Vom 12. Jahrhundert bis zur Demolierung unter Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau befand sich an der Kaigasse zwischen Kapitelgasse und Neugebäude das Spital des Domkapitels mit der St.-Johannes-Kirche und mehreren zugehörigen Häusern. Das domkapitlische Eckhaus (Kaigasse 10/Kapitelgasse 11) war im 16. Jahrhundert an einen Goldschmied vermietet.
Neuanfang in der Gegenreformation
Dieses baufällige "Goldschmiedhaus" wurde vom Salzburger Domherrn Marquard von Freyberg angekauft, neu errichtet und 1621 der Allerseelenbruderschaft gewidmet. Diese ursprünglich am Dom beheimatete Bruderschaft, nach der Farbe ihrer Gewänder auch "Schwarze Bruderschaft" genannt, war zwei Jahre zuvor von Erzbischof Markus Sittikus erneuert worden. In der Zeit der Gegenreformation erlebte das seit dem Mittelalter bestehende Bruderschaftswesen als Bestandteil der katholischen Volksfrömmigkeit einen neuen Aufschwung.
Die wechselvolle Geschichte der Allerseelenkirche und Franz Segls Atelier
Marquard von Freyberg starb im Jahr 1625. Sein Haus wurde daraufhin in eine Kirche umgebaut und drei Jahre später feierlich eingeweiht. Die Allerseelen- oder Schwarze Bruderschaftskirche zum hl. Christoph und St. Barbara wurde 1801 aufgehoben, 1805 versteigert und in zwei Gebäude getrennt. Der vordere Teil mit dem alten Eingang wurde in Stockwerkseigentum aufgeteilt. Im dritten Stock des Hauses eröffnete Franz Segl, einer der bedeutendsten frühen Salzburger Fotografen, im Jahr 1857 sein erstes mit Glas gedecktes Atelier.
Zerstörung und Wiederaufbau: Das Schicksal von Kaigasse 10 und das Kaiviertel im Zweiten Weltkrieg
Das Haus Kaigasse 10 wurde am 16. Oktober 1944 durch amerikanische Fliegerbomben zerstört, das Besitzerehepaar Holzinger und eine im Haus lebende Hebamme kamen dabei ums Leben. Das Kaiviertel wurde bei diesem ersten von insgesamt 15 Bombenangriffen der US-Army Air Force auf die Stadt Salzburg besonders stark getroffen. Am Kajetanerplatz, an der Kaigasse, der Nonnbergstiege, der Krotachgasse, der Pfeifergasse und der Sebastian-Stief-Gasse sowie am Rudolfskai wurden viele Häuser zerstört oder erheblich beschädigt. Auch die Domkuppel erhielt einen Volltreffer und stürzte ein. Insgesamt starben in der Stadt beim ersten Luftangriff 245 Menschen, 72 davon im Kaiviertel. Der Wiederaufbau in diesem Stadtviertel zog sich bis in die 1950er-Jahre hin. Das Haus Kaigasse 10 wurde 1949 durch die nunmehrige Eigentümerfamilie Holzermayr, die auch die bekannte Zuckerwarenhandlung am Alten Markt führte, als Geschäfts- und Wohnhaus wieder aufgebaut. Im Zuge der Bauarbeiten wurden römische Grundmauern freigelegt und archäologische Funde geborgen.
In unmittelbarer Nähe, im Gebäude Kaigasse 4, war die zweite im Kaiviertel angesiedelte Bruderschaft beheimatet, die 1613 von Erzbischof Markus Sittikus errichtete "Corpus Christi Bruderschaft", nach ihren Kutten auch "Rote Bruderschaft" genannt. Für sie ließ der Stifter die 1619 eingeweihte St.-Salvator- oder Rote Bruderschaftskirche errichten, die ebenfalls im Jahr 1801 aufgehoben wurde. Das zugehörige Mesnerhaus (Kaigasse 6) wurde 1805 versteigert, das ehemalige Kirchengebäude 1810 verkauft und zu einem Privathaus umgebaut.