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Leichen im Keller der Universität: Warum zwölf Salzburger Professoren im Sitzen bestattet wurden

Unter der Hauskapelle der Uni Salzburg sitzen Professoren bis in die Ewigkeit. Im 17. Jahrhundert war das eine gefragte Form der Bestattung.

Die Kolumbariengruft.
Die Kolumbariengruft.

Wenn man in größeren Städten Kirchen betritt, haben sie fast alle eines gemeinsam: Der Straßenlärm, der als ein ständiges Hintergrundrauschen vorhanden war, verstummt. Die dicken Mauern der Sakralgebäude scheinen jedes Geräusch abzuschirmen, während Besucher kurzzeitig in die Vergangenheit geschickt werden.

Nicht anders ist das beim Betreten des Sacellum der Universität Salzburg. Das Dröhnen der Autos, die sich durch das Neutor und weiter durch die Altstadt schieben, scheint plötzlich nicht mehr vorhanden. Im Unterschied zu den meisten Kirchen und Kapellen in Salzburg ist die Hauskapelle der Universität von außen nicht so leicht zu erkennen und nur zu bestimmten Anlässen zu besichtigen. Weiß man jedoch, wonach man sucht, fällt das kleine Türmchen auf dem Dach des Gebäudes auf, in dem auch die Hauptbibliothek untergebracht ist.

Der Eingang zum Sacellum.
Der Eingang zum Sacellum.
Das Sacellum von innen.
Das Sacellum von innen.

Das, was diese Kapelle jedoch zu etwas Besonderem im europäischen Raum macht, sind nicht nur die kunsthistorischen Schätze, die sich darin befinden. Vielmehr ist es das, was sich unter dem Fußboden der Kapelle befindet, weiß Christoph Brandhuber, der Leiter des Universitätsarchivs. "Am Ende des Sakralraums des Sacellum befindet sich ein steinerner Deckel." Ein Kran ist nötig, um diesen zu heben. Unter dem Deckel befindet sich ein 50 Zentimeter breiter Schacht. Nur über eine Leiter gelangt man hinab. Unten angekommen, erstreckt sich ein Gang mit Kammern zu beiden Seiten. Dahinter sind die Gräber von zwölf ehemaligen Professoren der Universität. Ab 1644 wurden sie dort auf gemauerten Bänken im Sitzen bestattet - ihre Körper von Holzpflöcken gestützt. Betritt man die Gruft, riecht es modrig und feucht, berichtet der Universitätsarchivar. Er erforschte 2013 als Teil eines Teams die Sitzgruft unter dem Sacellum. Das erste und einzige Mal, dass diese für wissenschaftliche Zwecke geöffnet wurde.

Mithilfe von Kamerasonden konnten die Wissenschafter in das Innere der Grabkammern blicken.
Mithilfe von Kamerasonden konnten die Wissenschafter in das Innere der Grabkammern blicken.

Besonders die Inschriften vor den Grabkammern interessieren den Historiker. Auch wenn diese über die Jahrhunderte stark verwitterten, gelang es Brandhuber fast alle zu entziffern. "Die Namen konnten wir alle dokumentieren, die Inschriften darunter etwa zu 90 Prozent." Erst zu diesem Zeitpunkt konnten die Wissenschafter erstmals festhalten, dass sich unter der Universität tatsächlich eine Sitzgruft befindet - zuvor gab es zwar Vermutungen, jedoch keine wissenschaftliche Dokumentation. Für geistliche und weltliche Professoren war es eine Ehre, einen Sitzplatz in der Gruft zu erhalten. Ein Mann, dem diese zuteilwurde, war Pater Otto Aicher. Nachdem Brandhuber dessen Namen vor einer Grabkammer entziffern konnte, versuchte er dessen Leben zu rekonstruieren. "Die Recherche nach den Biografien der bestatteten Professoren war wie eine detektivische Spurensuche." So fand der Historiker heraus, dass Aicher vermutlich ein uneheliches Kind gewesen sein musste. Der spätere Pater besuchte in Salzburg das Gymnasium. "Ihn zeichnete zum Beispiel sein Talent fürs Theater aus." Ein anderer Mann, der an der Universität unterrichtete und nun unter dem Sacellum bis in die Ewigkeit sitzt, ist Wolfgang Braumiller. "Er war ein hochgelobter Schauspielstar und trat 1632 in einem Theaterstück mit dem Namen ,Anastasius' auf. Und das ist wiederum der ,Jedermann'-Stoff." Braumiller sei demnach der erste namentlich bekannte Salzburger Jedermann gewesen, sagt Brandhuber. Die letzte Beisetzung in der Gruft erfolgte 1722. Danach wich man auf die geräumigere Kolumbariengruft unter der Universitätskirche aus.

Anna Franz von der Hochschulseelsorge.
Anna Franz von der Hochschulseelsorge.

Die Sitzgruft unter dem Sacellum ist seit ihrer wissenschaftlichen Untersuchung geschlossen. Die Katholische Hochschulgemeinde nutzt aber die Kapelle darüber auch heute noch für Gottesdienste - und in Zukunft sollen noch weitere Veranstaltungen dort stattfinden. Anna Franz von der Hochschulseelsorge hat dafür bereits Pläne. "Gerade können wir durch Corona nichts organisieren. Doch das wird sich hoffentlich ändern."

Schattenorte: Der Podcast über die dunkle Geschichte Salzburgs

Im Podcast "Schattenorte" beleuchten die SN-Redakteurinnen Anna Boschner und Simona Pinwinkler die dunkle Geschichte in Stadt und Land Salzburg.

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