Taubheitsgefühle in Fingern und Hand können Alarmsignale für das Karpaltunnelsyndrom sein.

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Dieses Arztgespräch klingt wie Verkehrsnachrichten: ,,Ein Karpaltunnelsyndrom ist ein Missverhältnis zwischen Platzangebot im Karpaltunnel und dem tatsächlichen Inhalt, der da durchmuss“, erklärt Hugo Kitzinger, Facharzt für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie mit Spezialisierung Handchirurgie, im SN-Interview. Der Karpaltunnel ist ein wichtiges Sehnenfach im Handgelenk. Ist er verengt und schnürt einen Nerv ein, kommt es zu Schmerzen und Lähmungserscheinungen. 14 Prozent aller Erwachsenen litten an dieser Verengung, sagt Kitzinger, man könne von einer Volkskrankheit sprechen.
Wobei nicht das ganze Volk gleichermaßen betroffen ist: Erstens leiden Frauen drei Mal häufiger daran als Männer und zweitens tritt der Stau im Karpaltunnel besonders bei Radfahrern auf. Während man die ungleiche Verteilung zwischen den Geschlechtern nicht erklären könne, gestaltet sich die Radlerdiagnose einfacher: ,,Beim Radfahren kommt es genau zu jener Provokation, die Beschwerden auslöst", sagt Kitzinger: „Das Handgelenk ist in einer Streckstellung und es kommt eine Belastung drauf. Beides lässt ein Karpaltunnelsyndrom, das vielleicht schon unterschwellig vorhanden ist, sich dann richtig bemerkbar machen." Schlafen die Hände ab und zu beim Radfahren ein, ist es noch nicht tragisch. Wird man aber mehrfach in der Nacht wach, weil die Hand eingeschlafen ist und schmerzt, oder fühlt sich eine Hand zunehmend bamstig an, dann rät Kitzinger zur medizinischen Abklärung.
Abseits einer Operation sind die Behandlungsmöglichkeiten eingeschränkt. „Der Platzmangel lässt sich mit physikalischen Therapien, Dehnungsübungen oder Massagen nicht wegzaubern", sagt Kitzinger. Verbesserung bringt eventuell eine Nachtlagerungsschiene, die das Handgelenk gerade hält. Bei großen Schmerzen hilft es, ,,ultraschallgezielt Kortison zu infiltrieren".
Eine dauerhafte Druckentlastung für den Nerv im zu engen Tunnel und Schmerzbefreiung bietet aber nur die Operation. Kitzinger hat über 6000 durchgeführt und sich mit Kollegen im Karpaltunnel-Zentrum Wien darauf spezialisiert. Wobei bei ihm die Zahl der Revisionsoperationen, wo nachoperiert werden muss, weil die erste Operation nicht optimal verlaufen ist, bei 20 Prozent liege. Kitzinger rät Patienten, sich vor einer OP auf der Homepage der Österreichischen Gesellschaft für Handchirurgie (www.handchirurgen.at) zu informieren, denn ,,es ist eine Nervenoperation und deswegen keine 08/15-Angelegenheit". Die Erfolgsquote von rechtzeitig (drei Monate nach der Diagnose) und korrekt durchgeführten Operationen liegt bei 98 Prozent - und der Stau in der Hand löst sich auf. - WOLFGANG MACHREICH