Die Kette schnurrt. Schön gleichmäßig. Mit einem Pinsel streicht ein Mann über die Kette. Fast zärtlich sieht das aus, jedenfalls vorsichtig und mit Akribie behandelt er den Radantrieb. Man sieht den Mann Kette, Kettenblätter, Umwerfer, Ritzel und Schaltung mit dem Pinsel reinigen. Das Gröbste ist da längst erledigt, wenn der Mann fein nacharbeitet, jedes Stäubchen verstaubt. Jedenfalls für die Technik auf dem Rad ist da das Gröbste erledigt. Mit dieser mehrminütigen Einstellung über die Feinarbeit einer Radsäuberung beginnt der Film "A Sunday in Hell". Erzählt wird in der legendären Dokumentation über das Rennen Paris-Roubaix, ein Monument des Straßenradrennfahrens, ein Rennen, bei dem wegen vieler holpriger Kopfsteinpflasterpassagen die Räder stark beansprucht sind. Die schmalen Maschinen müssen etwas aushalten, lange durchhalten. Ohne Pflege kommt keiner weit in diesem Rennen. Und im Rennen muss alles geschmeidig laufen.
Einfach eine saubere Bewegung
Das Fahrrad als Körper, der Pflege braucht: Bernhard Neubauer baut Räder und weiß auch, wie man sich ideal um sie kümmert, damit sie reibungslos und lange laufen.


"Geschmeidig" ist ein Wort, das Bernhard Neubauer öfter verwendet. Bei ihm aber reicht zunächst ein Tuch, um sich der Geschmeidigkeit zu nähern. "Pflegen gegen die Qual", sagt der 39-Jährige und lächelt und nimmt einen Fetzen vom Tisch in seiner sauber aufgeräumten Werkstatt und wischt vorsichtig über die Kette eines Rennrads. Der gebürtige Steirer baut seit drei Jahren auch eigene Radrahmen in seiner Werkstatt in Mayrwies bei Salzburg.
In der HTL für Maschinenbau kam ihm dann die Idee, selber Rahmen zu bauen. Beschäftigt haben ihn Räder seit der Kindheit, auch weil ihm bald klar war, "wie ich mit dem Rad nur mit meiner eigenen Kraft den Bewegungsradius enorm ausweiten kann". Dazu sollte das Rad auch leicht laufen. Und ein sauberes Rad tut das. Es erleichtert die Bewegung. "Im Lauf der Jahre war mit der Begeisterung für das sportliche Radfahren auch ein wachsendes Bewusstsein für den Körper entstanden", erzählt er beim Radputzen. Neubauer begann sich mit Ernährungswissenschaft zu beschäftigen. Er wurde Masseur, betreibt Qigong, befasst sich intensiv mit chinesischer Medizin, mit den inneren Verbindungen und Wechselwirkungen des menschlichen Körpers. Das habe auch "neue Blickwinkel" für das Radfahren eröffnet. Bei der Radpflege fließt dann vieles von Neubauers Wissen zusammen. Das Rad ist ja auch ein Körper, ein schmaler, filigraner.

Es gibt zwar im Radkörper keine Organe, aber es gibt wie im menschlichen Körper die beweglichen Teile, die uns in Schwung halten - und es gibt den stabilen Rahmen, der auch pfleglich behandelt werden will. "Manchmal geht es da bei der Abstimmung und Einstellung um Feinheiten, damit alles rundläuft", sagt Neubauer - und er spricht über das Fahrrad, drückt die Schaltung, bewegt die Pedale und kontrolliert dabei, ob sich der Umwerfer sanft und halbwegs geräuschlos bewegt.
"Dem Körper muss man erlauben, etwas zu spüren", sagt Neubauer. Und wie beim Körper lässt sich bei einem funktionstüchtigen Rad mit wenigen, aber regelmäßig erledigten Maßnahmen die Leistungsfähigkeit verbessern und die Lebensdauer verlängern. Grobe Reinigung (wenn sie zunächst mit Wasser erfolgt: danach gut abtrocknen), Feinarbeit und schließlich pflegende Maßnahmen wie Ölen und Schmieren der beweglichen Teile.
Beim Radputzen müsse keiner Angst haben, etwas falsch zu machen. "Versuch und Irrtum" hätten auch ihn weitergebracht. "Mechanik ist keine Raketenwissenschaft", sagt er. Es gehe aber "trotzdem um Feinheiten". Es geht stets um Einfachheit und Natürlichkeit. Darin liege für ihn auch "die prinzipielle Lust am Radfahren". "Aufsteigen, losfahren - so muss das gehen", sagt Neubauer über das Radfahren, dem "regelmäßige Pflege, aber wenig Kümmern vorausgehen soll". Dass man sich neuerdings bei E-Bikes auch darum kümmern muss, dass da ein Akku geladen ist oder dass die Schaltung genug Strom hat, widerspreche seiner Idee. Daher sind die Räder, die Neubauer selber baut, auch Klassiker. Räder aus Stahl oder Titan sind es.

Mittels "dynamischen Bikefittings" werden sie angepasst auf Größe und Anforderung der künftigen Besitzer. Ein Spiel zwischen Gefühl und Wissen ist das dann, bei dem "die Sensorik des Körpers stets das beste Messinstrument ist", aber dennoch gilt: "Es bleibt nicht immer das Gefühl ausschlaggebend, manches lässt sich auch ausrechnen." Dabei entsteht jedes Mal ein Unikat - mit Komponenten, die man mit ein bisschen Ahnung leicht selber warten kann.
Taranis hat Neubauer seine Firma genannt. Die Lektüre von Neil Gaimans Roman "American Gods" hatte ihn darauf gebracht. Es geht darin um Götter einer alten Welt gegen die Götter der neuen Welt. "Da dachte ich mir, das Rad war für die Menschen damals sicher eine solche Errungenschaft wie das Feuer." Und er fand einen keltischen Gott des Speichenrads und des Donners, der Taranis genannt wurde. "Mein Firmenname und die Radmarke sind eine Huldigung an Taranis und unsere indigene Kultur der Kelten", sagt er.
Mag sein, dass ein Fahrrad eine einfache und einfach zu pflegende und einfach zu bedienende Sache ist, wenn es glänzend dasteht. Aber mit dem ersten Tritt in die Pedale beginnt sich eben doch immer auch eine größere Geschichte zu drehen. Und wer putzt, für den dauert diese Geschichte länger als für jene, die den Dreck immer mitschleppen.

Simpel sauber machen
Grundreinigung. Hartnäckige Verschmutzungen zunächst mit Fahrradreiniger einweichen oder auch das Rad vorsichtig mit Schlauch oder noch vorsichtiger mit Hochdruckreiniger abspritzen, um ganz groben Dreck vor der Feinreinigung zu beseitigen. Danach alle Teile des Fahrrads gründlich mit einem Tuch abtrocknen.
Feinreinigung Antrieb. Ein sauberer, gut geschmierter Fahrradantrieb erleichtert das Fahren und verlängert auch die Lebenszeit des Fahrrads. Zum Antrieb gehören: Fahrradkette, Fahrradkassette, Kettenblätter und Schaltung. Beim Ölen dieser Teile sparsam sein. Ertränken Sie die Fahrradkette nicht. Kleine Mengen mit speziellem Kettenöl erzielen auch die gewünschte Wirkung. Überschüssiges Öl zieht Dreck und Staub schneller an. Am besten lässt sich die Ketten reinigen, indem man sie mit einem Tuch umschließt und die Kurbel nach hinten dreht.
Pflege der Bremsen. Leichtgängiges Bremsen und Schalten wird ermöglicht durch Auftragen von Öl - auch auf die Bremsgelenke und die Brems- und Schaltzüge. Dafür werden die Züge entspannt oder ausgehängt. Anschließend die Bremsgelenke und Seilzüge abwischen.
Rahmen. Spezielle Öle lassen den Fahrradrahmen glänzen und schützen auch vor Rost.