GAISBERGRENNEN 2022

Jubiläum für den "Entenbürzel"

Vor 50 Jahren wurde mit dem Porsche Carrera RS 2.7 ein straßentauglicher Rennwagen erschaffen. Ein Mythos - bis heute!

Die historische Bedeutung eines Autos erkennt man oft am besten an den Beinamen, die sich das jeweilige Modell über die Jahre „verdient". Geht es danach, so ist eine ganz spezielle Variante des Porsche 911 aus dem Jahre 1972 ganz vorn mit dabei. Die Rede ist natürlich vom 911 Carrera RS 2.7, dessen Entwicklung 2022 ein halbes Jahrhundert zurückliegt. Ob „RS“, „Entenbürzel" oder schlicht und einfach nur „2.7er" – nicht nur unter hartgesottenen Elfer-Enthusiasten genießt das erste Porsche-Serienmodell mit Bug- und Heckspoiler heute Kultstatus.

Am Anfang stand bei Porsche das Ziel, ein besonders leichtes und leistungsstarkes Fahrzeug mit Straßenzulassung zu entwickeln, mit dem die Kunden aber auch an Rennsportveranstaltungen teilnehmen können. „Sein Repertoire: Per Achse zum Rennen und wieder nach Hause" - so hieß es in der zeitgenössischen Werbung. Als leistungsstärkstes Modell der ersten Generation sowie als erster 911 überhaupt erhielt der am 5. Oktober 1972 auf dem Pariser Autosalon vorgestellte RS den Beinamen ,,Carrera". Das spanische Wort bedeutet auf Deutsch „Rennen" und geht zurück auf die ,,Carrera Panamericana", das legendäre, auf öffentlichen Straßen in Mexiko ausgetragene Langstreckenrennen, bei dem Porsche 1953 mit dem 550 Spyder erstmals einen Klassensieg eingefahren und ein Jahr darauf sensationell den dritten Gesamtrang belegt hatte. Die 500 Einheiten des RS 2.7, die Porsche für die Homologation für die Gruppe 4 ,,Spezial-GT-Fahrzeuge" anfangs eingeplant hatte, waren bereits wenige Wochen nach der Weltpremiere verkauft. Bis Juli 1973 konnte der Absatz des Elfer-Topmodells sogar verdreifacht werden. Insgesamt wurden 1580 Fahrzeuge gebaut, davon 17 als Basisvarianten, 1308 Exemplare der Touringversion, 55 Rennversionen sowie 200 Fahrzeuge der Leichtbauversion.

Aus heutiger Sicht geradezu radikal wirkt die Konsequenz, mit der die Zuffenhausener Ingenieure das Thema Leichtbau angingen: So wurde beim 911 Carrera RS 2.7 ,,Leicht" auf Selbstverständlichkeiten wie die Rücksitze, Teppiche, eine Uhr und Armlehnen verzichtet. Zwei leichte Sitzschalen ersetzten auf Kundenwunsch schwerere Sportsitze. Sogar die Scheiben bestanden aus leichtem Dünnglas, und das Porsche-Wappen auf der Fronthaube wurde geklebt. Im Vergleich zum Ausstattungspaket ,,Touring" wog der „Sport" damit um satte 115 Kilogramm weniger und kam auf ein Leergewicht von gerade einmal 960 Kilogramm. Um das Gewicht der ultimativen Rennversion „RSR“ für die Homologation auf unter 900 Kilogramm zu drücken, wurde mit Dünnblechen und Kunststoffteilen gearbeitet. Auf Dämmmaterial wurde komplett verzichtet.

Doch nicht nur bei der Vermeidung überflüssiger Pfunde, auch in Sachen Leistung ging man bei Porsche ans Limit: So leistete der neu entwickelte 2,7-Liter-Sechszylinder-Boxer mit Benzineinspritzung im 911 Carrera RS 2.7 beeindruckende 210 PS bei 6300 Umdrehungen in der Minute und entwickelte 255 Newtonmeter bei 5100 Umdrehungen. Um eine hohe Alltagstauglichkeit zu behalten, blieben Verdichtung, Steuerzeiten und Ventildurchmesser im Vergleich zum 2,4-Liter-Modell unverändert. Nichtsdestotrotz reichte die Leistung der Sportversion für eine bahnbrechende Beschleunigung von 5,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Damit unterbot der 911 Carrera RS 2.7 als erster Serienwagen die Sechs-Sekunden-Marke der Fachzeitschrift „Auto, Motor und Sport". Der Topspeed lag jenseits von 245 km/h.