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Am ersten Grab von Georg Trakl 

MEIN SALZBURG ANDERSWO
von Wolfgang Machreich

Der Krakauer Friedhof Rakowicki ist wie ein Trakl-Gedicht: düster, schwarz und schwer - und gerade deswegen schön. Ein stimmiger Ort, um an den Salzburger Dichter zu denken.

Elf Jahre lag Georg Trakl hier in Krakau begraben. BILDER: SN/MACHREICH

In seinem letzten Gedicht ,,Grodek" schrieb Georg Trakl die Strophe: ,,Alle Straßen münden in schwarze Verwesung."

Am 6. November 1914 mündete das Leben des 27-jährigen Dichters ins Soldatengrab mit der Exhibit-Nummer 3570, Gruppe XXIII, Reihe 13, Grab N° 45 am Friedhof Rakowicki im Nordosten Krakaus. Trakls Sarg wurde mit sechs weiteren ,der Reihe nach in frisch aufgeworfene Einzelgräber gesenkt und ohne jede Zeremonie, ohne geistliche oder militärische Assistenz sofort zugeschüttet". Allein sein Militärbursche gab ihm ein letztes Geleit.

Heute ist der Kriegerfriedhof aus dem Ersten Weltkrieg ein mit Gras bewachsenes Feld inmitten der ansonsten eng gesetzten Gräberreihen. Nur Marmortafeln erinnern daran, dass auf diesen Parzellen des Gottesackers während des Ersten Weltkriegs ,,ca. 6700 Soldaten der Polnischen Legionen, Österreichisch-Ungarischen, Deutschen und Russischen Armee" bestattet wurden.

,,Sterbende Krieger, die wilde Klage/ Ihrer zerbrochenen Münder", lautet Trakls Todesfazit im „Grodek“-Gedicht, diesem immer und gerade in jetzigen Kriegszeiten an der heutigen Ostfront gültigen Antikriegs-Manifest.

Bei der Stadt Gródek, damals Ostgalizien, heute Westukraine, fand zu Beginn des Ersten Weltkriegs eine erbitterte und dadurch, die Opferzahlen betreffend, verheerende Schlacht zwischen österreich-ungarischen und russischen Truppen statt. Trakl nahm aufgrund seiner Lehre in der Salzburger Apotheke Zum weißen Engel in der Linzer Gasse und eines anschließenden Pharmaziestudiums in Wien als Medikamenten-Akzessist in einem Feldlazarett an dieser Schlacht teil. Als Todesgruben von Galizien" wurde die miserable Ausstattung dieses und anderer Feldspitäler nach dem Gródek-Gemetzel in der damaligen Kriegsberichterstattung gegeißelt.

Angesichts seiner Hilflosigkeit, die ins Lazarett geschleppten Schwerverletzten nicht mit ausreichend Schmerzmitteln versorgen zu können, vergrub sich Trakl in Todessehnsucht. Nach einem Nervenzusammenbruch und seinem von Kameraden vereitelten Versuch, sich zu erschießen, wurde er in das Garnisonsspital in Krakau eingewiesen. Für die täglichen Leichentransporte war damals ein Gleisstrang zwischen Friedhof und Krankenhaus gelegt. Heute braucht man zu Fuß entlang einer Krakauer Durchzugsstraße und durch einen Park keine halbe Stunde, um den Weg von Trakls Leichenzug in der umgekehrten Richtung nachzugehen.

Der Portier am Eingangsschranken des Nach-wie-vor-Militärspitals antwortet zunächst mit einem verständnislosen Blick auf die Frage nach der Gedenktafel für den österreichischen Dichter. Erst ein Bild davon am Handydisplay bringt ihn auf die Spur. Er gehe jeden Tag daran vorbei, den Dichter kenne er aber nicht. ,,Strahlender Arme Erbarmen/Umfängt ein brechendes Herz", zitiert die Gedenktafel Trakls „Gesang einer gefangenen Amsel".

Am 3. November 1914 starb Georg Trakl hier an einer Überdosis Kokain. Gefangen hinter diesen Spitalsmauern und anderen Wänden entlang seines Lebenswegs bis zu diesem Salzburg anderswo.