Salzburg 100

,,In den 30ern ging man zum Radiohören ins Café"

Zeitungen, Radio- und Fernsehgeräte waren lange Zeit kostspielige Anschaffungen. Zum Nachrichtenhören oder für den Wetterbericht traf man sich im Kaffeehaus.

Salzburger Fußballfreunde verfolgen ein Fußballländerspiel im Café Engljähringer. Foto vom 4. Dezember 1954 in den ,,Salzburger Nachrichten".

Warum die Menschen ins Kaffeehaus gehen, hat viele Gründe. Oft steht dabei ein geselliger Aspekt im Vordergrund. Wo sonst als im Café kann man entspannt zusammensitzen, Zeitung lesen und plaudern, die Zeit vergessen und ab und zu an einem Kaffee nippen.

Bereits im Jahr 1700 wurde das erste Kaffeehaus in Salzburg eröffnet. Und zwar von dem aus Frankreich stammenden Jean Fontaine, der am 31. März die Genehmigung zum Verkauf von Tee, Kaffee und Schokolade beziehungsweise Kakao erhalten hatte. Eine geeignete Räumlichkeit fand er in einem Gewölbe in der Goldgasse 40, der heutigen Nummer 5. Nach Fontaines Tod wechselte das Kaffeegewölbe mehrfach den Besitzer, bevor es 1753 von Anton Staiger übernommen wurde und 1764 auf den Alten Markt übersiedelte. Das Café Staiger, wie es nun hieß, wurde das erste große Kaffeehaus der Stadt. 1852 übernahm der Zuckerbäcker Carl Tomaselli das Café und benannte es in Café Tomaselli um.

In den 1860ern kam es schließlich zu einer Welle von Kaffeehausneugründungen, hervorgerufen durch eine neue, gelockerte Gewerbeordnung. Rasch entwickelten sich die zahlreichen Cafés zum Treffpunkt der unterschiedlichen sozialen Gruppen des Salzburger Bürgertums. Nicht nur das Getränkeangebot, auch dargebotene Livemusik und ein vielfältiges Angebot an Spielen luden zum Verweilen ein. Vor allem Billardtische zählten lange Zeit zur Grundausstattung eines Cafés, selbst in Fontaines Cafégewölbe gab es bereits einen Billardtisch.

Zum Zeitunglesen ins Café
Cafés dienten aber nicht nur der Unterhaltung der Bevölkerung, sondern waren immer schon Stätten der Information und Kommunikation. Bereits in den 1830er-Jahren bot das - damals noch - Café Staiger den Gästen zwei französische Zeitungen an. Darüber hinaus gab es - auch in anderen Kaffeehäusern der Stadt-meist deutsche und österreichische Tages-, Wochen- und Monatszeitungen. ,,Die Leute haben aufgrund der Kosten und aufgrund der Auswahl an Zeitungen und Zeitschriften, die es in den Cafés gab, im Kaffeehaus gelesen", weiß Christian Flandera vom Salzburg Museum. „Sich eine Zeitung beziehungsweise ein Abo zu leisten war damals durchaus teuer. Manche Kaffeehäuser haben sogar versucht, vor allem die Wochenzeitungen über Annoncen weiterzuverkaufen, sobald die nächste Ausgabe herausgekommen ist, um so einen Teil ihrer Investitionen zurückzubekommen."

Auch vom Café Lobmayr, 1839 von Simon Lobmayr im Ritzerbogengebäude am Universitätsplatz eröffnet, ist überliefert, dass es von der bürgerlichen Elite neben dem Spiel (neben Billard waren auch verschiedene Kartenund Brettspiele beliebte Spiele, die in nahezu allen Kaffeehäuser zu finden waren) vor allem auch zur Konversation und zur Lektüre genutzt wurde. 1870, nach dem Tod Lobmayrs, übernahm der Cafetier Heinrich Endres die Lokalität, die er - modernisiert und vergrößert-1876 unter altem Namen neu eröffnete. Er bewarb sein Café nicht nur mit ,,vorzüglichen Kaffeehausgetränken", „aufmerksamer Bedienung" und „ganz neuem Billard", sondern auch mit ,,zahlreichen Zeitungen", die im Kaffeehaus auflägen. Und zahlreich" war hier wirklich nicht übertrieben. Neben den lokalen Presseerzeugnissen gab es diverse überregionale Blätter, Zeitungen aus dem deutschen Ausland sowie regionale Blätter aus Tirol und Oberösterreich. Ein Großteil der Lektüre war dabei deutschnational bis deutschradikal. Neben den Zeitungen gab es außerdem noch Witzund Satireblätter, manche davon eher erotischer Natur, aber auch illustrierte Boulevardzeitschriften.

In den 20em des 20. Jahrhunderts wurde den Zeitungen gar noch ein anderer Zweck für Kaffeehausbesucher- und inzwischen auch Kaffeehausbesucherinnen-zuteil. Und zwar kommunizierten diese zum Teil über Zeitungsannoncen miteinander. Bekannt ist beispielsweise eine Annonce, in der zwei Damen, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt im Café Lohr befunden hätten, um ,,ehrbare Bekanntschaft" gebeten wurden.

Zeitungsausschnitt aus den SN von 1955.
Zeitungsausschnitt aus den SN von 1955.

Radio und Fernsehen locken Gäste an
Ab 1930 fanden die ersten Radios Einzug in Salzburgs Cafés und wurden dort zum wichtigen Bestandteil des Kaffeehausangebots. So lieferte etwa der Radiosalon Morawetz am 9. November 1930 stündlich die neuen Wahlergebnisse der Nationalratswahl an spezielle Kaffeehäuser der Stadt. Für die Bewohner Salzburgs ein wichtiges und attraktives Angebot, schließlich konnte sich kaum ein privater Haushalt zur damaligen Zeit selbst ein Radiogerät leisten.

,,In den 30er-Jahren ist man zum Radiohören ins Café gegangen", erzählt Flandera, ,,die Cafés haben ihr Radioangebot auch in den Zeitungen fleißig beworben, das Café Pitter zum Beispiel hat immer annonciert, wann ein Fußballländerspiel übertragen wird." Das Café Krimmel bot bisweilen gar Radiokonzerte an und das Café Lohr warb mit der Radioübertragung des täglichen Wetterberichts um 22 Uhr.

1947 wurde das Café Winkler am Mönchsberg eröffnet. Mit seinem vielfältigen Angebot an Liveund Tanzmusik traf es ganz und garden Geschmack der Leute, die sich nach dem Krieg nach ungezwungener Unterhaltung sehnten. Auch die Medien spielten dabei eine wichtige Rolle. Nicht nur veröffentlichten die Salzburger Tageszeitungen regelmäßig Berichte über diverse Konzertangebote, sondern es fanden auch populäre Veranstaltungen unter Mitwirkung der lokalen Medien statt. So wurden etwa bunte Tanzabende des Senders Rot-WeißRot im Café Winkler moderiert, auch Liederabende fanden unter Mitwirkung des Radiosenders im Winkler statt.

1954 gab es schließlich im Café Engljähringer in Maxglan den ersten Fernseher in Salzburg. Eine neue Attraktion, die laut Christian Flandera wiederum viele Gäste anlockte. Ob Wetterbericht, Fußballspiel oder politische Nachrichten wie Wahlergebnisse - ,,all diese Sachen, die uns heute selbstverständlich und über Internet und Handy sofort verfügbar sind, hat man damals quasi nur dann live mitbekommen, wenn man zum Radiohören oder Fernsehen ins Kaffeehaus gegangen ist."