Eine Revolution im Wohnbau fordert die deutsche Raumplanerin Sarah Dungs ein. "Es braucht eine radikale Fokussierung auf den Bestand", sagt sie beim Brachflächengipfel am Dienstag in Salzburg. Es seien nämlich die bereits bestehenden Objekte, denen die Zukunft gehöre - nicht dem Neubau. "Wir versiegeln zu viele Flächen und schaffen die Reduktion des CO₂-Ausstoßes nicht, die notwendig ist, um das Klima zu schützen."
Häuser weiter nutzen und Bestand attraktivieren
Der höchste Emissionsausstoß entstehe am Beginn - bei der Gebäudeerrichtung, sagt Dungs und vergleicht den Wohnbau mit einem Schneckenhaus. "Nacktschnecken gibt es bei Immobilien nicht." Nun gelte es das Schneckenhaus weiter zu nutzen und den Bestand zu attraktivieren. "Zwischen 800 und 1000 Kilogramm beträgt der CO₂-Ausstoß im Neubaubereich - pro Quadratmeter", sagt die Raumplanerin und Vorständin des deutschen Verbands für Bauen im Bestand. Saniere man die bestehenden Objekte, "liegen wir bei 100 bis 200 Kilogramm CO₂-Ausstoß pro Quadratmeter".
"Wohlstand zugunsten des Klimaschutzes zurückzuschrauben"
Dungs bezeichnet sich nicht als Gegnerin des Neubaus. "Wir müssen nur endlich darüber nachdenken, wann wir abreißen und wann nicht." Geht es nach der Raumplanerin, müsse der Abriss die letzte Option darstellen.
Das Argument, dass der Neubaubereich jedoch im Betrieb viel weniger CO₂-Ausstoß verursacht, lässt Dungs nicht gelten. Das stehe in keiner Relation zum Ausstoß, der bei der Errichtung entstehe. Zudem sei es durch Sanierung möglich, dass der Bestand im Betrieb immer besser werde. Festzuhalten sei, so Dungs, aber, dass "die Denkweise des Neubaus im Bestand nicht funktioniert". Bewohnerinnen und Bewohner müssten bereit sein, beim Wohlstand zugunsten des Klimaschutzes zurückzuschrauben. Damit bezieht sie sich auf die Nutzung von Klimaanlagen und beispielsweise Ansprüche beim Schallschutz. "Es geht nicht um sicherheits- oder gesundheitsrelevante Abstriche."
Euro pro Quadratmeter dürfe nicht mehr im Vordergrund stehen
Bleibt die Frage offen, wie Dungs die Transformation schaffen möchte. "Es bringt nichts, immer auf die Politik zu zeigen." Natürlich seien Förderungen und Erleichterungen beispielsweise im Denkmalschutz ein Ansatz. Es dürfe nicht mehr der "Euro pro Quadratmeter im Vordergrund stehen", der für Investoren im Neubaubereich relevant sei. "Es geht darum, durch die Attraktivierung von bestehendem Wohnraum ein Erlebnis pro Quadratmeter für Bewohnerinnen und Bewohner zu schaffen."
In der Stadt auf guten Willen der Bauträger angewiesen
Roland Wernik, Geschäftsführer von Salzburg Wohnbau, spricht von der Notwendigkeit von Vorzeigeprojekten in Salzburg, "die zeigen, was der Bestand kann".
Planungsstadträtin Anna Schiester (Bürgerliste) sagt dazu: "Wir sind in der Stadt vielfach auf den guten Willen der Bauträger angewiesen." Vor allem der Gestaltungsbeirat trage aber dazu bei, dass Bauherren auf Basis von Architektenplänen in den Bestand investieren. Zudem betont Schiester, dass die Bauordnung auf den Neubau ausgerichtet sei. "Hier braucht es eine Umbauordnung."
Kay-Michael Dankl, Vizebürgermeister (KPÖ plus) fürs Wohnen, sieht vor allem in der Altstadt viel Potenzial für die Wohnraumschaffung in Bestandsobjekten. Dieses müsse im Räumlichen Entwicklungskonzept aufgezeigt werden.