Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind seit Jahrzehnten weltweit die häufigste Todesursache. Im Jahr 2021 starben 20,5 Millionen Menschen an kardiovaskulären Erkrankungen. Dies entspricht einem Drittel der weltweiten Todesfälle. Auch in Österreich liegt der Anteil mit 34,7 Prozent bei etwas mehr als einem Drittel. Da kardiovaskuläre Erkrankungen zu einem Großteil als vermeidbar gelten, spielt Prävention eine wichtige Rolle.
Vieles wurde nicht ausreichend analysiert
Nahrungsergänzungsmittel wie Fischölkapseln, welche die Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) enthalten, werden oft damit beworben, dass sie sich positiv auf die Herz- und Gehirnfunktion, den Blutdruck sowie den Cholesterinspiegel auswirkten. Doch die wissenschaftliche Studienlage ist bei Weitem nicht einheitlich. Einerseits konnten positive Wirkungen von EPA und DHA in Bezug auf die Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zwar durch zahlreiche Studien bestätigt werden, andererseits wurde ihnen in mehreren groß angelegten Studien aber eine mangelnde Effektivität nachgesagt.
Generell lässt sich feststellen, dass sich ein Großteil der bisherigen Studien zum Zusammenhang einer Nahrungsergänzung mit marinen Omega-3-Fettsäuren und kardiovaskulären Erkrankungen auf lediglich eine gesundheitliche Auswirkung beschränkte, wie beispielsweise die Prävention von Herzinfarkten. Auch wurde der Einfluss auf den fortschreitenden Verlauf von Herz-Kreislauf-Erkrankungen - vom gesunden Zustand zu Vorhofflimmern über schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse bis hin zum Tod - bisher nicht analysiert.
In einer kürzlich im "British Medical Journal" veröffentlichten Studie gingen Wissenschafterinnen und Wissenschafter dieser fehlenden Beweislage nach. Sie analysierten Daten von knapp 416.000 Menschen (40 bis 69 Jahre) aus der UK-Biobank-Untersuchung: Von 2006 bis 2010 wurden bei einer Grundlagenerhebung persönliche und sozioökonomische Daten, Lebensstilfaktoren und Informationen zu Erkrankungen erhoben. Auch der übliche Verzehr von fettreichem und magerem Fisch sowie die regelmäßige Supplementation mit marinen Omega-3-Präparaten wurde hierbei ermittelt.
Für Gesunde stieg das Risiko für einen Schlaganfall
Der Gesundheitszustand der Teilnehmenden wurde bis Ende März 2021 anhand von Krankenakten nachverfolgt. Dabei zeigte ein regelmäßiger Konsum von Fischölsupplementen in Abhängigkeit vom kardiovaskulären Gesundheitszustand bei Beobachtungsbeginn unterschiedliche Auswirkungen: Für Personen, die bereits an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung litten, war die regelmäßige Einnahme von Fischölpräparaten günstig. Bei bereits bestehendem Vorhofflimmern war das Risiko für ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis oder für einen Herzinfarkt geringer - um 8 bzw. 15 Prozent. Zudem war das Risiko einer chronischen Herzschwäche mit tödlichem Ausgang um 9 Prozent reduziert.
Gegensätzlich zeigten sich jedoch die Ergebnisse für jene Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, bei denen zu Beginn des Beobachtungszeitraums keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt waren. Denn für gesunde Personen erhöhte die regelmäßige Einnahme von Fischölpräparaten das Risiko, Vorhofflimmern zu entwickeln, um 13 Prozent. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, lag um 5 Prozent höher. Bei Frauen und Nichtrauchern, die regelmäßig Fischölpräparate konsumierten, war die Gefahr um 6 Prozent höher, einen Herzinfarkt bzw. einen Schlaganfall zu erleiden oder eine Herzinsuffizienz zu entwickeln.
Zusammenfassend zeigt die Studie, dass die vorbeugende Einnahme von Fischölpräparaten bei gesunden Menschen ein Risikofaktor für Vorhofflimmern und Schlaganfall sein kann. Bei Personen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann sich die Einnahme solcher Supplemente aber vorteilhaft auswirken. Dementsprechend könnten Nahrungsergänzungsmittel mit Fischöl sehr wohl eine Rolle in der Prävention spielen - nämlich dann, wenn es um die Sekundärprävention bei bereits vorliegender Herz-Kreislauf-Erkrankung geht.
Friedrich Hoppichler ist ärztlicher Leiter des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Salzburg und Vorstand von Sipcan - Initiative für ein gesundes Leben.