Journal Schule

Wo es Gold und die Matura gibt

Die Schule als Teenager für den Traum von der Karriere hinschmeißen - das funktioniert nicht. Besser: Parallel den Schulabschluss erreichen. Wie das geht? Die SN haben bei Verantwortlichen nachgefragt - und bei Medaillenmachern. MICHAELA HESSENBERGER

Thomas Wörz ist Geschäftsführer des ,,SSM/NachwuchsleistungssportModells Salzburg". Er fördert junge Sportstars ab zehn Jahren. BILD: SN/SSM

SALZBURG. Gleich vorweg: Ja, als junger Mensch kann man durchaus Karriere machen. Und nein, ohne Schule wird das nicht gelingen. Der Grund? ,,Grundsätzlich haben wir in Österreich die Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahr. Das meint in den häufigsten Fällen einen gültigen Lehrvertrag, eine Ausbildung im Gesundheitsbereich, den Besuch einer Einrichtung, die auf die Externistenprüfung vorbereitet - oder eben den klassischen Schulbesuch. Einfach von der Schule pausieren kann niemand." Das stellt der Salzburger Bildungsdirektor Rudolf Mair klar.

In dieselbe Kerbe schlägt das Bildungsministerium in Wien: ,,Denkbar wäre allenfalls eine Erfüllung der Schulpflicht durch Teilnahme am häuslichen Unterricht“, heißt es von dort. In Salzburg gibt es jedoch noch einen anderen - erfolgreichen - Weg.

,,Niemand soll den Spaß an den Wettkämpfen verlieren."
Thomas Wörz, Geschäftsführer Schulsportmodell

Denn warum sehen wir immer wieder Mädchen und Burschen auf den Fernsehbildschirmen Musikkonzerte geben oder Sportmedaillen erringen, obwohl sie noch nicht volljährig sind? „Da haben wir Modelle", sagt Mair mit verheißungsvollem Unterton. Immerhin gebe es im Salzburger Land etliche junge Ausnahmetalente, ob in Musik, Sport oder auch in den Naturwissenschaften. Besuchen sie die für sie passenden Schultypen, dann genießen sie jede Menge Fördermöglichkeiten, wie der Bildungsdirektor erklärt. Mit Blick auf die Fußballerinnen und Fußballer, Skifahrerinnen und Skifahrer weist er auf das Salzburger Schulsportmodell hin. ,,Ich halte es so", sagt er, dass Leistungssportlerinnen und -sportler 51 Prozent in ihre Bildung und 49 Prozent in ihren Sport investieren sollten." Denn: ,,Wenn Karrieren nicht so gut laufen wie vorgestellt, dann tragen wir die Verantwortung dafür, dass die Talente mit einem guten Abschluss aus ihrer Bildungsbiografie aussteigen und ganz in ihr eigenes Leben eintauchen."

Teamarbeit für junge Karrieren

Also lohnt ein genauerer Blick auf das Schulsportmodell. Die Eishockey- und Fußballtalente des Landes kommen etwa im Christian-Doppler-Gymnasium in der Landeshauptstadt zusammen, am Realgymnasium für Sport und Musik in der Salzburger Akademiestraße alle anderen Sportarten, etwa die Segler oder die Fechter. ,,Diese Mädchen und Burschen sind gefordert", sagt Rudolf Mair. Denn wenn sie sich entscheiden, gleichzeitig zu lernen und zu trainieren, dann haben sie fünf statt vier Jahre und damit ein Jahr länger Zeit als andere Schülerinnen und Schüler, um ihre Matura zu machen.

Wie sich diese beiden Ziele vereinen lassen, weiß Thomas Wörz. Er ist Geschäftsführer des ,,SSM/Nachwuchsleistungssport-Modells Salzburg", kurz des Schulsportmodells. Gemeinsam mit seinem Team aus Sportwissenschaftern, Psychologen, Ernährungsberatern, Trainern und den Lehrenden verbindet er die sportliche Betreuung der Jugendlichen und das Lernen in Abstimmung mit den Schulen. Rund 420 Jugendliche betreuen er und sein Team aktuell. ,,Unsere Arbeit an unseren vier Standorten beginnt mit den Zehnjährigen in der Unterstufe", berichtet Wörz im Gespräch mit den Salzburger Nachrichten". Ihr gemeinsames Ziel für die Talente: ,,Den erfolgreichen schulischen Abschluss zu gewährleisten und dabei in der sportlichen internationalen Karriere möglichst weit nach zu oben kommen." Mädchen und Burschen aus der Unterstufe bleiben bei den gewohnten vier Jahren für diesen Abschnitt, die Oberstufe wird hingegen gestreckt. Demnach haben sie ein Jahr länger Zeit, um die Matura zu machen.

Manches läuft für die Sportler anders

Ob die jungen Leute zwischen Training und Adrenalinkicks bei Wettbewerben überhaupt den Kopf für Mathematik, Deutsch und Englisch haben? Wörz nickt. Er erzählt von strahlenden Augen, wenn die Mädchen und Burschen in das Schulsportmodell einsteigen. ,,Sie haben den Wunsch, bei einer Weltmeisterschaft oder bei Olympischen Spielen teilzunehmen. Klar, aus ihrer Perspektive heraus wollen sie wegen des Sports in unserem Modell sein." Ganz offensichtlich sei seinen Schützlingen ihre Sportart unglaublich wichtig und ein fixer Bestandteil ihres Lifestyles. Doch auch das Lernen habe seinen Stellenwert und es gebe genug Erleichterungen und Begleitungen im teils recht stressigen Alltag. So gibt es beispielsweise Förderstunden und nach Wochenenden mit Wettkämpfen finden montags keine Schularbeiten statt. Dafür sind die anderen Wochentage besser geeignet. Gemeinsam zu lernen und zu trainieren habe viele positive Nebeneffekte, sagt der Schulsportmodell-Geschäftsführer. ,,In einer Klasse sitzen Talente in zehn oder 15 Sportarten. Das fördert das gegenseitige Verständnis und den Respekt voreinander." Die Schülerinnen und Schüler lernen früh, mit mental herausfordernden Situationen umzugehen, effizienter zu reagieren und ihre Erholung nach der Belastung zu managen.

Apropos Belastung: „Wir sind so direkt an den Talenten dran, dass wir ihre Gesamtbelastung gut im Blick haben können. Wenn diese zu hoch wird, reduzieren wir die Trainingseinheiten. Wenn schulisch Engpässe entstehen, rüsten wir eben dort nach. Wir haben also ein durchgängiges Screening laufen, damit die Kinder nicht überfordert werden. Gleichzeitig lernen sie Selbst- und Zeitmanagement, während wir optimale Voraussetzungen für einen gesunden Hochleistungssport schaffen, der ohne Balanceverlust auskommt", berichtet Thomas Wörz.

Erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler (v. I.): Sarah Baumgartner (SSM-Schülerin, Leichtathletik, Platz 6 EYOF-Stabhochsprung), Sebastian Slivon (SSM-Schüler, Segeln, WM-Gold U21), Thomas Wörz (SSM-Geschäftsführer und sportlicher Leiter), Luka Mladenovic (SSM-Schüler, Schwimmen, WM-Gold/-Silber/-Bronze Junioren). BILD: SN/SSM
Erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler (v. I.): Sarah Baumgartner (SSM-Schülerin, Leichtathletik, Platz 6 EYOF-Stabhochsprung), Sebastian Slivon (SSM-Schüler, Segeln, WM-Gold U21), Thomas Wörz (SSM-Geschäftsführer und sportlicher Leiter), Luka Mladenovic (SSM-Schüler, Schwimmen, WM-Gold/-Silber/-Bronze Junioren). BILD: SN/SSM

Verständnis und kein Druck

Er selbst ist seit dem Startschuss für dieses Modell im Jahr 1986 mit dabei; anfangs war er Betreuer, 1994 hat er die Leitung übernommen. Seither habe sich die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer beinahe vervierfacht. Wie es sich anfühlt, auf Bewerbe hinzufiebern und dann die beste Leistung abzurufen, weiß er auch. ,,Ich habe selbst im Viererbob an Olympia teilgenommen und bin Leichtathletik-Staatsmeister." Weil er neben dem Sport auch seine Studien vorangetrieben hat, kann er heute als Trainer, Psychotherapeut und Sportwissenschafter arbeiten. Sein Erfolgsrezept? „Die Menschen, mit denen ich arbeite, müssen spüren, dass ich Kinder und Jugendliche mag. Wir wollen ja keine Sportmaschinen heranzüchten, sondern mit den Kindern positiv in andere Welten eindringen. Dabei pflegen wir keine Monokultur, in der wir ihnen vermitteln: ,Du bist jetzt nur mehr Spitzensportler", betont er.

Zwölf angestellte Betreuer sind im Schulsportmodell dabei, die Hälfte Frauen, die Hälfte Männer. „Wir legen wirklich Wert darauf, dass niemand die Lust und den Spaß an den Wettkämpfen verliert. Alle sollen gern teilnehmen und nicht wegen Angst oder Druck." Und wenn es mit der langen sportlichen Karriere nicht ganz klappt, dann freut sich Wörz darüber, seine Absolventinnen und Absolventen in den unterschiedlichen Lebensbereichen wiederzutreffen - von der Wirtschaft bis in die Medizin. Der profunden schulischen Ausbildung bis hin zur erfolgreich abgelegten Matura sei's gedankt.