Journal Schule

"MINT bedeutet, das Lernen neu zu denken" 

Innovatives und begeisterndes Lehren in Mathematik, Informatik, Technik und den Naturwissenschaften: Wie das gelingen kann? In der Bildungsdirektion wird daran getüftelt.
SANDRA BERNHOFER

BILDER: SN/ADOBE STOCK/KIRILL_MAKAROV, SN/PRIVAT

SALZBURG, BERGHEIM. Valentin Stiegler ist seit Beginn des Schuljahres MINT-Koordinator der Bildungsdirektion des Landes Salzburg. Dabei kommt ihm sein Einblick in die Praxis zugute: Er unterrichtet elf Stunden an der Mittelschule in Bergheim Physik, Biologie, MINT und den Wahlpflichtgegenstand Natur und Technik. Die SN haben mit ihm über anstehende Projekte und Herausforderungen gesprochen.

SN: Herr Stiegler, Ihren Posten gibt es seit diesem Herbst neu. Warum braucht es ihn?
Valentin Stiegler: Das Angebot im MINT-Bereich ist inzwischen so vielfältig, dass es schwierig ist, den Überblick zu bewahren: Es gibt Schulen mit MINT-Gütesiegel, schulautonome Wahlpflichtfächer, Angebote, die unabhängig von der Schule von jungen Menschen genutzt werden können. Meine Aufgabe ist es, sämtliche MINT-Themen im Bildungsbereich zu koordinieren und zu strukturieren und dabei auch Schulen untereinander sowie mit den Hochschulen und lokalen Betrieben zu vernetzen. Außerdem zeige ich Lehrpersonen auf, welche Angebote es in der Umgebung gibt, die zu ihrem jeweiligen Unterrichtsthema passen.

SN: MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Kaum ein Bereich kommt heute ohne eines dieser Themen aus. Wo ist die Schwelle? Wann spricht man von MINT?
Das Wesentliche ist das Mindset: Bei MINT geht es ganz viel um das Vernetzen, darum, weg vom Fächerdenken zu kommen. Wenn ein Schüler im Mathematikunterricht nicht weiß, wofür er eine Formel brauchen kann, dann ist diese aus Sicht des Schülers extrem mühsam zu lernen. Und immer wenn Lernen mühsam ist, dann bringt es auch wenig. Mit einem MINT-Mind denkt man das Lernen neu: Theorie wird praktisch erlebbar gemacht.

SN: Wie ist Ihr Interesse an MINT geweckt worden?
Mir ist das gewissermaßen in die Wiege gelegt worden: Mein Vater ist im technischen Bereich tätig; ich bin in einem Haus aufgewachsen, in dem MINT immer Thema war, sei es wenn es um die Energieversorgung eines Hauses geht oder um Mobilität. Mein Interesse in diese Richtung ist natürlich auch gefördert worden. Später habe ich die Höhere Bundeslehranstalt in Ursprung mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt besucht, dann Physik und Biologie studiert.

SN: Sie hatten also ein Vorbild. Wie können Lehrkräfte zu Vorbildern werden – auch wenn es darum geht, Geschlechterklischees aufzulösen?
Wichtig ist, dass man als Lehrperson den Gedanken hinter MINT selbst lebt und sich aktiv mit der Thematik auseinandersetzt. Im Schulalltag ist dafür das Fort- und Weiterbildungsangebot der Pädagogischen Hochschule eine gute Hilfe. Lehrkräfte an den MINT-Schwerpunktschulen etwa haben die Pflicht, an einem Fach teilzunehmen, wo es darum geht, die Standorte zu vernetzen und den Austausch zu erleichtern, damit man nicht sechs Mal das Rad neu erfinden muss. Es gibt auch Kurse zu Roboterentwicklung, zu Umwelt und Weltraum oder zu digitalen Tools für den Unterricht. Genauso ist auch Thema, wie man Mädchen für MINTbegeisternkann.Manweiß mittlerweile aus sämtlichen Studien, dass es dieses „Ein Mädel spielt nur mit Puppen und ein Bub nur mit Autos“ nicht gibt. Das ist etwas Vorgelebtes. Die Rolle der Vorbilder ist in dem Zusammenhang natürlich immens. Und wir Lehrerinnen und Lehrer versuchen hier zu vermitteln, dass ein Mädchen eine technische Fragestellung genauso lösen kann. Vielleicht über einen anderen Zugang. Ein Mädchen interessiert sich vielleicht für ein gewisses Tier und kann das als Anker nehmen, um in ein technisches Thema einzusteigen. Von welcher Seite es sich angenähert hat, macht keinen Unterschied. Das gehört sicher mehr in den Köpfen der Bevölkerung verankert.

SN: Warum ist es wichtig, diesen sogenannten Gendergap zu schließen?
Die Herausforderungen unserer Zeit können wir mit der Denkweise, in der wir uns in den vergangenen Jahrhunderten festgefahren haben, nicht lösen. Umso wichtiger ist es, dass wir Diversität auch im Kontext MINT leben und so andere Lösungen finden.

SN: Welche MINT-Angebote gibt es dazu an den Salzburger Schulen?
Generell gibt es seit vielen Jahren zahlreiche naturwissenschaftliche Projekte an Schulen, getragen von begeisterten Lehrpersonen. Zusätzlich werden aktuell einzelne Pilotschulen mit dem ,,Robo Wunderkind" und dem ,,digi.case" ausgestattet. Damit können Kinder spielerisch in das programmierende Denken eintauchen nicht am Computer, sondern mithilfe eines mechanischen Baukastens. Schulautonom können Klassen etwa die MINT-Labs in der Science City Itzling besuchen. Neu seit diesem Herbst gibt es an sechs Salzburger Mittelschulen als Schulversuch eine MINT-Schwerpunktklasse.

Was es über die Schule hinaus gibt, hat die Koordinationsstelle MINT Salzburg gesammelt - dieser Angebotskatalog bringt Salzburg in eine sehr gute Rolle, was die MINT-Landschaft angeht. Wir sind nun dabei, dieses Angebot speziell für Schulen neu zu strukturieren. Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen über eine Suchmaske herausfinden können, welche Angebote es für ihre Schulstufe und ihr Thema in ihrer Umgebung gibt.

SN: Außerdem gibt es die Spürnasenecke in den Kindergärten. Warum ist es?
Das hilft, mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik nur etwas für Nerds seien. Es gibt in jedem Bereich Dinge, die interessant sind und für die man offen bleiben sollte. Je früher man diesen Dingen begegnet, desto einfacherist das.

SN: Wie kann man sich eine Stunde in „Schwerpunktfach MINT“ vorstellen?
MINT vernetzt und verknüpft Inhalte, die in anderen Fächern durchgenommen werden, damit sie leichter verständlich werden. Es geht ums Forschen und Experimentieren, darum, Dingen selbst und eigenverantwortlich auf den Grund zu gehen. In meiner Klasse setzen wir uns gerade mit dem Thema Luft auseinander. Wir lernen: Was ist Luft, welche Eigenschaften hat sie, warum brauchen wir sie? Wir setzten außerdem ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Uni Salzburg um, bei dem die Schülerinnen und Schüler Bäume mit Sensoren besetzen, um die Luftqualität zu untersuchen. Über die Auswertung der Daten ist der informatische Zugang da, der naturwissenschaftliche durch das Thema, der technische über die Arbeit mit den Sensoren und wenn man dann mit den Zahlen rechnet, hat man Mathematik auch dabei.

SN: Wie nehmen Ihre Schülerinnen und Schüler das neue Fach an?
Ziel ist es nicht, eine Elite zu formen, sondern Interesse und Motivation zu fördern. Und dieses Interesse ist da: Die Kinder staunen, gehen in ihrer Rolle als Forscher richtig auf–Schülerinnen und Schüler gleichermaßen.

Valentin Stiegler ist neuer der BilMINT-Koordinator dungsdirektion.
Valentin Stiegler ist neuer der BilMINT-Koordinator dungsdirektion.

SN: Was empfehlen Sie jungen Menschen, wenn es um die Wahl des Schultyps geht?
Grundsätzlich ist das österreichische Schulsystem sehr durchlässig. Das heißt, sowohl nach der Mittelschule als auch nach der Unterstufe eines Gymnasiums kann man in eine Lehre, einGymnasium oder eine berufsbildende Schulewechseln.ZurHochschulreife kann man genauso auf vielen verschiedenen Wegen gelangen. Da gibt es kein Richtig oder Falsch. Das ermöglicht, dass man bei der Schulwahl neben bestehenden Beratungsangeboten auch auf sein Bauchgefühl hören kann. Auch was MINT betrifft: Man muss nicht von vornherein gut in Mathematik und Co. sein. Mit Interesse, Motivation und Freude lassen sich die spannendsten Wege beschreiten.