"Zentrale! Wir geben Ihnen bekannt, dass über Pfingsten in der Gastwirtschaft Sternbräu an Bier ausgeschenkt wurde: Garten und Gasträume, exklusive Volksgarten: Samstag: 25 Hektoliter, Sonntag: 36 Hektoliter, Montag: 32 Hektoliter. Im Volksgarten, der sich infolge der grossen Hitze erst in den späten Nachmittagsstunden füllen konnte, wurden an allen drei Tagen insgesamt 35,5 Hektoliter ausgeschenkt." Mit diesem Schreiben wandte sich der Gasthof Sternbräu am 26. Mai 1931 an die Österreichische Brau AG.
Die Mengen an Bier, die an diesem Pfingstwochenende ausgeschenkt wurden - insgesamt 128,5 Hektoliter -, wären heute undenkbar. Zuletzt, im Jahr 2023, wurden an den drei Tagen zum Pfingstwochenende "nur" 29 Hektoliter Bier getrunken. 16,5 Hektoliter davon in den Gasträumen und im Gastgarten sowie 12,5 Hektoliter im SB-Stern-Biergarten, dem früheren "Volksgarten". "Unsere Gäste müssen damals ein Heer von Alkoholikern gewesen sein", sagt Sternbräu-Geschäftsführer Harald Kratzer. "An den drei Tagen wurde mehr als das Fünffache von heute konsumiert. Im Stern-Biergarten mit Selbstbedienung wurde ,nur' drei Mal so viel getrunken wie heute." Und das, obwohl die Sitzkapazitäten seither in etwa gleich geblieben sind.
Die Vielfalt der Getränke war begrenzt
Es drängt sich die Frage auf, ob das Bier damals so viel besser war - was von den Zuständigen selbstverständlich verneint wird. Naheliegender sind wohl andere Gründe. "Wein war noch nicht so populär wie heute und auch das Sortiment der alkoholfreien Getränke war noch nicht so umfangreich wie heute", schildert Harald Kratzer. Cola, Fanta oder Red Bull standen nicht auf der Karte. "Die Leuten hatten zwar nicht mehr Freizeit als heute, aber auch noch nicht so viele extreme Hobbys oder Sportmöglichkeiten. Und man war vermutlich geselliger damals."
Hitze und niedriger Motorisierungsgrad prägten die Trinkgewohnheiten
Ein anderer Grund war wohl die im Schreiben an die Zentrale erwähnte "große Hitze". Zu Pfingsten 1931 herrschte in Salzburg sonniges und vor allem am Pfingstsonntag und -montag heißes Sommerwetter, wie Meteorologe Josef Haslhofer von Geosphere Austria nach einem Blick in die historischen Wetterdaten berichtet. An den beiden Tagen wurden jeweils 30 Grad gemessen. Und: Damals war Alkohol am Steuer aus unterschiedlichen Gründen weniger ein Thema als heute. Zum einen war der Motorisierungsgrad der Bevölkerung sehr viel niedriger als heute. Die Zahlen der Landesstatistik zeigen: 1931 waren in der Stadt Salzburg 841 Kraftfahrzeuge angemeldet - bei einer Bevölkerungszahl von 37.856. Das entspricht 45 Einwohnern pro Fahrzeug. Heute (2023) kommen auf eines der 101.858 gemeldeten Kfz 1,55 Einwohner. Zum anderen war es erst ab 1955 möglich, Führerscheine infolge von durch Alkohol beeinträchtigte Fahrtüchtigkeit zu verlieren. Die 0,8-Promille-Grenze wurde gar erst 1961 eingeführt, die 0,5-Promille-Grenze gilt seit 1998.
Das Sternbräu war erst zwei Jahre vor dem nun aufgetauchten Schreiben zum Bierkonsum von der Brau AG übernommen worden. Damals wurde das Sternbräu komplett umgestaltet und nach dem Vorbild großer Münchner Brauereien eingerichtet. Bis heute nahezu unverändert geblieben ist die große Leuchtreklame in Form eines neonfarbenen Sterns auf dem Dach des Braugasthofes. Sie stammt aus dem Jahr 1926 und war damals - als eine der ersten Leuchtreklamen in Salzburg - ein Symbol für die neue Zeit. Zurück zum Bier: Das hauseigene Sternbier ist heute das beliebteste Bier in dem Traditionsgasthaus. Gebraut wird es im Hofbräu Kaltenhausen, ein eigenes Pfingstbier gibt es aber nicht.