MEIN WEG
von Thomas Neureiter
Wer das Glück hat, ein altes Motorrad zu besitzen, und im Land Salzburg wohnt, kann an wenigen Tagen Wunderbares erleben. Ausgangspunkt für diese Reise war die Straßenkarte des Erzstifts Salzburg aus dem Jahr 1796.

Der entschleunigte Routenplaner. BILDER: SN/THOMAS NEUREITER
Die Freunde der Salzburger Geschichte" legten diese Landkarte samt dazugehörigem Büchlein im Jahr 2000 neu auf. Dieses Buch ist voll von Anregungen. Ich entschied mich für die ,,Reise durch das Pangau nach Pinzgau und nach Windisch-Matrei".
Die Stundenangaben aus 1796 sind exakt: von Lend nach Taxenbach zwei Stunden, von Taxenbach nach Bruck zwei Stunden. Schneller geht es dann zum Beispiel von Lofer nach Salzburg, damals schon eine Poststrasse", im Beiblatt ,,Stunden-Zeiger" mit gut drei Stunden vermerkt (obwohl die dreifache Distanz).
Die Zeiten werden schnelllebiger und mit den jetzigen Verbindungen bin ich mit meinem alten Motorrad aus dem Jahr 1955 in einem Tag in Matrei und sogar noch weiter.
Der Reihe nach: Im Pinzgau angekommen nehme ich den Weg hinunter nach Lend und hinauf nach Embach. Mein Ziel ist der Felberturm in Mittersill. Eine Rast zum Mittagsglockenläuten an der Brücke gönne ich mir. In diesem Gasthaus in Bruck gibt es tatsächlich mein Leibgericht: Nierndln! Im schattigen Gastgarten studiere ich die Landkarte aus 1796: Bruck ist als Dorf eingetragen, aber im Büchlein finden sich keine besonderen ,,Merkwürdigkeiten". Der Schreiber hatte wohl wenig kulinarisches Interesse. Wie ich von der Wirtin erfahre, gibt es das Wirtshaus schon ewig und es ist zumindest seit 350 Jahren im Familienbesitz. Mein Büchlein ist eben eine kommentierte Straßenkarte und kein Gastronomieführer. Wiewohl darin betont wird, dass man gute Fische und nahrhafte Fleischspeisen beinahe allenthalben antrifft.

Das erste Ziel: Mittersill - Felberturm. Das Stunden-Zeiger-Beiblatt hat 7 1/2 Stunden von Bruck weg veranschlagt. Laut den gängigen aktuellen Routenplanern eine halbe Stunde. Und so ist es auch: Ich brause mit meinen 13 kW durch den Pinzgau.
Im Museum des Felberturms schließt sich der Kreis. Die Ausstellung zum Saumhandel macht deutlich, was auch meine Straßenkarte schon sagt. Es gibt einige wenige bedeutende Wege in den Süden im Erzstift Salzburg: Felbertauern, Heiligenblut (damals über „Seigurn in der Rauris") und der „Katzberger Tauern". Als in Salzburg das Bier den Wein aus ,,Tyrol" immer mehr ablöste, als der Handel nicht mehr nur mit Kraxen erfolgte und als die Eisenbahnen kamen, verloren auch die ,,Säumer" an Bedeutung.
Daran erinnere ich mich nach dem Ritt durch den Tunnel nach ,,Windisch-Matrei", der herrlichen Fahrt ins ,,Tefferecken" über den Staller Sattel und einigen Kilometern in Italien im Drautal bei einem guten Schluck Lagrein. Das ist ein Wein, der auch in Salzburg im 18. Jahrhundert beliebt war. Im Drautal suche ich mir einen Heustadel, lehne meine Puch 250 SGS daran, schaue in den Sonnenuntergang und in die Dolomiten. Die Nacht ist kühl, Sterne am Himmel und am Morgen Katzenwäsche im nahen Bach.
Tag zwei bringt dann die weiteren Orte, die in der Karte verzeichnet sind: Zurück geht es über Heiligenblut, dann Bad Fusch mit Kneippen, noch einmal in Bruck ins traditionsreiche Gasthaus mit den Nierndln, Schwimmen im Zeller See und weiter zum Wallfahrtsort Kirchental. Wie steht es so schön im Einleitungssatz des alten Büchleins: „Das Erzstift Salzburg gehört in die Zahl derjenigen Erdstriche, welche wegen des Außerordentlichen ihrer Naturerscheinungen für alle gleich wichtig sind."
Und was steht bei mir weiter noch an? Die Reise durch ,,das Pangau" in ,,das Lungau" und das ,,flache Land". Wenn das die alte Puch noch schafft, dann wäre da wohl das ganze Erzstift in seinen verschiedenen Abtheilungen bereiset". Und, wie es die goldene Schrift am Buchdeckel im Untertitel so schön verrät: ,,Zum Unterricht und Vergnügen!"