Dahoam

Aufmüpfige Salzburger?

MEIN BLICK ZURÜCK 

Das Germaul in den Hellbrunner Wasserspielen könnte eine Reaktion des Fürsterzbischofs auf kritische Untertanen sein. BILD: SN/SCHENKER

,,So sind wir nicht!“ (A. V. d. B.) Und zum Zeugen rufen wir den frühen Geschichtsschreiber Johann Stainhauser auf aus dem einst steinreichen Handelshaus, nach Studien in Bologna, Padua und Ingolstadt -, der in seiner dreibändigen Chronica" seine Landsleute von der Sintflut bis zum Jahr 1610 beschreibt: als fürsterzbischöfliche Untertanen ausgesprochen konditioniert, weil hier ja ,,ohne Erlaubniß der Obrigkeit" gar nichts möglich war. 

Zwar stechen im Gang der Geschichte die Bauernkriege 1525/26 hervor. Mit ihren sozialrevolutionären Anliegen, in denen grundrechtliche, politische, wirtschaftliche und religiöse Motive ineinanderfließen: Bis zur Abdankung der weltlichen Herrschaft reichten die Forderungen. Schließlich mussten aber minimale Zugeständnisse mit schweren Opfern abgegolten werden (27 Enthauptungen und 14.000 Gulden Kriegskostenabgabe). Oder: Der Kampf der Bürgerschaft um die Freiheiten in der Landeshauptstadt war zuvor ähnlich erfolglos.

Kirchenintern konnte es schon einmal vorkommen, dass ein Bettelmönch bei seiner Dompredigt ,,den Luxus in der Hofhaltung" (so 1738) anprangerte oder des Erzbischofs Milde gegenüber ,,schädlichen Büchern" infrage stellte. Colloredos Abschaffung religiöser Bräuche (1782) wurde sogar von einer großen Mehrheit in Wort und Schrift bekämpft: ,,Pudel wo laufst um? Z'Salzburg im Luthertum", stand etwa auf einer Tafel, die einem Hund umgehängt wurde.

Einmal erlaubte sich ein „Anrainer" 1561, einen Aufstand gegen den Gewerken Perner von Rettenwörth anzuzetteln, der zwischen Werfen und Bischofshofen eine Schmelzhütte ,,mit giftigen Arsenikdämpfen" geplant hatte. Beschränkt auf die Anifer Frauen verlief ein Auflauf, als die amerikanischen Besatzer nach 1945 eine Kasernenanlage mit Einbeziehung des Anifer Schlossparks bauen wollten. Ihr Erfolg: die Verlegung auf das Walserfeld. Riskanter war der Aufschrei der Mütter in Köstendorf, Ebenau, Ramingstein, Dienten und Hinterthal, als die Nationalsozialisten die Kreuze aus den Schulen entfernten.

Nicht gerade weltbewegend waren Streiks der Schustergesellen, weil die traditionelle Martinigans mit Geld abgegolten werden sollte, oder der Tischler, weil walzerfahrene Gesellen näher beim Meister sitzen durften. Großer Widerstand regte sich bei den Bäckern gegen die Sonntagsarbeit, weil der Arzt Dr. Hartenkeil täglich frisches Brot empfahl. Ähnlich gewichtig die Protestaktionen der hiesigen Studenten: Von gelegentlichen Händeln mit den Soldaten abgesehen kam es einmal (1711) zu einem Streik, weil ein Kommilitone wegen einer Schmähschrift gegen den Rektor 25 Stockhiebe ausgefasst hatte. Wie immer beendete das Militär das Aufbegehren.

Das „Sturmjahr 1848" erwies sich in der Stadt ebenfalls als „Lüfterl": Nächtliche ,,Katzenmusiken" ärgerten immerhin die Honoratioren. Die von den Deutschnationalen einberufenen Aufmärsche 1897 endeten auf dem Mozartplatz mit dem Lied „Die Wacht am Rhein". 1905 versammelten sich immerhin 10.000 Teilnehmer zur bisher größten Demonstration für bürgerliche Rechte, aufgerufen von den Sozialdemokraten. In der Hungerrevolte 1918 schlossen sich auch die Bürger den Arbeitern an: Einmütig plünderte man den Weinkeller von St. Peter.

Vor 50 Jahren mobilisierte der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr („Stadt ohne Landschaft") eine Initiative gegen die Verbauung von Salzburg-Süd - mit blitzartig 20.000 Unterschriften! Die nachhaltigen Folgen: Seit 1977 sitzt diese Bürgerbewegung im Gemeinderat.

Aber schon 500 Jahre früher kam es zu einer Gehorsamsverweigerung der ,,Salzbürger": Erzbischof Burkhard von Weißpriach, einer der wenigen Einheimischen auf dem Fürstenthron, nötigte den St. Peterern das Areal zwischen Mönchsberg und Getreidegasse ab. Er hatte vor, dort bauen zu lassen, und ließ dafür schon Straßenverläufe ausstecken. ,,Allein nun geschah ein Mirakel", vermerkt ein Chronist, denn niemand wollte diesen Garten zerstören. So kam es, dass bei der Gründung der Universität 1622 dieser zentrale Platz für einen Neubau noch immer zur Verfügung stand.

Also: Bürgermut selten, Bürgerwut spärlich. Um mit Johann Stainhauser zu resümieren: Die Salzburgerinnen und Salzburger sind eher ,,grimmig, aber sie zürnen und greinen leichtlich"; rebellisch eher nicht.


Kurioses aus Salzburg

ΜΕΙΝΕ ΑΝΕΚDΟΤΕΝ 

VON HANS SPATZENEGGER

Universität oder Rücktritt

Die Wiedererrichtung der Salzburger Universität vor 60 Jahren ist ohne Landeshauptmann Hans Lechner ,, nicht vorstellbar"; so auch die Einschätzung seiner Nachfolger, wie auch von Rektor Stefan Rehrl: Lechner war der ,,eigentliche politische Motor". Und als ihn die ,,Salzburger Nachrichten" zu seinem 70. Geburtstag (1983) nach den ,,höchsten Zielen, die Sie erreicht haben", befragten, nannte Lechner die Universität an erster Stelle. Denn 1962 stand nicht nur die Entscheidung der Bundesstellen in Wien auf Messers Schneide, sondern auch sein junges Amt als Landeshauptmann von Salzburg, indem er seinem Parteifreund, Unterrichtsminister Heinrich Drimmel, unverhohlen mit seinem Rücktritt drohte, wenn die Universität nicht zustande käme.

Die Lungauer Sauschneider

Am Beginn des 19. Jahrhunderts ,,praktizierten" im Lungauneben vier Chirurgen, die die Bevölkerung versorgten - für insgesamt über 600 Bauernhöfe 126 Sauschneider; im 18. Jh. sollen es sogar doppelt so viele gewesen sein. So mussten sie folglich,,seit urfürdenklichen Zeiten" in andere Gegenden ausschwärmen, um die bäuerliche Existenz zu sichern, ja es sogar zu einem gewissen Wohlstand zu bringen. Eine Tour konnte schon einmal mit 600 Gulden (etwa 12.000 Euro) im Beutel enden. (Ein Taglöhner brachte es um 1800 oft nur auf 15 bis 20 fl. im Monat.) Vom ,,breiten Wissen um fremde Länder" ganz abgesehen: wovon an langen Winterabenden gerne erzählt wurde. In Bayern, Tirol, Böhmen, Ungarn, ,,bis an die türkische Grenze", befanden sich die ,,Gäue", die aufgeteilt waren, meist vererbt und verteidigt wurden, schon seit Generationen. machte das Fleisch Aber auch Pferd und Rind erfreuten sich ihrer ,,Künste", samt Arzneikunde. Die daheimgebliebenen Frauen hatten den Hof und die Kindererziehung zu ,,schauckeln". Für die Bekanntheit dieses Gewerbes und seine regionale Verbreitung spricht, dass der Ostösterreicher Joseph Haydn das Lungauer ,,Sauschneiderlied" kannte und einer musikalischen Bearbeitung unterzog: ,,Acht Sauschneider müassens seyn..." So ein Eingriff geschmackvoller.

,,Salzburger Nachrichten" - schon da gewesen

Eine Zeitung mit dem Titel ,,Salzburger Nachrichten" gab es schon einmal - im 19. Jahrhundert! Allerdings nur ein schwaches Jahr lang (1881). Drei Mal in der Woche. Mit einem Politik- und Wirtschaftsteil, Lokalem, ,,Kunst und Literatur", Vereins- und Marktberichten sowie ,,Stimmen aus dem Volke". Auch der Wahlspruch klingt ambitioniert: ,,Tue recht und scheue niemand!" Doch eine allzu heftige Konkurrenz dreier Lokalblätter gebot es schließlich,,,das Schmerzenskind zur Ruhe zu bestatten" (so der Initiator), wiewohl Landeshauptmann Graf Lamberg sogar 4000 Gulden Förderung in Aussicht gestellt habe. Der Herausgeber, ein Ritter von Ernst-Burginger, war Redakteur bei der ,,Salzburger Zeitung" gewesen und hatte sich vorher als Schriftstellerversucht. Ein unseliger Griff in die ihm anvertraute ,,Krankenkasse" kostete ihn die Freiheit und brachte den Verlust des ,,kleinen Adels". Die Redaktion dieser ersten ,,Salzburger Nachrichten" - übrigens ohne Seiten- und Jahrgangszählung! - befand sich in der Paris-Lodron-Straße 18.