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Menschen hinter den Pleiten: Wie ein Salzburger Gründer den Firmen- und Privatkonkurs erlebt

Die Firmenpleiten häufen sich. Hinter diesen stecken Schicksale und Existenzen. Ein Schuldner spricht übers Scheitern.

 Daniel Pfeifenberger machte sich mit der Marke Bienenlieb einen Namen – bis es zur Insolvenz kam. Nun geht er als Mitarbeiter einer Agentur neue Wege.
Daniel Pfeifenberger machte sich mit der Marke Bienenlieb einen Namen – bis es zur Insolvenz kam. Nun geht er als Mitarbeiter einer Agentur neue Wege.

Vom aufstrebenden Unternehmer auf die Insolvenzliste. Daniel Pfeifenberger ging diesen Weg - bis hin zum Privatkonkurs, der Anfang Jänner eröffnet wurde. Aber der Reihe nach: Die Biene hat es dem 43-jährigen Salzburger angetan. Als Imker und Bienenzüchter vermarktete er zahlreiche Produkte rund um die Insektengruppe unter der Marke Bienenlieb. Zudem wurden Workshops und Veranstaltungen abgehalten, um für die Themen der Bienen zu sensibilisieren. Zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden beschäftigt. Zwei Standorte, ein Bienenhof in der Stadt Salzburg und ein Geschäft in der Salzburger Innenstadt, wurden betrieben.

Viele Kleininvestoren zahlten in Bienenlieb ein

"Von 2012 bis 2018 gab es ein normales Wachstum", sagt Pfeifenberger. Finanziert hat er seine unternehmerischen Aktivitäten auch durch Sponsoren und Crowdfunding. 200.000 Euro wurden von vielen Kleininvestoren aufgebracht. "Es waren viele aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis." Innerhalb von sieben Jahren hätte das Geld zurückbezahlt werden sollen - verzinst wurde mit Bienenprodukten. Mit der Covidpandemie sei der wirtschaftliche Einbruch gekommen. "Wir haben gesehen, dass die Menschen mehr aufs Geld schauen und die Ausrichtung nicht mehr funktioniert." Die Zahlungsunfähigkeit sei absehbar gewesen. "Wir sind mit dem Thema offen umgegangen und haben bis zuletzt alles versucht, um das Unternehmen zu retten."

Im Dezember 2023 haben die Mitarbeiter von Pfeifenberger auf zwei Monatsgehälter gewartet. Der Insolvenzentgeltfonds musste schließlich einspringen. "Als der Insolvenzantrag, ein Eigenantrag, dann eingebracht wurde, war ich sogar erleichtert." Der Druck, das Unternehmen retten zu müssen, habe nachgelassen, sagt Pfeifenberger. Knapp zwei Wochen nach dem Insolvenzantrag wurde das Unternehmen Bienenlieb (mehrdafon GmbH) geschlossen.

Mit der Unternehmensinsolvenz ist Pfeifenberger nicht allein: Die Insolvenz ist dem Jahr 2023 zuzuordnen. 279 Fälle waren es damals laut Kreditschutzverband von 1870 (KSV) in Salzburg. Im Vergleich dazu: Im Jahr 2024 sind 343 Unternehmen in die Insolvenz geschlittert.

200 Bienenstöcke mit jeweils 50.000 Bienen wurden zur Insolvenzmasse

Das Gefühl der Erleichterung hat bei Pfeifenberger einige Wochen angehalten. "Dann kamen die Gespräche mit dem Insolvenzverwalter." Wie eine Geisterstadt hat Pfeifenberger den Bienenhof samt Büros wahrgenommen. "Es durfte nichts mehr angerührt werden - sogar die Kekse der Mitarbeiter für zwischendurch sind noch am Tisch gestanden." Pfeifenberger spricht von einer gläsernen Person, zu der er geworden sei. "Die Macht des Insolvenzgerichts ist endlos - alles wird begutachtet." Zur Insolvenzmasse gehörten auch 200 Bienenstöcke mit jeweils rund 50.000 Bienen. Die Mitarbeiter hätten sich mit dem Insolvenzantrag von Pfeifenberger auch persönlich abgewandt. "Plötzlich war ich ja schuld am Konkurs und vor allem daran, dass sie auf die Gehälter warteten." Zudem sei er auch vom privaten Umfeld fallen gelassen worden. "Es kommen aber auch neue Menschen, die sich um einen kümmern." Er spricht von 500.000 Euro an Kapital samt Crowdfunding, das er verloren habe. Rund 800.000 Euro an Schulden blieben schlussendlich übrig. "Mein gesamtes Vermögen steckte im Unternehmen, ich bin voll ins Risiko gegangen." Für einen Covid-Ausfallskredit habe er persönlich gehaftet. "Daher war auch die Privatinsolvenz unausweichlich."

Privatkonkurs war die Folge

Inzwischen lebt Pfeifenberger am Existenzminimum, sucht Hilfe bei einem Rechtsanwalt und der Schuldnerberatung. "Beruflich bin ich in einer Werbeagentur tätig und kümmere mich um Webprojekte", sagt Pfeifenberger. Seine beruflichen Ursprünge liegen in diesem Bereich. Maximal in fünf Jahren - mit Zahlungsplan in drei Jahren - kann Pfeifenberger das Schuldenregulierungsverfahren abschließen.

Rund 370 Privatkonkurse gab es in Salzburg laut einer Analyse des KSV im Vorjahr. Österreichweit waren es 8822.

Pfeifenbergers offene Schilderung hat einen Grund: "Ich möchte, dass offen über Insolvenzen gesprochen wird und mehr über Niederlagen." Zudem betont er: "Ich wollte mich mit der Insolvenz nicht von den Schulden auf Kosten der Gläubiger abputzen." Nochmals ein Unternehmen zu gründen sei für ihn nicht ausgeschlossen. "Mit ein paar Jahren Abstand." Inzwischen produziert er auch schon wieder Honig: "Mit dem gemeinnützigen Verein, der von der Insolvenz nicht betroffen ist und die Marke Bienenlieb hält."

Insolvenzverwalter: "Man muss auch ein wirtschaftliches Gefühl haben"

Teil eines Insolvenzverfahrens sind aber nicht nur die Schuldner: Temporär übernimmt ein Insolvenzverwalter (Masseverwalter) die Geschicke der Unternehmen, dieser wird vom Gericht bestellt. Zu Beginn prüft dieser, ob eine Fortführung möglich ist, ohne dass dadurch ein zusätzlicher Schaden für die Gläubigerinnen und Gläubiger entsteht.

Helmut Hüttinger (rechts im Bild) ist Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter. Die Kanzlei in Salzburg führt er in Partnerschaft mit seinem Sohn Gabriel Hüttinger (links im Bild).
Helmut Hüttinger (rechts im Bild) ist Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter. Die Kanzlei in Salzburg führt er in Partnerschaft mit seinem Sohn Gabriel Hüttinger (links im Bild).

Der Salzburger Rechtsanwalt Helmut Hüttinger zählt 40 Berufsjahre und ist Insolvenzverwalter. Die Kanzlei führt er in einer Partnerschaft mit seinem Sohn Gabriel Hüttinger. Helmut Hüttinger hat zuletzt auch Großinsolvenzen wie die Scala-Fertighaus-Pleite oder die Insolvenz des Heizungsherstellers Windhager verwaltet. In seiner Profession müsse man das Juristische beherrschen und zudem "ein wirtschaftliches Gefühl haben". Studiert hat Hüttinger Rechtswissenschaften - das wirtschaftliche Denken habe er sich einst im Kramerladen seiner Mutter angeeignet. "Die Formel ist im Prinzip einfach: Die Ausgaben dürfen nicht höher sein als die Einnahmen", sagt der Insolvenzverwalter. Sein Start in die Berufskarriere war zugleich emotional herausfordernd: Als erster Fall kam die Insolvenz einer kleinen Tischlerei im Land Salzburg auf den Schreibtisch von Hüttinger: "Der Tischler rief mich an und sagte: ,Ich bringe mich um.'" Zum Glück sei es aber nicht so weit gekommen. Hüttinger betont: "Eine Insolvenz ist eine mehr als unangenehme Situation mit persönlichen Auswirkungen und Haftungen." Trotzdem versuche er stets das Gefühl zu vermitteln, dass es sich nicht um die "ganz große Katastrophe" handle.

"Es gibt auch Insolvenzen, wo der Masseverwalter leer ausgeht"

776 Insolvenzverwalter aus ganz Österreich sind laut einer Liste des Justizministeriums im Bundesland tätig. Hüttinger betont, dass der Job an sich trotz negativer Elemente auch schöne Facetten habe. "Man kommt in Unternehmen, die man zuvor nicht gekannt hat. "Meine Fälle erstreckten sich vom Bordell bis hin zum Heizungsproduzenten", sagt er mit einem Schmunzeln im Gesicht. Das Honorar, das der Insolvenzverwalter erhalte, sei nicht in Stundenhonoraren darstellbar: "Es ist ein degressiver Anteil am Erlös, der erzielt wird." Es gebe auch Insolvenzen, wo der Masseverwalter leer ausgehe. "Für unsere Kanzlei ist es aber ein wichtiger Geschäftsbereich."

Gibt es für Hüttinger einen entscheidenden Punkt im Insolvenzverfahren? Sowohl für die Schuldner, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch die Gläubiger sei es wichtig, dass endlich Klarheit herrsche - somit entstehe auch Planbarkeit.

Aliki Bellou vertritt die Interessen der Gläubiger in Insolvenzverfahren. Sie leitet den Salzburg-Standort des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV). Sie betont: "Wenn auch Verbraucher betroffen sind, ist man auch als Gläubigerschützerin näher an Schicksalen." Grundsätzlich gelte, dass alle Gläubigerforderungen gleich zu betrachten seien.

Aliki Bellou vertritt die Interessen der Gläubiger für den Kreditschutzverband von 1870 in Salzburg.
Aliki Bellou vertritt die Interessen der Gläubiger für den Kreditschutzverband von 1870 in Salzburg.

Hat Österreich ein zu freundliches System für Schuldner: "Nein, das sehe ich nicht so", sagt Bellou. Es gebe gesetzliche Mindestquoten, die ein Anker für Gläubiger seien. Zudem sei die Institution des Gläubigerschutzes europaweit einmalig.

Insolvenzen in Salzburg

343 Firmeninsolvenzen gab es im Jahr 2024 laut einer Analyse des Kreditschutzverbandes von 1870 (KSV). Eine Steigerung um 22,9 Prozent im Vergleich zum Jahr 2023 mit 279 Fällen. 382 Millionen Euro an Passiva errechnete der KSV daraus. Von den 343 zahlungsunfähigen Unternehmen wurde in 209 Fällen ein gerichtliches Verfahren eröffnet. Österreichweit kam es 2024 zu 6587 Insolvenzen. 29.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren betroffen und 50.300 Gläubigerinnen und Gläubiger. Experten sprechen von einem Insolvenzniveau wie vor der Covidpandemie.

Die Zahl der Privatkonkurse in Salzburg betrug im Vorjahr 374 - ein leichter Rückgang im Vergleich zum Jahr 2023 mit 382 Fällen. Die Passiva bei den Privatinsolvenzen belaufen sich im Jahr 2024 auf 36 Millionen Euro.

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