Clemens Maria Hutter

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Clemens Maria Hutter am 21. Juli 2021 am Prebersee.
MMag. Gerald Klonner, Verlagsleiter Verlag Anton Pustet (links) und Clemens M. Hutter anlässlich seiner Buchprästentation Verewigt in Salzburg am 27. Mai 2010 in der DomBuchhandlung.

Dr. phil. Clemens Maria Hutter (* 8. August 1930 in Innsbruck, Tirol; † 31. Jänner 2022 in der Stadt Salzburg) war Journalist, Buchautor und René-Marcic-Preisträger.

Leben

Hutter studierte Philosophie, Politologie und Volkskunde in Innsbruck, Wien und in den USA. Bereits ab 1. Juni 1957 arbeitete er vorübergehend für die Salzburger Nachrichten. Danach zog es ihn aber in die Vereinigten Staaten und nach Lateinamerika. Nach seiner Rückkehr nach Salzburg 1961 wechselte er in die außenpolitische Redaktion der Salzburger Nachrichten, die er von 1969 bis 1995 leitete. Zuletzt war er auch als stellvertretender Chefredakteur tätig.

Seine Markenzeichen waren stets eine klare Linie und brillante Formulierkunst. Zugleich engagierte sich der passionierte Bergsteiger, Skiläufer und Ausdauersportler für Natur- und Umweltschutz und schrieb eine Reihe politischer und landeskundlicher Bücher. Hutters Arbeit als Buchautor ist mit dem Ausscheiden aus den SN noch intensiver geworden. Insgesamt rund 50 Bücher zu so unterschiedlichen Themen wie Totalitarismus, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Wandern und Alpinistik, darunter zehn Bildbände, sind erschienen. Besonders große Erfolge feierte er mit seinen Sportbüchern ("Wedeln") und seinem publizistischen Engagement für den Nationalpark Hohe Tauern.

Preise

1982 René-Marcic-Preis als Leiter des außenpolitischen Ressorts der Salzburger Nachrichten mit dem René-Marcic-Preis des Landes Salzburg ausgezeichnet.

1989 Konrad Lorenz Preis gemeinsam mit Peter Hasslacher, Peter Nindl, Organisatoren und Referenten des Symposiums "Transitland Österreich am Beispiel Pyhrn-Autobahn

Lebensgeschichte

Text von Clemens M. Hutter, zitiert aus

"Das war unser Zeit in der Stadt Salzburg...

"Bleib gesund und neugierig!"

Meine Eltern sind kurz nach meiner Geburt mit mir nach Salzburg übersiedelt.

Sie zogen in ein Haus der Brunnhausgasse. Mein Vater arbeitete für die Salzburger Landesregierung. Mir ist in Erinnerung, dass er nach dem Krieg unter anderem die fehlerhaften Verträge für die agrarischen Kleinseilbahnen, die während der Nazizeit abgeschlossen worden waren, zu erneuern hatte.

Meine Kindheit verlief - entsprechend den turbulenten Zeiten - spannend. Ich habe selten anderen Kindern etwas geneidet, obwohl ich - und ebenso die anderen - damals bei weitem nicht das bekommen haben, was wir uns gewünscht hätten. Der Horizont unserer Wünsche war ohnehin sehr bescheiden, weil wir nicht viel kannten. Einen Roller zu haben, war schon etwas Besonderes. Dabei war ich auch mit einem zufrieden, der keine aufblasbaren Reifen hatte. Die Brunnhausgasse war damals noch geschottert. Das heißt, es ging mit oder ohne Lufträder schlecht mit dem Roller zu fahren.

Politik hat mich als Kind nicht interessiert. Trotzdem habe ich die Ermordung von Engelbert Dollfuß mitbekommen. Ich war zwar erst vier Jahre alt und hatte von ihm schon gehört, der für mich gleich nach dem lieben Gott einzuordnen war. Mein Vater kam eines Tages nach Hause und berichtete, dass Dollfuss ermordet worden sei. Unter Mord habe ich mir etwas sehr Scheußliches vorgestellt. Ich kannte den Begriff bisher nur aus der Bibel. Der Moment der Erschütterung war bei mir aber sehr kurz. Damals ist für mich auch der Begriff "Nazi" aufgetaucht. Ich erhielt den Eindruck, dass die Nazis all das bekämpfen, was für uns wichtig war, insbesondere unseren Glauben. Die wenig zimperlichen Praktiken der Heimwehr waren mir nicht bekannt. 1933 hatten wir in Österreich eine Arbeitslosenrate von 26% Außerdem waren weniger als 10% Frauen - abgesehen von Bäuerinnen - in den beruflichen Arbeitsprozess integriert. Bis 1938 hat sich das nur wenig gebessert. Das heißt, wenn der Familienvater die Arbeit verloren hatte, hing die gesamte Familie in der Luft. So kann ich mich noch an viele Bettler erinnern, die unter unseren Fenstern vorbeizogen. Viele von ihnen hatten ein Musikinstrument dabei, auf dem sie einfache Lieder spielten. Wenn diese auf der Straße zu hören waren, gingen Fenster auf, und oft wurde ein in Papier gewickeltes Zehngroschenstück hinausgeworfen. Die Geigenspieler fiedelten mit Vorliebe das Lied "Mei Muata war a Weanerin".

1936 trat ich in die Volksschule Nonntal ein. Von der Brunnhausgasse zur Volksschule ging es immer leicht bergab, was bedeutete, dass der Rückweg stetig bergauf führte. Das war insbesondere zur Zeit der Mittagshitze mühsam. Meine Familie war streng katholisch. Ich wurde schon mit sieben Jahren Ministrant und habe jeden Tag um halb sieben in der Früh in Nonntal ministriert. Ich bekam immer ein Frühstück mit, das ich im Pfarrhof zu mir nahm. Von dort ging es direkt in die Schule. Diese Gewohnheit behielt ich bis zur Matura bei. Während der Nazizeit war das für mich eine Form des Exhibitionismus:"Ich trau mir des, ich tue des!" Ich hatte in der Volksschule in Lesen und Schreiben immer schlechte Noten. Ständig sagte man mir:,,Du musst mehr üben! Du musst fleißiger sein!" Damals kannte man Legasthenie nicht, unter der ich auch heute teilweise noch leide. So bestand der Alltag für mich darin, meine Aufgaben zu machen und möglichst viel Zeit zum Spielen zu haben. Ich lebte in einer Gegend mit sehr vielen Kindern, und in unseren diversen Gruppen ging es immer hoch her.

Ich erinnere mich lebhaft an den 12. oder 13. März, wie deutsche Truppen durch unsere Gasse marschierten. Ich war verblüfft, dass fast alle Fenster in der ganzen Gasse mit der Hakenkreuzfahne geschmückt waren. Umgekehrt gab es 1945 kaum ein Fenster ohne weiße Fahne. Wir wohnten im höchst gelegenen Haus an der Brunnhausgasse, dem sogenannten "Beamtenhaus". Dort zweigte die Privatstraße zur Villa Warsberg ab, die sogleich als Residenz für den Gauleiter beschlagnahmt wurde. Mein Vater wurde wegen seiner Gesinnung nach Erfurt strafversetzt. Meine Eltern waren sich einig, dass die Familie nicht mit übersiedeln sollte. Das war, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, ein wahres Glück. Denn sonst wäre ich in der DDR aufgewachsen. Eineinhalb Jahre später begann der Krieg, und Vater musste einrücken.

Nach dem Beginn der Luftangriffe auf Salzburg im Oktober 1944 standen im Keller immer zwei Koffer mit dem Nötigsten gepackt. Bei Fliegeralarm luden wir diese Koffer auf ein kleines Leiterwagerl und hasteten auf der Privatstraße hinauf zum Warsberg. Der Gauleiter hatte nämlich hinter der Villa einen Luftschutzstollen unter die Richterhöhe graben lassen und dort durften die Leute aus der nächsten Umgebung auch Schutz suchen. Weil ich mit vierzehn Jahren der älteste Bub war, wurde ich zum "Melder" ernannt. Sonst gab es nur mehr Männer über sechzig. Ich erhielt eine blaue Armbinde mit einem weißen "M". Meine Aufgabe war es, nach einem Bombenangriff zu schauen, was passiert ist und - für den Fall, dass es keine technische Verbindung gab - entsprechende Nachrichten zu überbringen. Einmal hieß es, in der Altstadt habe es viele Bombentreffer gegeben. Ich bin über das "Bürgermeisterloch" und das "Schartentor" zur Mittelstation der Festungsbahn gehastet, und da sah ich, dass die Domkuppel weg war. Ich war entsetzt, dass man eine Kirche bombardiert hatte. Damals wusste ich nicht, dass sich daneben die Telegrafenzentrale befand, die wahrscheinlich getroffen werden sollte. Auf unserer Seite des Mönchsbergs sind wir glimpflich davongekommen. Es gab nur ein paar Krater in den Wiesen und einen Treffer im Weiher der Villa Bertha. Davon profitierten wir insofern, weil das Wasser beim Schwimmen nun tiefer geworden war und wir kaum mehr von Schlingpflanzen behindert wurden.

Der Gauleiter ließ sich bei Fliegeralarm immer aus der Stadt herausfahren, weil er hier auch seine Kommandozentrale hatte. Er grüßte alle Leute mit "Heil Hitler" und wurde ebenso zurückgegrüßt. Mit einer Ausnahme: Meine Mutter erwiderte seinen Gruß geradezu provokant mit "Grüß Gott" Bei einem der letzten Bombenangriffe war sie fast erheitert und erzählte mir, dass sie wieder gegrüßt hätte:,,Grüß. Gott, Herr Gauleiter! Daraufhin habe er auch zurückgegrüßt:,,Grüß. Gott!"·

Die gefährlichsten Leute im dritten Reich waren nicht die von der Gestapo, sondern die Blockwarte in den Städten. Am Land funktionierte dieses Bespitzelungssystem nicht. Die Blockwarte hatten ihre Augen und Ohren überall. Was ich aus dieser Zeit mitgenommen habe, war:,,Mund halten! Mund halten! Mund halten!" Denn das Spitzelsystem der Blockwarte und Gestapo hatte zum Ziel, den "Kitt" einer Gesellschaft, ein gewisses Urvertrauen zum Nächsten, aufzulösen und durch Misstrauen zu ersetzen. Das machte Verschwörungen gegen die Nazis hoch riskant und erklärt das Machtsystem totalitärer oder diktatorischer Herrschaft: struktureller Terror von oben. Ich habe einen meiner Onkel nach den militärischen Katastrophen von Stalingrad und EI Alamein ertappt, wie er den Feindsender BBC abgehört hatte. Das war bei meinem Großvater im Unterinntal, wo ich im Sommer immer zwei Monate verbringen durfte. Ich war hellauf begeistert. Der Onkel hatte an der Wohnzimmertür eine große Landkarte angeheftet, wo er mit Nadeln und Faden den aktuellen Frontverlauf markierte. Ich war immer schon sehr an Geografie interessiert. So konnte ich feststellen, dass die Frontverläufe zu den offiziellen Angaben um bis zu 200 km divergierten. Mein Onkel meinte, das sei völlig klar, weil man offiziell nur das hörte, was der "Klumpfuss", gemeint war Goebbels, vorgab. Auch meine Großmutter in Bruck besaß ein Radio, einen "Volksempfänger". Sie erlaubte mir das Gerät einzuschalten. Ich hatte von meinem Onkel schon Erfahrung und drehte an den Knöpfen herum, um auf BBC oder Radio Beromünster zu stoßen: Da sagte meine Großmutter zu mir: ,,Da kanns't drehen, was du willst, du kriags't allweil nur Radio Salzburg." Da wurde mir als erst Dreizehnjährigem schlagartig klar, dass das Aus- maß und Qualität der Information von dem bestimmt wird, der an der Informations-Schleuse sitzt.

Um mir klar zu machen, dass man ja nie darüber reden soll, hat mir der Onkel ein Beispiel erzählt: Ein Lehrer kam in eine Klasse und sprach über ein nettes Radioprogramm, fragte, wer das kennt und sang die Kennmelodie dieses Senders vor. Es handelte sich um die Kennmelodie von BBC. Drei Schüler zeigten auf. Am nächsten Tag tauchte die Gestapo bei diesen drei Familien auf. Das Hören eines Feindsenders an sich war ja noch nicht so gefährlich. Häufig kam man mit einer Beschlagnahme des Geräts und einer Verwarnung davon. Gefährlich war das Weitererzählen des Gehörten. Das wurde als Wehrkraftzersetzung gewertet und konnte mit dem Tod bestraft werden. Ich habe bei jeder Gelegenheit Feindsender gehört und kam mir schon wie eine Art Geheimnisträger vor. Ich konnte schon recht gut unterscheiden: Was ist Propaganda, was ist Hetze, was ist systematische Lügerei? Das hat mich für mein weiteres Leben geprägt, und nach diesen gewonnenen Erkenntnissen weiß ich auch heute noch mit Wahlpropaganda umzugehen.

Seit der Universität hat mich das Thema Totalitarismus sehr beschäftigt. So war etwa am Beispiel Lenin zu sehen, wie Agitation und Propaganda funktionieren: Man zimmert sich eine Ideologie zurecht und baut dann dazu einen Kontroll-, sprich Terrorapparat auf. Im Dritten Reich war es ja auch nicht anders. Etwa 300.000 Spione und Spitzel bezogen aus dieser Tätigkeit einen Nebenverdienst. So wusste niemand, wem man was sagen darf. Wenn Misstrauen und Propaganda zusammenkommen, ist das Ergebnis klar.

Ich gehörte bis zum Alter von vierzehn Jahren zum "Jungvolk". Trotz meiner fast exhibitionistisch praktizierten Religiosität genoss ich dort Achtung, weil man mich in meiner Sportlichkeit brauchte. So habe ich bei diversen Wettkämpfen immer irgendwelche Nadeln gewonnen. Obwohl es dort recht lustig war, ließ ich mich aufgrund der Verankerung in meiner Familie und im Glauben nie vereinnahmen.

Nach dem Einmarsch der Amerikaner kam nach wenigen Tagen ein Soldat zur Prüfung in unser Haus, ob es zur Unterbringung amerikanischer Soldaten geeignet sei. Die Amerikaner hatten nämlich die Villa Warsberg beschlagnahmt und zur Residenz des Generals gemacht. Und da brauchte es Wachmannschaften an der Abzweigung der Privatstraße hinauf. Wir waren zur damaligen Zeit an die zwanzig Kinder im Haus. Eine Dame im Haus sprach - mehr schlecht als recht - Englisch. Sie übersetzte uns dann, dass der Offizier gesagt habe, das seien zu viele Kinder. Sie würden sich etwas Anderes suchen. So blieben wir in unseren Wohnungen und freundeten uns sehr bald mit den Wachsoldaten an. Die waren immer freigebig mit Kaugummi oder Schokolade. Ich brauchte etwas ganz anderes, nämlich Pickzeug für das Fahrrad. Es war schon schwierig genug, dem Soldaten mit meinen mangelhaften Englischkenntnissen deutlich zu machen, was ich mir von ihm erhoffte. Als er es dann doch verstand, brachte er mir tatsächlich Pickzeug, allerdings für Autos. Mit entsprechender Bastelarbeit machte ich mein Fahrrad wieder fahrfähig. Gleich nach dem Krieg habe ich mich den Pfadfindern angeschlossen

Ich konnte daher den Unterschied zum "Jungvolk" der Nazis sehr gut einschätzen: Bei den Pfadfindern war die freie Entfaltung möglich, beim Jungvolk handelte es sich um bewusste Manipulation. Ich habe die Pfadfinderzeit sehr genossen. Wir hatten einen hervorragenden Führer, Axel Stachowitsch. Er gründete später das Werkschulheim Felbertal. Von den dort gelernten Regeln habe ich mir für mein ganzes weiteres Leben mitgenommen: Ein Pfadfinder tut seine Pflicht, macht nichts halb und verrichtet jeden Tag eine gute Tat. Dazu zählt sicher auch ein freundliches Wort.

Als Legastheniker konnte ich schlecht lesen und schreiben, weshalb mir immer gepredigt wurde:,,Üb mehr! Das waren keine guten Voraussetzungen für mich im Staatsgymnasium. Besonders in Griechisch kam auch noch eine neue Schrift dazu. Ich war daher eher ein durchschnittlicher Schüler. Meine Eltern schickten mich deshalb zwei Jahre in die Hauptschule, weil sie mich nicht reif genug für das Gymnasium hielten. Aber das Problem war nicht meine Reife, sondern die Legasthenie. Sie trauten mir nie zu, Latein zu schaffen, aber es ist schließlich doch gegangen. Dann sperrte 1946 das Borromäum (erzbischöfliches Gymnasium) wieder auf, und zu meinem Glück gab es auch eine fünfte Klasse. Wir waren nur zwölf Schüler da. Daher wurden wir intensiv betreut und kamen praktisch jede Stunde dran, und ich entwickelte mich vom durchschnittlichen zum Vorzugsschüler. So war die Schule kein Problem mehr für mich und ich hatte Zeit für den Sport. Ich ging damals schon gern auf den Berg, aber die Anreise war meist das große Problem. Deshalb war mein Aktionsradius sehr eingeschränkt.

Ich maturierte 1950 und ging nach Innsbruck, um Sport und Germanistik zu studieren. In Sport war gleich am Ende des ersten Semesters ein Schikurs in St. Christoph am Arlberg zu machen. Mit einem Tiroler Freund waren wir uns einig, wir wollten in die Schilehrerausbildung kommen. Der Chef der Ausbildung am Arlberg war Prof. Kruckenhauser.

Clemens M. Hutter als Schilehrer in St. Christoph am Arlberg ca. 1955

Er fragte unseren Professor an der Uni, ob er jemand Geeigneten wüsste. Der nannte uns beide, Hoppichler und Hutter - meine Schikarriere begann. Das Schifahren hat mir später sehr viel gebracht.

Germanistik habe ich nach drei Semestern "geschmissen" (aufgegeben). Anlass war eine Seminararbeit über das althochdeutsche "sunu fatarungo" aus dem Hildebrandslied. Nachdem ich mich durch die Arbeit durchgewürgt hatte, ist mir klar geworden:,,Wozu brauche ich diesen Quatsch?" Ich sattelte daher auf Philosophie um, das in den Anfängen auch Soziologie und Politikwissenschaften umfasste. Dann ging ich nach Graz.

Zwischendurch bekam ich ein Stipendium für Amerika und wurde gefragt, wo ich hin möchte. Ich sagte dorthin, wo ich Schifahren kann. So kam ich nach Vermont im Nordosten der USA, wo es traumhafte Winter gibt. Mein Englisch war verheerend. Ich dachte mir, an der Uni werde ich sicher einen Englischkurs machen können. Es stellte sich heraus, dass unter den 2500 Studenten nur sieben Ausländer waren. An einen Englischkurs war also nicht zu denken. Da kam mir die Idee, Spanisch für Anfänger zu nehmen. Ich hatte ja Kenntnisse in Latein, Italienisch und ein wenig in Französisch. Ich kam im Kurs deshalb gut mit und habe vor allem damit besser Englisch gelernt. An der dortigen Universität fand ich gute Freunde, die mir den Tipp gaben, Schikurse abzuhalten. Ich verdiente so viel Geld damit, dass ich mir das erste Auto kaufen konnte. Die Fahrprüfung war kurz und einfach, ich hatte keine Ahnung, ob sich der Motor vorne oder hinten befand. Mit diesem Auto sind wir zu viert drei Monate durch die USA, Kanada und Mexico getourt. Hier kamen mir die beim Spanisch/Englischkurs erworbenen Kenntnisse sehr zugute.

Zurück in Europa verschlug es mich nach Wien. Im Winter habe ich mir als Schilehrer in einer Schischule Geld verdient. In der Mittagspause unterrichtete ich die Frau eines deutschen Industriellen privat. Als ich ihr von meiner USA-Zeit erzählte, fragte sie mich, ob ich wieder einmal ins Ausland wolle. Ich bejahte begeistert. Sie schickte mich schon am nächsten Tag nach Zürs in das Hotel Edelweiß zu einem Monsieur Ketani aus dem Libanon. Er suchte einen für den Libanon.

So war ich zwei Winter im Libanon Schilehrer. Hier lernte ich viel über den Nahen Osten nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs. Wir haben hier ja nicht viel mehr über diese Region mitbekommen als die Gründung Israels und die Konflikte mit den Arabern. Damals wurde auch mein Interesse am Islam geweckt und ich begriff die Wurzeln des Nahost-Konflikts. Im Libanon hatte ich den Chef der Air France für den Nahen Osten jedes Wochenende als Schischüler. Der machte mich aufmerksam, dass ich aus meinem Flugticket nach Wien viel mehr herausholen könne. So kam ich einmal über Amman , Kairo und Rom nach Wien und ein anderes Mal ähnlich im Mittelmeerraum herum. Meine angeborene Neugierde brachte mich zum Beispiel auch zur Felsenstadt Petra im südlichen Jordanien, die damals noch fast unbekannt war. Durch einen einheimischen Taxifahrer konnte ich mich ganz alleine in Petra aufhalten mit 200 Schafen samt zwei Hirten. Ein einzigartiges Erlebnis! Und Schotterstraßen von einem Wadi zum nächsten in schier endloser Folge. Wir stießen immer wieder auf Beduinenzelte, bei denen mein Fahrer gerne stehen blieb. Dort erfuhr ich, was arabische Gastfreundschaft heißt. Die Beduinen hatten noch nicht viele Ausländer gesehen, begrüßten mich sofort freudig und boten Tee oder Kaffee und etwas zu essen an. Das Interesse an mir und meinem Herkommen war groß. Ich habe es damals leider verabsäumt, Arabisch zu lernen. Gut in Erinnerung ist mir noch die Handbewegung für "Schwei, schwei" (Zeit lassen), oder andrerseits "yalla, yalla" (Mach schon, tu weiter).

Durch einen Zufall kam ich zu den Salzburger Nachrichten,

SN erster Leitartikel Kopie.jpg

nachdem ich mein Studium in Graz abgeschlossen hatte Ich schrieb einen Artikel zur neuen Schitechnik, dem Wedeln, da ich eines der ersten Versuchskaninchen von Prof. Kruckenhauser dafür gewesen war. Am Tag nach Erscheinen rief mich ein Herr Schaffler vom Residenz Verlag an, der meinte, das sei eine "klasse" Geschichte, da sollte man ein Buch daraus machen. Bei einem Abendessen klärte er mich auf, wie so ein Buch aussehen könnte. Nach dieser einen Stunde kam ich mir schon vor wie der geborene Literat. So entstand das Buch übers Wedeln und war das erste Buch des Residenz Verlags und gleichzeitig mein erstes. Ein Exemplar gelangte auch in die USA. Von dort erreichte mich eine Einladung.

Beim Schifahren am Arlberg traf ich dann das für mich ideale "Schihaserl" aus Köln und verliebte mich.

Marietheres Hutter, geborene Haupt

Beim Sandwirt von Andreas Hofer in Südtirol fiel bei Käse und Wein unsere Entscheidung:,,Wir gehen nach Amerika!"Vorher heirateten wir. Meine Frau brachte einen VW in die Ehe mit. Diesen überführten wir per Schiff in die USA. Drei Winter arbeitete ich dort. Die übrige Zeit sahen wir uns Amerika an. So schaffte unser VW Käfer die 18.000 km nach Buenos Aires. 1961 kehrten wir nach Salzburg zurück, und ich konnte wieder bei den Salzburger Nachrichten beginnen. In den eineinhalb Jahren vor dem USA Aufenthalt war ich nur ein besserer Lehrbub gewesen. Aber jetzt kamen mir meine Kenntnisse und Erfahrungen aus Süd- und Nordamerika und dem Orient sehr zugute. So machte mir die Arbeit im Ressort Außenpolitik große Freude. Die heiklen Themen der Innenpolitik konnte ich mir ersparen. Die Kluft zwischen hochindustrialisierten und armen Ländern bot auch so genug Sprengstoff. Einmal erhielt ich eine Einladung nach Südafrika: Ich tourte vier Monate durch ganz Afrika, wobei ich mir nach meinen Interessen Kultur, Zivilisation und Volkskunde die einzelnen Stationen genau aussuchte. Mit diesen Erfahrungen und meiner Ambition, vor dem Totalitarismus zu warnen, hielt ich es in der Zeitung so: ,,Lasst mich in Ruhe arbeiten und redet mir nicht drein!"

Ich bin mit fünfundsechzig in Pension gegangen Das genieße ich sehr, weil ich systematisch arbeiten kann, ohne dass mir Routinearbeiten laufend in die Quere kommen. Meine sportlichen Ambitionen haben durch den Alterungsprozess natürlich Einschränkungen erfahren. In Amerika stieß ich das erste Mal auf den Begriff "Joggen". Damit war das Warm laufen vor einem sportlichen Wettbewerb gemeint. Bei uns hieß das damals noch Wald- oder Morgenlauf. In den ersten harten Arbeitsjahren war es mir ein Bedürfnis, täglich Bewegung zu machen. So bin ich aufs Laufen gekommen und jeden Tag in der Früh fünf bis zehn Kilometer gejoggt. Die kürzere Strecke bei schlechtem Wetter, aber eisern täglich. Am Samstag und Sonntag stand jeweils eine Bergtour am Programm. Der Beruf war dafür ideal, weil der Arbeitsbeginn um halb zwei am Nachmittag genug Zeit bot. Der Nachteil war, dass ich meine Kinder an normalen Tagen kaum gesehen habe. Wenn sie von der Schule heimkamen, musste ich zur Arbeit. Wenn ich am Abend heimkam, waren sie schon im Bett. Die gemeinsamen Zeiten beschränkten sich daher auf das Wochenende. Da war es gut, dass meine Frau als "Nur-Hausfrau" die Familien-Managerin war. Sie hat die Buben erzogen und mir damit den Rücken freigehalten.

Es gab nie größere Differenzen und die Dauer der Ehe von sechsundfünfzig Jahren spricht ja auch für sich. Meine Frau stammte aus Köln. Sie hat sich sofort in Salzburg eingewöhnt. Es dauerte nicht lange, etwa vier bis fünf Jahre, dass sie nie wieder nach Köln zurückwollte. Die "Kölsche" Mundart hörte man ihr zwar immer an, aber das war Teil ihrer Identität und war gut so. Im Sommer unternahm ich die Bergtouren, bei denen meine Frau immer mitgegangen ist und im Winter die Schitouren. Wir verbrachten Bergurlaube in den Dolomiten, den Ötztaler Alpen usw. Meine Gattin verfügte immer über eine gigantische Konstitution, was ich nur durch eine gute Kondition wettmachen konnte.

Vor fünf Jahren fuhr ich bei einer Schitour im Lungau einen Hang im wunderschönen Pulverschnee ab. Ich übersah eine kleine Rinne und baute einen fürchterlichen Sturz. Das war der Anlass, die Schier an den berühmten Nagel zu hängen. Die Ausdauerfähigkeit nimmt von den körperlichen Fähigkeiten im Alter am langsamsten ab, wenn man sie pflegt. Die Früchte eines Jahrzehnte lang gepflegten Trainings kann man dann reichlich genießen. Wenn annähernd Gleichaltrige einen runden Geburtstag feiern, lautet mein Wunsch:,,Bleib gesund und neugierig!" Also nicht herumsitzen und ,,sumpern", sondern Augen auf und schauen, etwas Gescheites lesen, selektiv Fernsehen. Es gibt zwei Dinge, die unstillbar sind: die Gier und das Gehirn. Das Gehirn sucht doch dauernd was zum Fressen. Wenn ich ihm nichts liefere, kommt die Langeweile und in weiterer Folge vielleicht der Trübsinn.

Ende 2016 (korr. Jörg Hutter 24.Juni 2014) ist meine Frau verstorben. Ich bemühe mich das rational zu erfassen, denn jede Geburt ist doch ein Todesurteil mit verzögerter Vollstreckung. Ich bin jetzt sechsundachtzig, habe viel Vergangenheit und wenig Zukunft. Klar, dass man in diesen umfangreichen Erinnerungen gerne wühlt. Aber es hat überhaupt keinen Sinn, sich mit der Vergangenheit zu sehr zu beschäftigen, denn ich kann überhaupt nichts mehr an ihr verändern.

Publikationen

1958

  • Wedeln. Schilauf in Österreich Residenz Verlag, Salzburg 1958

1960

  • Wedeln The New Austrian Skiing Technique Verlag: Hanover House, Garden City, New York, 1960

1968

  • Der schmutzige Krieg Alternative zum Atomkrieg Politik konkret. Salzburger Nachrichten Verlag, Salzburg, 1968.

1971

  • Keime künftiger Krisen. Perspektiven der Weltpolitik, Leopold Stocker Verlag Graz ISBN 10: 3702001468 ISBN 13: 9783702001469

1978

  • Eurokommunisten: Lenins treue Jünger (Gegenwart und Zeitgeschichte). Sinus, 1978, ISBN 978-3882890112.
  • Der Salzburger Skitourist. 155 Touren in Salzburg und Berchtesgaden. Verlag das Berglandbuch

1988

  • 525 Skitouren im Salzburger Land und in Berchtesgaden. VCM Verlag Salzburg, ISBN:3850210146 (ISBN-13: 9783850210140)
  • Grossglockner - Traumstraße Der Alpen.VCM-Verlag Salzburg, ISBN:3850210219 (ISBN-13: 9783850210218)

1989

  • Lungau : Österreichs Sonnenbecken.Verlag der Salzburger Druckerei 1989, ISBN:3853381774 (ISBN-13: 9783853381779)

1990

  • Tennengau: Kleinod am Fusse der Alpen. Verlag Anton Pustet, Salzburg 1990, ISBN 978-3702502713.

1991

  • Grossvenediger: Von der Faszination eines Berges. (gem. mit Wolfgang Retter) Verlag Anton Pustet, Salzburg 1991, ISBN 978-3702502799.
  • Nationalpark Hohe Tauern im Salzburger Land, VCM Verlag Elsbethen ISBN:3850210472 (ISBN-13: 9783850210478)

1992

  • Salzburger Berge. Verlag Anton Pustet, Salzburg 1992, ISBN 978-3702502935.
  • Die Festung Hohensalzburg (gemeinsam mit Werner Thuswaldner), 1992, ISBN 3701707472

1994

  • Alpenstrasse. Wald, Krimml, Gerlos. Großglockner Hochalpenstraße Salzburg (Hrsg.), 1994, ISBN 978-3950022711.
  • Skitouren in und um Salzburg. Pustet Verlag 4. verb. Aufl. ISBN: 370250317X (ISBN-13: 9783702503178)
  • Großglockner - Freude am Nationalpark. Verlag:Großglockner-Hochalpenstraßen AG, ISBN:3950022708 (ISBN-13: 9783950022704)
  • Nationalpark Hohe Tauern., Salzburg. Den Ursprüngen begegnen. Farbabbildungen nach Originalfotografien von Wolfgang Retter. Text von Clemens M. Hutter.

Verlag Anton Pustet, Salzburg ISBN: 3702503137

1995

1996

  • Hitlers Obersalzberg: Schauplatz der Weltgeschichte. Berchtesgadener Anzeiger, Berchtesgaden 1996, ISBN 978-3925647147.
  • Das tägliche Licht: Eine Salzburger Elektrizitätsgeschichte. Verlag Anton Pustet, Salzburg 1996, ISBN 978-3702503383.
  • Kaprun. Geschichte eines Erfolges. Residenz Verlag, Salzburg 1996, ISBN 978-3701708574
  • Nockberge Straße und Nationalpark. Verlag COCO Salzburg, ISBN:3950022732 (ISBN-13: 9783950022735)

1997

  • Erlebniswandern Lungau. Verlag Anton Pustet, Salzburg 1997, ISBN 978-3702503604

1998

  • Kaprun : Tauernstrom und Nationalpark. Schriftenreihe Edition TTG. Verlag Tauernkraftwerke Tourismus GmbH Salzburg ISBN:3950040706 (ISBN-13: 9783950040708)

2000

  • Schlankwandern (Die grünen Wegweiser). Verlag Anton Pustet, Salzburg 2000, ISBN 978-3702504090.

2001

  • Freizeitoase Lungau, Verlag Anton Pustet, 2001, ISBN 3-7025-0428-1
  • Krimmler : Wald - Krimml - Gerlos, Verlag Großglockner Hochalpenstr. Salzburg,

2002

  • 333 Salzburger Bergziele. Verlag Anton Pustet, ISBN:370250303X (ISBN-13: 9783702503031)

2003

  • Rassen-, Klassen-, Massenmord. Anatomie des Totalitarismus, Olzog 2003, ISBN 3789281239

2004

  • Gottselig und Leutselig: Pfarrer Valentin Pfeifenberger. Verlag Pfeifenberger, Tamsweg 2004, ISBN 978-3901496097
  • Skitouren in und um Salzburg, Verlag Anton Pustet 2004, ISBN 370250317

2005

2007

  • Hexenwahn und Aberglaube, Ecowin Verlag, Salzburg 2007, ISBN 978-3-902404-50-3
  • Pilgerwege im Salzburger Land, Tyrolia 2007, ISBN 3702228152
  • Hohensalzburg Castle: Setting out on a Millennium Journey. Colorama, 2007 (3. Edition), ISBN 978-3901988776.

2008

  • Hans Katschthaler - Mein Leben. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2008, ISBN 978-3702505851.
  • Stadtwandern in Salzburg. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2008 (Neuauflage 2017), ISBN 978-3-7025-0857-9.
  • Arnoweg: Der Salzburger Rundwanderweg. Bergverlag Rother, Oberhaching 2008 (2. Auflage), ISBN 978-3763342938.


2010

  • Festung Hohensalzburg: Zeitreise durch ein Jahrtausend. Colorama, 2010 (3. Aufl.), ISBN 978-3901988769.
  • Verewigt in Salzburg, Verlag Anton Pustet, 2010, ISBN 978-3-7025-0618-6
  • Schafberg & Wolfgangsee: Ein Bildführer von Clemens M. Hutter zu zwei Glanzpunkten des Salzkammerguts. Colorama, 2010 (2. Auflage), ISBN 978-3902692146.
  • Mirabell: Schloss und Garten. Colorama, 2010, ISBN 978-3902692191.
  • Wanderatlas. Salzburg – Berchtesgaden. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2010, ISBN 978-3-7025-0619-3.

2011

  • Wanderatlas Salzburg Berchtesgaden, Verlag Anton Pustet, 2011, ISBN 978-3-7025-0619-3
  • Stadtwandern in Salzburg - Epochen, Raritäten, Landschaft, Verlag Anton Pustet, 2011, ISBN 978-3-7025-0563-9
  • Skitouren in und um Salzburg. Verlag Anton Pustet, Salzburg 01.01.2011 ISBN 978-3-7025-0636-0

2012

2013

2015

  • Augen auf. Wegweiser für Neugierige., Verlag Anton Pustet, 2015, ISBN 978-3-7025-0774-9

2017

2018

  • Gruselwandern in Salzburg. Verlag Anton Pustet, Salzburg 2018, ISBN 978-3-7025-0905-7

2020

  • Mirabell: Palace and Park. Colorama 2020, ISBN 978-3902692207.

Quellen