Germknödel bekommt man als Fertigprodukt auf fast jeder Skihütte, jetzt sollen sie aber frisch zubereitet werden. Weil, sie aus der Tiefkühlpackung zu nehmen, wäre keine Herausforderung. Rudi Obauers Warnung "Der Teig ist der Chef, nicht du" begleitet die in dieser Sache unerfahrene Redakteurin bei der Zubereitung.
Das Rezept stammt aus der Lehrzeit des Spitzenkochs, es ist eine Mitschrift aus seinem Heft aus dem Jahr 1976/77. Das war kurz bevor die Tiefkühl-Germknödel ihren Siegeszug angetreten sind. Die für 80 Stück angegebenen Zutaten werden heruntergerechnet. Am Ende sollen zwölf kleine Germknödel entstehen, wobei jeweils zwei eine Portion ausmachen. Dazu benötigt man: 20 g Germ, 1/8 Liter Milch, 500 g glattes Mehl, 100 g Butter, 20 g Zucker, 1 Ei, 1 Eidotter, Prise Salz, Orangenzesten und Powidl zum Füllen. Außerdem: gequetschten oder gemahlenen, mit Staubzucker vermischten Mohn. Das Wichtigste sei, sagt Rudi Obauer, dass man die Zeitangaben im Rezept nicht ernst nehme. Denn auch wenn dort stehe, dass der Teig eine Stunde gehen soll, gelte: "Der Teig tut, was er will." Und das könne dann auch am Wetter liegen. Sicher ist nur eines: Entscheidend für das Gelingen ist die richtige Temperatur. Schon eine zu kalte Küche oder eine, in der es - was Gott verhüten möge - zieht, kann alles ruinieren. Wenn es um das Auflösen des Germs geht, ist meist von lauwarmer Milch die Rede. "Aber was ist lauwarm?", fragt Rudi Obauer und verdeutlicht: "Wenn die Milch mehr als 32 Grad hat, dann geht es nicht mehr, dann ist der Germ hin. Besser ist es, du stellst die Milch aus dem Kühlschrank und verwendest sie, wenn sie Raumtemperatur hat. Und gib kein Salz zum Dampfl, sondern Zucker, weil der treibt den Teig an." Die Mitköchin hält sich an die Vorgaben, macht ein Dampfl und verarbeitet das dann mit den restlichen Zutaten zu einem eher festen Teig. Dann heißt es warten - und hoffen. Das Blättern im Arbeitsberichtsheft von Rudi Obauer hilft beim Zeitvertreib. Vier Tugenden werden da dem Kochlehrling bei seinem Dienstantritt abverlangt: Sauberkeit, Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Pflichtgefühl. "Gewohnheitsmäßige Unpünktlichkeit zieht unangenehme Folgen nach sich", steht dort in schöner Handschrift des jugendlichen Rudi Obauer. Und: "Gewissenhafte Durchführung aller Arbeiten schafft die Voraussetzung für das Vorwärtskommen im Beruf." Gewissenhaft gearbeitet dürfte auch die Redakteurin haben, denn der Germteig zeigt sich in Bestform. Wie werden aus der Kugel jetzt Knödel? Indem man den Teig in zwölf Kugeln teilt? Rudi Obauer lächelt angesichts solch grober Unkenntnis milde. "Nein, den Teig musst du messerrückendick ausrollen und dann in zwölf Vierecke schneiden." Auf die Vierecke kommt jeweils eine Portion Powidl. Weil den aber nicht jeder mag, stellt sich die Frage, ob man auch andere Füllungen wie Schokoaufstrich verwenden kann. "Da musst du aufpassen, weil die sind nicht so fest wie Powidl und weichen dir den Teig auf. Wenn, dann musst du das mit Bröseln oder geriebenen Nüssen mischen. Oder du machst saure Varianten und füllst die Knödel mit Grammeln oder einer Pilzfülle", sagt er. Es bleibt bei Powidl und einer zweiten süßen Variante. Die Ecken und Kanten der Teigstücke werden mit den Fingern zusammengepresst und die Knödel mit der Nahtstelle nach unten auf ein Backpapier gelegt, wo sie unter einem Baumwolltuch etwa eine halbe Stunde ruhen. Danach gart man sie zwölf Minuten über Dampf. In der Zwischenzeit lässt sich - je nach Wunsch - eine Vanillesauce zubereiten oder die Butter zum Übergießen der Knödel schmelzen. "Gratuliere", sagt Rudi Obauer beim Anblick des mit Mohn und Zucker angerichteten Knödels. Nach dem Anstechen folgt ein "Du bist a Wucht!". Die Knödel sind es auch.