Noten für den Lehrer oder die Lehrerin? Wovon viele junge Menschen träumen, wird durch das Projekt INTER-DI-KO Wirklichkeit: Mit ihrem Feedback wird dann gemeinsam am Unterricht der Zukunft gefeilt. SANDRA BERNHOFER

Mit dem Projekt INTER-DI-KO sollen auch Lehrkräfte dazulernen: wie sie ihr didaktisches Potenzial ausschöpfen etwa. Dabei helfen Videoaufzeichnungen. BILD: SN/ADOBE STOCK/1001 COLOR
SALZBURG. ,,Wenn Kinder lernen, sich im Straßenverkehr zurechtzufinden, tun sie das zunächst an der Hand ihrer Eltern", sagt Christine ,,Später Trültzsch-Wijnen. sind sie allein unterwegs, machen vielleicht den Fahrradführerschein, schließlich den Führerschein. Spätestens dann bewegen sie sich selbstbestimmt und eigenverantwortlich durch die Welt." Dasselbe Prinzip gelte für den Umgang mit Medien, erklärt die Medien- und Kommunikationswissenschafterin, die an der Pädagogischen Hochschule Salzburg (PH) das Kompetenzzentrum für Medienpädagogik und E-Learning sowie das Education Innovation Studio für Robotik, kindgerechte Programmierumgebungen und digitale Technologien leitet. ,,Kinder und Jugendliche wachsen heute mit digitalen Medien auf. Auch wenn diese Welt Risiken birgt: Es wird uns nicht gelingen, sie von ihnen fernzuhalten." Die Schule, die ja auch fürs Leben ausbildet, habe daher die Aufgabe, Kinder und Jugendliche darauf vorzubereiten, sich kritisch und selbstbestimmt im digitalen Kosmos bewegen zu können. Was dafür unbedingt notwendig ist? Unter anderem das Wissen, wie Medien, soziale Netzwerke und Algorithmen funktionieren. Und die Fähigkeit, Informationen beurteilen und einordnen zu können.


„Es reicht nicht aus, Suchmaschinen zu kennen und sie nutzen zu können. Es braucht auch das Wissen, wie sie im Hintergrund funktionieren, dass etwa Werbung personalisiert ist und was das in letzter Konsequenz bedeutet", betont Trültzsch-Wijnen. ,Junge Menschen sollen in der Lage sein, bewusst zu entscheiden, ob sie sich nun unterhalten lassen wollen, sich informieren oder die eigene Meinung äußern. Dazu müssen sie wissen, dass die Öffentlichkeit im Klassenzimmer eine andere ist als die im Internet. Eine Meinungsäußerung kann dort eine ganz andere Reaktion auslösen und damit muss man auch leben können." Das Wissen um die Funktionsprinzipien von Medien sei immer wichtig gewesen. Im digitalen Zeitalter habe es aber noch einmal an Bedeutung gewonnen, so die Expertin.
Werkstatt für den Unterricht der Zukunft
Hier setzt INTER-DI-KO an, ein Kooperationsprojekt von Universität und PH Salzburg. INTER-DIKO steht dabei für INTERdisziplinarität, Digitalisierung und KOoperation - die Schlüsselbegriffe für die Bildung von morgen. Dabei ist die Förderung der Medienkompetenz von jungen Menschen - sowohl im Sinne der kritischen Auseinandersetzung als auch im Sinne der selbstständigen Entwicklung von Formaten - nur eines der Ziele des Innovationslabors, wie die Expertin für Medienpädagogik erklärt. ,,Im Zentrum dieses Projekts steht die Frage, wie die Möglichkeiten der Digitalisierung für das Lehren und Lernen genutzt werden können. Studierende, Wissenschafterinnen und Wissenschafter, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Kinder und Jugendliche arbeiten hier gemeinsam an neuen Modellen. Schulen von der Volksschule bis hin zur Maturaklasse sind eingebunden“, erklärt Trültzsch-Wijnen, die für das Projekt mitverantwortlich ist. „Das, was man im Unterricht bereits jetzt macht, kann man auch anders, besser machen. Wir wollen Medien nicht nur nutzen, weil sie da sind, sondern so, dass sie Frucht bringen. Für Lernende und Lehrende gleichermaßen."
Gefördert wird das Projekt, das vorerst auf vier Jahre angelegt ist, vom Land Salzburg und der österreichischen Innovationsstiftung für Bildung.
Gut ausgestattete Labore als Spielwiese für Schulen

Eine technisch modernst ausgestattete Spielwiese für die neuen Zugänge zum Lehren und Lernen gibt es seit Beginn dieses Schuljahrs an der Pädagogischen Hochschule: Ein modernes Multimedialabor bietet alles, was Producer-Herzen höherschlagen lässt. Schülerinnen und Schüler, Lehramtsstudierende und Lehrpersonen finden hier Kameras, Mikrofone und weiteres Studio-Equipment, um selbst Videos und Podcasts sowie andere digitale Lehrund Lerninhalte produzieren zu können. Unter anderem dokumentieren sie hier etwa naturwissenschaftliche Versuche. ,,Auf diese Weise wird eine neue Art der Wissensaneignung möglich - statt Frontalunterricht durch die Lehrkraft können ältere Jahrgänge für jüngere Videos produzieren und so neue Themen erklären", erläutert Trültzsch-Wijnen. Zusätzlich zu diesem Studio gibt es einen technisch Seminarraum, in dem die neuen digitalen gut ausgestatteten Lehrmaterialien getestet gleich werden. Zugleich analysieren Wissenschafterinnen und Wissenschafter gemeinsam mit Lehrpersonen, Lehramtsstudierenden und den Schülerinnen und Schülern, wie diese angenommen werden. Ein mobiles Labor ergänzt die Labore vor Ort: So können auch Schulen in den entlegeneren Ecken des Bundeslands eigene Inhalte produzieren.
Das Innovationslabor steht übrigens auch Externen offen: etwa Unternehmen, die mit Schulklassen arbeiten oder innovative Produkte für junge Menschen entwickeln. Grundsätzlich sei man für alle offen, die ihre Ideen und didaktischen Konzepte zum Lehren und Lernen mit digitalen Medien evaluieren und weiterentwickeln möchten. Erste Projekte werden bereits umgesetzt: Am Oberstufenrealgymnasium in Grödig etwa beschäftigten sich Schülerinnen und Schüler im Deutschunterricht mit Nachrichten und entwickeln daraus Hörspiele zum Thema Fakt und Fiktion. Ein weiteres aktuelles Projekt integriert Robotik in den Mathematikunterricht.

In welche neue Rolle Lehrkräfte schlüpfen müssen
,,Mediengestaltung im Unterricht ist an sich nichts Neues. Wir wollen vielmehr eine digitale Didaktik entwickeln, also die Arbeitsweise von Lehrerinnen und Lehrern anschauen, evaluieren und weiterentwickeln", fasst Christine Trültzsch-Wijnen zusammen. Genutzt werde dafür mitunter das mobile Labor, um den Unterricht aufzuzeichnen. „Schülerinnen und Schüler sind hier keine Versuchskaninchen, sondern sie setzen den Unterricht im Team mit der Lehrkraft gemeinsam um." Neue Zugänge sollen gemeinsam entwickelt werden. Ganz maßgeblich dafür: ,,Reflexionsrunden und das Feedback direkt von den Schülerinnen und Schülern." Positiver Nebeneffekt: So lernen die jungen Menschen auch gleich, ihre Meinungen zu artikulieren.
Die Schule der Zukunft setzt vor allem auf Teamwork und Kollaborationen. ,,Damit verändert sich auch die Rolle der Lehrkraft. Sie wird zunehmend eine inhaltliche und gestalterische Rolle einnehmen", prognostiziert Trültzsch-Wijnen. Stichwort Coronapandemie: „Hätten wir uns bereits früher mit den digitalen Möglichkeiten des Lehrens und Lernens auseinandergesetzt, wären hier die Anfangsschwierigkeiten nicht so groß gewesen", ist die Medienpädagogin überzeugt. Mit den Erfahrungen aus INTERDI-KO wolle man Lehrkräfte und Schulen auch besser auf künftige Notsituationen vorbereiten.
Selbst einen Blick ins Innovationslabor werfen
Das INTER-DI-KO-Innovationslabor an der PH Salzburg lädt am Montag, 28. November, 18 Uhr, zur feierlichen Eröffnung.
Wo?
PH Salzburg Stefan Zweig
Akademiestraße 23-25
5020 Salzburg