Kleine Kinder kommen mit den Auswirkungen der Erderwärmung schlechter zurecht als Erwachsene. Was künftig für Kinder zu tun ist und warum der Winter trotzdem tödlicher ist.

Viel trinken ist gerade für Kinder wichtig. BILD: SN/GOROV - STOCK.ADOBE.COM
Die Ersten, die leiden, sind die Kinder. Das ist nicht nur im Krieg so, wie wir es derzeit dramatisch in der Ukraine erleben, das gilt auch für den Klimawandel. 88 Prozent der Krankheitslast, die der Erderwärmung zugeordnet wird, treffen Kinder unter fünf Jahren. ,,Einer der Gründe dafür ist, dass die Thermoregulationsfähigkeit bei Kindern noch unvollständig ausgebildet ist", schreibt die Innsbrucker Fachärztin Sabine Scholl-Bürgi in einem medizinischen Ratgeber zum Klimawandel, den jetzt die Österreichische Ärztekammer herausgegeben hat.

Kinder können demnach an sommerlichen Hitzetagen die Wärme nicht optimal abführen. Der Grund dafür ist, dass Kinder weniger schwitzen und daher zur Überhitzung neigen. Zudem ist ihre Haut im Vergleich zu Erwachsenen empfindlicher und daher anfälliger für UV-Schäden. Detto sind die Atemwege noch nicht ausgereift. ,,Luftverschmutzung vor allem in Kombination mit Hitze kann daher zu Verengungen der Atemwege führen", stellt die Medizinerin an der Universitätsklinik Innsbruck fest. „Kinder haben eine höhere Atemfrequenz als Erwachsene, halten sich mehr im Freien auf und sind daher Luftschadstoffen stärker ausgesetzt als die meisten Erwachsenen."
Übertriebene Alarmstimmung will Scholl-Bürgi nicht verbreiten, sie appelliert aber an den Hausverstand der Eltern. „An sonnigen Tagen ist vor allem die Haut entsprechend zu schützen. Wahrscheinlich wird man in Zukunft in den Ferien oder im Urlaub verschiedene Unternehmungen auf dem Berg oder am Wasser noch besser planen müssen, um Hitzestress und Sonnenexposition für Kinder weitgehend zu vermeiden."
Dass diese höhere Achtsamkeit gegenüber der Gesundheit an extrem heißen Sommertagen auch den Erwachsenen zugutekommt, liegt auf der Hand. Besonders gilt das für alte Menschen und Patientinnen und Patienten mit chronischen Vorerkrankungen, etwa der Atemwege. „Wir wissen, dass sich eine Grunderkrankung bei Hitze verschlechtern und zum Tode führen kann", schreibt Hanns Moshammer von der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin der Medizinischen Universität Wien. ,,Die Hitzebelastung kann besonders in Städten extrem sein. So verzeichneten wir in Wien während der Sommermonate eine gewisse Übersterblichkeit."
Offenbar kommt damit eine neue Entwicklung auf die Medizin zu. Bislang sind in unseren Breitengraden die Sterbezahlen im Winter höher als im Sommer. „In den 1970er-Jahren gab es in Wien zirka 60 Todesfälle pro Tag im Sommer und etwa 90 im Winter", stellt Moshammer fest. Nach der Jahrtausendwende fielen die Zahlen auf 40 im Sommer und 60 im Winter. Seither treten aber in beinahe jedem Sommer mehr oder weniger kurze Phasen auf, in denen gleich hohe Sterbezahlen wie im Winter verzeichnet werden. Extrem heiße Sommertage scheinen damit ähnlich lebensgefährlich zu werden wie der Winter mit seiner ungesunden Kombination von Kälte, Nässe und Virenlast. - JOSEF BRUCKMOSER
Im Schnitt heißt das, dass der Sommer zunehmend gefährlicher für die Gesundheit wird. Bis auf Weiteres ist freilich die höchste Achtsamkeit im Winter gefordert. Zumindest so lange, wie das Coronavirus umgeht.
Österreichische Ärztekammer (Hrsg.): ,,Medizin im Klimawandel. Ein Leitfaden für die Praxis", 96 S., 19,90 €, aerzteverlagshaus.at/shop