Schillernd weiße Strände, türkisfarbene Lagunen und einzigartige Tauchmöglichkeiten ziehen Besucher aus aller Welt auf die Malediven. Auf insgesamt 868 Kilometern verteilen sich rund 1200 Inseln. Wer denkt, es gäbe hier nur Resorts, der irrt. Auf den Inseln der Einheimischen, wie etwa Dhigurah, lernen Urlauber eine ganz andere Seite des Landes kennen.

Eine Insel, ein Resort: Der Ursprung dieses Konzepts liegt im Indischen Ozean, auf den Malediven. Und längst beheimatet der südwestlich von Sri Lanka gelegene Staat so viele Resortinseln wie kein anderes Land auf der Welt, mittlerweile sind es mehr als 125. Doch es lässt sich auch jenseits der Resortgrenzen ein Urlauberleben erleben, nämlich auf einer der etwa 180 Inseln der Einheimischen. Längst nicht auf allen ist Tourismus erlaubt, wohl aber auf Dhigurah im Süd-Ari-Atoll. Die wenige Kilometer lange Insel verfügt nur über ein paar bewohnte Blocks mit einfachen Häusern. Teerstraßen? Fehlanzeige. Die Wege sind eher sandige Pisten mit teils riesigen Schlaglöchern. Entsprechend langsam kurvt man hier herum, die meisten Leute sind zu Fuß, per Rad oder Moped unterwegs. Doch als Gepäcktransportmittel hat das Auto durchaus seine Berechtigung.

Etwa, um Rucksäcke und Koffer vom Minihafen, an dem das Schnellboot aus der Hauptstadt Malé anlegt, zum TME Retreats zu befördern. Das keine 500 Meter entfernte, einstöckige Gästehaus mit ein paar Appartementsatelliten verfügt über 42 Betten und ein nach allen Seiten offenes Restaurant mit einem guten, lokalen, vor allem ausreichenden Essensangebot. In der zum sandigen Garten offenen Lobby stellen ein Billardtisch und ein Bücherregal das Entertainmentangebot dar, auf Wunsch werden Massagen organisiert. Kurz: kein Vergleich zu den Resortinseln mit ihrem teils riesigen Programmangebot, aber typisch für das halbe Dutzend Gästehäuser in der Nachbarschaft. Wobei das TME Retreats das erste seiner Art war. Gerade einmal zwölf Jahre sind vergangen, seit diese Tourismusform in der streng muslimischen Republik überhaupt erlaubt worden ist.


Die Schweizerin Sarah Studer-Hohn, Inhaberin von Pure Islands, ist von der Entwicklung begeistert: ,,Als sensibilisierter Reiseveranstalter ist es uns ein Anliegen, die negativen Folgen des Tourismus möglichst zu minimieren und Kunden zu ermöglichen, die Natur nah, intensiv und ursprünglich zu erleben und die Gastfreundschaft, Traditionen und Kultur zu wahren." Ihr Fazit: „Nirgends ist dies besser möglich als in den kleinen, authentischen Unterkünften." Die sie ihren Kunden mit Vorliebe und Erfolg - vermittelt, nicht zuletzt dank der günstigen Übernachtungspreise ab 45 Euro die Nacht. Nicht bloß die Unterkunft ist im Vergleich zu den Resorts deutlich günstiger, sondern auch das Essen, die Getränke und Souvenirs. Urlauber auf Einheimischeninseln bekommen also mehr fürs Geld - und mehr Authentizität: kein austauschbares Personal mit internationalem Lebenslauf, sondern alles Leute von der Insel. Auch junge Frauen sind an der Rezeption im Einsatz, was einer kleinen Revolution gleicht. Durchs Gebüsch huschen Katzen, auf der Straße ergeben sich ständig Small Talks. Englisch können hier ohnehin fast alle.

Zu den Einblicken ins ,,echte Leben" gehören auch die eine oder andere Baustelle in der Nachbarschaft und Staubwolken, wenn wieder einmal ein Motorradfahrer vorbeiknattert. Und ja, vor allem beim Spaziergang in die grüne Südhälfte sieht man einigen Abfall, auch jenseits der immensen Dorfmüllhalde. Es gibt eben keine Gärtnerarmada wie auf den Resortinseln, die alles Weggeworfene, Angewehte, Angeschwemmte wegräumt. Wobei es mit der Sauberkeit ohnehin schon viel besser geworden sei, berichten die Einheimischen übereinstimmend. Besonders gilt das für das sandige „Horn“ der Dreiecksinsel, wo sich dank schattenspendender Cabanas und anderer Picknickmöbel vor allem freitags und samstags die einheimischen Familien gerne aufhalten - und zunehmend auch Touristen. Als wir gerade im 30 Grad warmen, klaren Wasser herumtollen, kommt ein Boot vorbei. ,,Habt ihr die Mantas eben gesehen?", ruft uns eine Frau zu. Sie ist völlig aus dem Häuschen. Gesehen haben wir leider nichts. Das kommt ja auch unerwartet: So nah am Ufer? Stark! Am nächsten Tag haben wir in puncto Mantasichtung mehr Erfolg.
Nicht zuletzt dank der „Island Divers". Die Tauchschulguides, fast alle sind hier geboren, aufgewachsen und nach Aufenthalten im ,,schrecklich hektischen" Malé zurückgekehrt, kennen sich beim Animal Watching einfach perfekt aus. Für rund 70 US-Dollar pro Person organisieren die jungen Männer mehrstündige Trips auf ihrem hochmodernen Tauchboot - auf Resortinseln kostet eine solche Exkursion locker das Doppelte, eher das Dreifache. Wobei man mit den Einheimischen sogar mehr bekommt. Abgesehen von der hohen Qualität der Ausrüstung ist es ihre Ortskenntnis, von der Urlauber profitieren. Wir erleben es am eigenen Leib. Nach einer Stunde Warten haben die jungen Männer schließlich auffällige Bewegungen entdeckt und scheuchen uns ins Wasser. Wir werden Zeuge eines fantastischen „Mantaballetts“. Ein halbes Dutzend der bis zu vier Meter großen Planktonfresser „tänzeln" friedlich um uns Schnorchler herum, ein Schauspiel! Ohnehin ist Dhigurah für seine rund 40 Tauchgründe bekannt. Bob, ein Ex-Marine aus den USA, kommt seit 2010 zwei Mal pro Jahr hierher und sagt: „Die Tauchgründe sind grandios und die Insel so ruhig. Kein Vergleich zu dem Zirkus auf den Hotelinseln!"
Nach aufregenden Unterwassererlebnissen ist „süßes Nichtstun" angesagt. Wie wär's mit Sonnenbaden am quasi menschenleeren kilometerlangen Strand? ,,Gerne", sagt man uns im TME Retreats, das wie alle Unterkünfte nicht direkt am Strand, sondern ein paar Meter hinter einem Grüngürtel liegt, ,,aber bitte hinter der Holzwand, die 200 Meter weiter aufgebaut wurde. Aus Respekt vor den Einheimischen." Ein großes Thema, das merkt man. Daher auch das Schild ,,No bikini beyond this point". Dass man sich auf den Straßen trotz enormer Hitze bedeckt hält, ist klar, erst recht vor der kleinen Moschee und der Schule. Wir sehen Kinder in strahlenden Schuluniformen, Leute beim Kochen in ihren Innenhöfen, kleine Cafés und Läden, bei denen wir vor dem Betreten die Schuhe ausziehen. Der Dank? Ein Lächeln und der Hinweis auf eine bis zum Rand gefüllte Gefriertruhe mit Magnum-Eis. Was es auf Dhigurah nicht gibt: Nightlife und Alkohol. Ahmed, der indische Kellner im TME Retreats, serviert dafür eigens kreierte ,,Mocktails". Herrlich: in der einen Hand ein alkoholfreier Drink, in der anderen eine Shisha, die Füße im Sand, leise Musik im Ohr.
Und dass es WLAN „nur“ in der Lobby gibt, ist eher eine Wohltat als eine Einschränkung. - CHRISTIAN HAAS
Den Blickwinkel verändern

Hier ein Meeting, da ein wichtiges Projekt, dort eine vorgezogene Deadline - Stress und Druck, wohin das Auge blickt? Fühlen Sie sich auch manchmal in einem Hamsterrad aus beruflichen und privaten Verpflichtungen gefangen? Dann wird es höchste Zeit, auf Reisen zu gehen! Auch in der Septemberausgabe unseres Magazins ,,Flugreisen" haben wir wieder ein paar Vorschläge für Sie zusammengestellt, die Ihnen Lust auf neue Ziele machen sollten. Lassen Sie sich inspirieren! - KATHRIN HAGN