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Echter Gesundheitsjoker: Die eigene Atmung nutzen

Im Unterschied zu anderen Körperfunktionen kann der Mensch sein Ein- und Ausatmen direkt beeinflussen und damit Wohlbefinden und Leistungsvermögen verbessern.

Der Atem- und Physiotherapeut Robert Kriz bei Atemübungen mit seiner Patientin.
Der Atem- und Physiotherapeut Robert Kriz bei Atemübungen mit seiner Patientin.

Rund 20.000 Mal am Tag atmet ein Mensch durchschnittlich ein und aus, Babys und Kinder machen mehr Atemzüge, Erwachsene weniger. So weit der statistische Befund. "Doch Atmen ist viel mehr als die bloße Abfolge von Sauerstoff rein und Kohlendioxid raus", erklärt Robert Kriz im SN-Gespräch: "Als eine der wichtigsten Vitalfunktionen erfüllt das Atmen mehrere Aufgaben." Das Herz würde beispielsweise ohne die Druckunterschiede im Gefolge der Atmung viel schwerer arbeiten müssen, beschreibt der Physiotherapeut mit Schwerpunkt Atemtherapie eine weniger geläufige Aufgabe der Atmung. Mit der Pumpfunktion für Körperflüssigkeiten unterstützt die Atmung neben dem Herzen zudem die Lymphe und den venösen Bereich. Auch die Körperchemie werde von der Atmung beeinflusst: Der Kohlendioxidtransport reguliert den Säure-Basen-Haushalt im Körper und saure Stoffwechselprodukte werden abgeatmet.

"Die Atmung ist der Joker im System", beschreibt Kriz die Einsatzvielfalt der Atmung und fügt noch eine Besonderheit dieses Jokers hinzu: Obwohl auch die Atmung ein automatischer Prozess ist, kann sie der Mensch - im Gegensatz zu Herzschlag, Hormon- oder Immunsystem - direkt beeinflussen. "Im Grunde brauche ich nur so zu schnaufen", sagt Kriz, "dass es die Bedingungen ergibt, die ich haben will."

Einfacher gesagt als geatmet. Das weiß Kriz, der mit Kollegen im Wiener Atemtherapie-Institut Breathworld Lösungen für Atemprobleme anbietet, aus seiner Arbeit nur zu gut. "Atme ich ständig so, als ob ich erregt wäre, brauche ich mich nicht zu wundern, wenn ich nervös werde. Erst mit ruhiger Atmung, werde ich auch insgesamt ruhiger", nennt er ein grundlegendes Beispiel für den Zusammenhang zwischen Atmung und Gemütszustand. Dabei ist die Atmung nicht isoliert, sondern in ständiger Wechselwirkung mit dem Körper. So wichtig der knöcherne Brustkorb als Schutzpanzer für die Lunge ist, so stellt er gleichzeitig auch eine Begrenzung dar. Werden der Brustkorb und die dazugehörige Muskulatur aufgrund von zu wenig Bewegung, stereotyper Arbeitshaltung und zunehmendem Alter steif, zeigt das auch negative Folgen für die Atmung: "Die Lunge kann sich dann weniger ausdehnen, der Atem wird flacher, die Atemarbeit anstrengender", sagt Kriz: "Wobei ich mit dem Begriff Atemarbeit nicht zufrieden bin, denn Atmen soll keine Arbeit sein. Wenn Atmung zur Arbeit wird, ist was faul, dann stimmt was nicht im System."

"Atmen soll keine Arbeit sein. Wenn Atmung zur Arbeit wird, ist was faul."
Robert Kriz
Atemtherapeut

Der Fehler liegt laut Kriz, "das ist die gute Nachricht", häufig an der Art, wie geatmet wird, und seltener an einer Lungenerkrankung. Als Kriterium, ab wann ärztlicher Rat gesucht werden soll, gilt für ihn: wenn einer oder einem beim Stiegensteigen die Luft ausgeht. Beim Sport wiederum sollten immer zuerst die Muskeln müde werden: "Die Atmung ist so autark, die muss unbegrenzt funktionieren." Gefragt nach dem Unterschied zwischen Mund- und Nasenatmung, antwortet Kriz, dass sich je nach Atemfluss auch Körperspannung und Antrieb ändern: "Will ich schnell viel Energie leisten, ist Mundatmung notwendig, aber für den Allgemeinbetrieb ist dieser Hochleistungsmotor nicht günstig. Die Nasenatmung bietet zudem einen guten Filter, die Luft wird gereinigt, befeuchtet und angewärmt, was gut für die Lunge ist." Beim Sport die Aufmerksamkeit vor allem auf das Ausatmen zu legen ist für den Atmungsexperten nicht richtig: "Natürlich brauche ich eine gute Ausatmung, um wieder einatmen zu können. Atme ich die Luft nicht gut aus, ist die Flasche quasi voll, dann geht auch nichts mehr rein." Aber vom Ausatmen allein sei noch niemand besser geworden: "Dazu muss ich Luft, sprich Sauerstoff als Brennstoff und Energie, gut aufnehmen. Insofern ist es wichtig, gescheit auszuatmen, aber noch wichtiger ist es, gescheit einzuatmen."