Dahoam - Der Frühling sprießt

Wo wir dahoam sind

Straßen gibt es seit 6000 Jahren, die unsere Altvorderen benützt, an denen sie sich orientiert haben. Aber eine Häusernummerierung, wie wir sie heute gewohnt sind, gibt es erst seit 150 Jahren. Abgeschaut in Paris.

Demnach beginnt die Straße linker Seite mit Nr. 1, rechts mit Nr. 2 (ausgerichtet auf das jeweilige Rathaus). Schon früher waren derartige Hausnummern in Venedig, Wien und interessanterweise in St. Gilgen in Übung.

Eine Durchnummerierung der 1122 Gebäude in der Stadt war schon anno 1800 notwendig geworden, als die 16.000 Einwohner 12.000 Soldaten des napoleonischen Heers einquartieren mussten.

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HANS SPATZENEGGER


Die Vorstädte Mülln, Nonntal, Äußerer Stein begannen ebenfalls mit der Nr. 1. Die Übersichtlichkeit wuchs, als dann 1802 die Schilder mit den Straßennamen, jeweils an den Eckhäusern, angebracht wurden. Die „Städtische Sicherheitswache" bestand übrigens damals schon aus 24 Mann. Früher hatten sich vier Tagund 16 Nachtwächter um das gesamte Stadtgebiet gesorgt.

Seit dem Mittelalter existierten in den Städten und auf dem Land Wege mit Flurnamen (Moos) oder durch ihre Rolle im Alltagsleben bzw. der dort Werkenden bestimmt (Lederer, Schweigmühle, Pechbrocker - ab 1873 Erhardgässchen). Märkte waren es, die in allen Siedlungen eine Struktur vorgaben; je nach Angebot: Fisch (Hagenauerplatz), Brot (Waagplatz), Holz (Residenzplatz), Heu (beim Höllbräu). Dazu Gassen, die sich lokal erklären: Loreto-, Spital-, Schanzlund Gstättengasse oder eben ,,bei den Kuttelwaschbänk" am Gries.

Häuser und Bauernhöfe trugen meist die Namen ihrer Besitzer, und das über deren Tod hinaus: Ritzerbogen, Krimpelstätter, Edmundsburg (Abt von St. Peter), Fondachhof (Johann von Tach). Im ,,Deibl-Haus" (Teil der Blauen Gans) verewigte sich der gleichnamige Hofoboist und Mozart-Freund.

Kreativ manche Bezeichnungen der Gaststätten: ,,Goldenes, Weisses Kreuz", ,,Halber Mondschein“, ,,Mohrenkopf", „Die 3 Alliierten“ (Hagenauerplatz 1), ,,Goldener Frieden“ („Hier wird nicht g'rauft und g'stritten"). Zunft- und Handwerkszeichen wiesen auch Schriftunkundigen den Weg: nicht zu übersehen etwa das Steckschild der „Hölle" (heißt übrigens wegen der dortigen Niederung so, nicht wegen der „Sünde"), diskret hingegen die Marmorstele, die „Laibund strutzen" verheißt (Backstube St. Peter). Häufig und beliebt die Tiernamen: vom Rössl und der Gans bis zum „Hirschen" und dem Lamm. Beim „Sieben Weiber Haus" (Steingasse 3) verspricht der Name zu viel: Ein Schuster, der hier im 15. Jahrhundert wohnte, hieß so. Der ,,Sauerweinwirt" (Sigmund-Haffner-Gasse 4) änderte dann einmal aus verständlichen Gründen die Aufschrift und nannte sich Zum Elefanten". Der „Bettelumkehrwirt" (Steingasse 103) sollte als „Stopp-Tafel" verstanden werden, die ,,Bierjodlgasse" jedoch nicht zu nächtlichem Gesang anregen (Jodl= Abkürzung von Jodok).

Eine gezielte Namensgebung der Straßen setzte im 19. Jahrhundert ein, im Zuge der Stadterweiterung. Die inzwischen häufigste Veranlassung ist ja, die Erinnerung an ein Ereignis oder an eine Persönlichkeit zu manifestieren: angefangen von den Landeshistorikern Vierthaler, Hübner, Zauner; 1895 immerhin auch Paracelsus. Die Festspielgründer Reinhardt und Hofmannsthal schafften es 1936 bzw. 1950, die Mozart-Familie überhaupt erst 1948; bei Goethe (1969), Luther und Waggerl (1983) dauerte es einige Jahre. Die Anführer der Bauernkriege traten in der NSZeit als Namensgeber in Erscheinung. Die NS-Opfer sowie die ehemaligen Bürgermeister sind über die Stadt verteilt, der Kirchengründer Rupert und einige seiner Nachfolger ,,siedelten“ sich in Schallmoos und in der Neustadt an. Nur dem großen Wohltäter Sigmund Haffner war es vergönnt, dass die prominente ,,Kirchgasse" seinetwegen geändert wurde (1873). Was auch Maestro Karajan gelang, dem 1991 der Erbauer des Neutors, Erzbischof Sigismund von Schrattenbach, weichen musste. Von den rund 600 Namen der Salzburger Verkehrsflächen sind höchstens 17 Prozent nach Frauen benannt!

Haus- und Straßennamen spiegeln also ein Stück Geschichte sowie den jeweiligen Zeitgeist wider. Ein Hausherr in Gamp (Hallein) schrieb auf sein Haus: ,,Wer bauet an den Strassen, muss die Leute reden lassen."


Kurioses aus Salzburg

Die "Hundsgräfin"

Vor vielen Jahren hatte sich Emilie Freiin von Wolfsberg, geb. Kraus (1785-1845), in Salzburg zur Ruhe gesetzt. Von Kaiser Napoleon geadelt, dem sie 1805 ob ihrer Schönheit von ihrem Ziehvater Philipp von Mainoni bei einem Wien-Aufenthalt zugeführt worden war. Seitdem begleitete das Kind armer Eltern den französischen Kriegsherrn auf mehreren seiner Feldzüge - als Page verkleidet. Sogar einen Sohn soll sie ihm geboren haben, der vom Wiener Ehepaar Megerle adoptiert worden ist und es sogar als Abgeordneter in den Reichsrat schaffte! 

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HANS SPATZENEGGER

In Gnigl bezog sie 1828 den Rauchenbichlhof, dessen 19 Zimmer sie mit ihrer Dienerschaft und einem Haufen von Tieren, darunter Vögel, Affen, Pfaue, Pferde, Esel und besonders viele Hunde, bestens verköstigt, bewohnte. Weshalb sie bewundernd wie auch abschätzig ,,Hundsgräfin" genannt wurde. Solange die Abfertigung von Napoleon reichte, ging dieses ,,Luxustierheim" gut. Boshaftigkeiten und Diebstähle setzten ihr und ihren Mitbewohnern jedoch immer mehr zu und ließen sie schließlich verarmen. Eine turbulente Vergangenheit mit tragischem Ausgang. Auf ihrem Grabstein auf dem Gnigler Friedhof steht: ,,Wer frei von Schuld und Fehlern, der werfe den ersten Stein nach ihr."

Jagdbild für Göring

Nach der Okkupation Österreichs durch Hitlerdeutschland 1938 wollte sich die beflissene Salzburger Stadtverwaltung beim Reichsmarschall Hermann Göring sogleich beliebt machen. Für den Reichsjägermeister wurde also ein repräsentatives Jagdbild gesucht und im Kloster St. Peter gefunden: Gemalt um 1680 von C. P. List, stellt es Fürsterzbischof Max Gandolf von Kuenburg dar mit seiner Jagdbeute. Bald zierte es also Görings Sammlung in seiner Residenz Carinhall, von wo es 1945 ein amerikanischer Soldat ,,als Souvenir" mit heimnahm. Nach Jahren erhielt St. Peter das Bild zwar zurück, allerdings gegen Bezahlung. Heute ist es im Domquartier zu besichtigen.

Ironie der Geschichte: Einmal hatte der Kunstsammler Göring irgendwo ein Bild sogar käuflich erworben - ,,Christus und die Ehebrecherin" (im Stile Jan Vermeers). Und ausgerechnet diese Arbeit stellte sich nach 1945 als Fälschung heraus!

Vor 70 Jahren

In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die amerikanische Besatzungsmacht in Salzburg das Sagen: Erst 1953 wurde die Postzensur abgeschafft, die Visapflicht bei Besuchen in Bayern aufgehoben und die Lebensmittelkarten wurden eingestellt. - Großflächige Polizeiaktion gegen ,,Ami-Girls". -

In Nonntal fand die Einweihung eines Ehrenmals für die Gefallenen beider Kriege statt, bei der ein Ritterkreuzträger in Luftwaffenuniform lebhafte Diskussionen in in- und ausländischen Medien auslöste, wegen des geltenden NS-Uniformverbots. - 30 Heimkehrer kommen aus russischer Gefangenschaft zurück. - Das landwirtschaftliche Gut Taxham wird für den dringenden Wohnbau freigegeben. - In St. Elisabeth beginnt Pfarrer Franz Wesenauer mit dem Bau einer Friedenskirche. - Karl Heinrich Waggerl liest bei der Buchwoche, Thomas Bernhard in der Gesellschaft volksnaher (!) Kunst!