Wenn Sie den Braten gerochen haben, dann hatten Sie eine richtige Vorahnung. Oder Sie haben den Trend erkannt. Denn wenn es heute eine unbestrittene Mode gibt, dann ist das der gemeine gemeinsam verzehrte Braten. Lange genug mussten wir uns mit divenhaften Tischbegleitungen herumschlagen, die in der Pizzeria eine "Pizza Siciliana" bestellt haben: "Aber bitte ohne Salami, dafür mit Avocados und statt der Sardellen Tofu-Würfel." Seit Essen im Überfluss vorhanden ist, wurde die Nahrungsaufnahme zu einer hochkomplizierten Angelegenheit, die am ehesten mit der Mondlandung zu vergleichen ist. Nach dem Motto: "Das ist ein kleiner Biss für die Menschheit - aber ein großes No-Go für mich." Der eine macht einen Bogen um Schweinefleisch, der andere verträgt keine Zwiebeln und der Dritte nimmt vor Koriander Reißaus. Und auch die philosophischen Weggefährten zitierten nicht mehr Voltaire, sondern verwiesen auf eigene Erfahrungen, indem sie lautstark hinausposaunten: "Toleranz fängt bei Laktose" an. Das hätte einem schon mächtig auf die Nüsse gehen können: Wenn dieser jemand keine Nussallergie gehabt hätte und nicht gerade in einer Grundsatzdiskussion über die Verträglichkeit von Kohlehydraten im Allgemeinen und einer Neudefinition des Body-Mass-Index im Speziellen verstrickt gewesen wäre.
Ein Teig aus Gletschersand?
Nun ist also das Zeitalter des gemeinsamen Bratens angebrochen. Und das ist gut so. Diese Erkenntnis ist von einer dermaßen enormen Bedeutung für unsere Gesellschaft, dass man in Kreuzrittermanier ausrufen möchte: "Gott will es." In der Hauben- und Sterneküche hat dieser Trend längst Einzug gehalten. Wenn Andreas Döllerer etwa seinen in Gourmetkreisen gefeierten "Gletscherschliff" serviert, dann stellt er genau genommen ein Bratl auf den Tisch. Ein vegetarisches Bratl sogar. Denn bei "Gletscherschliff" handelt es sich um Fenchel, der in einem Teig aus Gletschersand vom Großglockner gebacken wird. Dieser Sand ist Millionen Jahre alt. Seine Mineralität verhilft dem Gemüse zu einem Geschmackserlebnis, das kein Labor nachbauen kann. Der Vorteil des vegetarischen Bratens liegt auf der Hand. Nichts ist leichter, als einen solchen zuzubereiten. Und die pflanzlichen Zutaten sind nicht nur politisch korrekt - sie sind auch saubillig. Hier geben vor allem israelische Köche den Takt vor. Yotam Ottolenghi etwa betreibt in London gleich mehrere preisgekrönte Restaurants, in denen als Höhepunkt eine im Ganzen gebackene Sellerieknolle serviert wird. Das muss einem erst einmal einfallen. Oder Eyal Shani. Er betreibt in Tel Aviv, New York und Wien Restaurants. Sein gebackener Blumenkohl gilt heute als israelisches Nationalgericht und im Rest der Welt als letzter Schrei. Bei so viel Freude am Backen - immerhin steht ja auch Weihnachten vor der Tür - ist der Tsunami an Kochbüchern zu diesem Thema keine Überraschung.
Kochbuch zum Thema "Sonntagsbraten"
Eines ragt heraus. Es heißt "Richtig gute Sonntagsbraten". Verfasst wurde es von Eva Maria Lipp. In diesem Kochbuch finden Sie nicht nur eine lückenlose Sammlung von Braten, die man hierzulande gar nicht oft genug in das Backrohr schieben kann: Da spannt sich der Bogen vom Festtagsbraten über den Schweinebraten bis zum knusprigen Brathähnchen. Stufenweise nähert sich Lipp dann innovativen Braten wie dem Gerollten Schnitzelbraten mit Salbei, Lachsforellen-Spinat-Braten oder Glasierten Schweinebraten mit Thymian auf Salzbett.
Richtig kreativ geht es dann bei Rezepten wie ihrem Aprikosen-Mandel-Braten, bei dem Sie einen Schopfbraten mit Mandeln, Zwiebeln, Aprikosenkonfitüre, Senf, Zitronensalz und Weißwein zu einem kulinarischen Feuerwerk veredelt. Und ihre vegetarischen Versionen gereichen jedem israelischen Sternekoch zur Ehre: Lipp zeigt, wie man Kohlkopf mit Schimmelkäse und Birnen veredelt oder wie man aus buntem Gemüse ein gebratenes Kunstwerk macht.
Probieren Sie das aus. Und vergessen Sie den Zauberspruch nicht: Bratl, Bratl, werde zarter - denn es war ein Tag, ein harter.
Rezept
Gefüllter Kürbisbraten:
Zutaten: 1 Kürbis nach Wahl (ca. 1,2 kg), 300 g Kürbisfleisch (aus dem Kürbis ausgehöhlt), Kräutersalz, 100 g rote Zwiebeln, 100 g rote Paprika, 100 g grüne Paprika, 80 g Edamer, 10 g Petersilie, 2 Eier, 80 g Weizen- oder Dinkelgrieß, 250 ml Suppe zum Aufgießen, etwas Pflanzenöl zum Einfetten der Form.
1) Den Kürbis in der Mitte aushöhlen und die gesamten Kerne herausnehmen, wobei der Boden ganz bleiben muss. Dann noch 300 g Kürbisfleisch herausnehmen und fein schneiden.
2) Salzen und 10 Min. ziehen lassen.
3) Danach das Kürbisfleisch ausdrücken, welches durch das Salz Flüssigkeit lässt.
4) Die Zwiebeln schälen und fein schneiden. Die Paprikaschoten waschen, entkernen und ebenso fein schneiden. Käse reiben und Petersilie schneiden.
5) Gemüse, Käse und Petersilie gut vermengen und würzen.
6) Die Eier aufschlagen und mit dem Grieß unter das Gemüse rühren. 15 Min. ziehen lassen, damit der Grieß aufquellen kann.
7) Den Kürbis in die eingefettete Bratenreine stellen.
8) Mit dem Gemüse füllen und im Backofen bei 160 Grad Ober- und Unterhitze 60 Min. braten. Immer wieder mit Suppe aufgießen.
9) Nach Ende der Garzeit kurz im Backofen rasten lassen.
Aus: "Richtig gute Sonntagsbraten", von Eva Maria Lipp, Löwenzahn Vlg.