branche.
Und das in einem Markt, in dem der Fleischkonsum zurückgeht, meint auch Domschitz, nicht nur durch den Trend zu veganer und vegetarischer Ernährung. Auch der steigende Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund spiele da eine Rolle. "Schweinefleisch und damit Wurst ist für Muslime tabu."
