Journal Schule

Sushi aus dem See ergibt Sinn

Sushi ohne Fisch aus Japan? Geht! Wie zwei Geschwister vom Wolfgangsee ihren Traum verwirklichen.

Selbst die Garnelen im Tempurateig kommen aus dem Gebirge.BILD: SN/ALEKSANDRA NAGELE

ALEKSANDRA NAGELE

STROBL. In Strobl, ganz nah am Wolfgangsee, kurz bevor der Weg hinauf zur Postalm führt, versteckt sich zwischen Wiesen, Wald und rauschendem Bach das kleine Hotel Bergrose. Ein Versteck, das will die Bergrose für ihre Gäste auch sein: Wer genug vom lauten Getöse der Stadt oder dem sommerlichen Trubel am See hat, findet hier einen Rückzugsort, der Ruhe und Einfachheit verspricht. „Das Reduzierte ist uns sehr wichtig, in gewisser Weise ist das der rote Faden, dem wir folgen", erzählt Dominik Edlinger, Küchenchef des Hauses. Gemeinsam mit Schwester Viktoria, seinen Eltern und den Großeltern führt der 27-Jährige den Familienbetrieb. Drei Generationen arbeiten hier als Team Seite an Seite. Für Dominik Edlinger war der Weg in die Gastronomie deshalb schon vorgezeichnet. Nach seiner Ausbildung an der Tourismusschule Klessheim zog ihn die Neugier zunächst in die Welt hinaus: Er sammelte Erfahrungen in der Schweiz, arbeitete als Jüngster von etwa tausend Mitarbeitern im berühmten Burj Al Arab in Dubai, kochte in preisgekrönten New Yorker Restaurants und heuerte als Chef de Partie auf einem Luxusschiff an. „Durch diese vielen Stationen ist mir erst so richtig klar geworden, wie reich wir hier in Österreich eigentlich sind", resümiert Edlinger.

Handgemachte Sushi-Kunstwerke im Rosenstüberl

Während seiner Auslandsaufenthalte lernte er die japanischen Häppchen aus Reis und Noriblättern richtig kennen und lieben:,,Ich habe unheimlich viel gelernt. Aber besonders auf dem Schiff hat mich gestört, wie viele Lebensmittel aus der ganzen Welt auf den Dampfer gekarrt, dann aber wieder weggeworfen werden mussten."

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Und dann kam ihm die Idee: Frischen Fisch gibt es doch auch bei uns. Warum nicht einfach daraus feine Sushis und Makis zubereiten? Der Fisch wäre nicht von weit her und nicht aus unbekannter, manchmal sogar fragwürdiger Herkunft. Als er die ersten Makis aus der Wolfgangseer Lachsforelle für Freunde rollte, belächelten sie die Idee noch. Doch es dauerte nicht lang, bis die Sushis aus dem See zum heimlichen Take-away-Renner in der Umgebung wurden. Dominik Edlinger gastierte noch einmal in New York, bevor es in der Bergrose mit SeeSushi so richtig losging. Seine Schwester Viktoria traf zu Hause inzwischen wichtige Vorbereitungen.

Künftig sollte nicht mehr nur fürs Schnitzel im Rosenstüberl gedeckt werden. Teller, Stäbchen, Schälchen, all das suchten die Geschwister über unzählige Videotelefonate miteinander aus, feilten weiter an ihrem Konzept. Die Unterstützung und das Vertrauen ihrer Eltern und Großeltern waren ihnen dabei Sicherheit und Antrieb zugleich. Neue Ideen sollten das Altbewährte nie verdrängen, beides hat in der Bergrose seinen Platz. Dieses Miteinander kann man sehen, fühlen und natürlich schmecken, wenn Viktoria im Dirndl Nigiri, Maki und Sashimi aus der Wolfgangseer Lachsforelle oder dem Ausseer Saibling serviert. Statt des üblichen Ingwers wird zum Beispiel Sellerie in Essig und Holunder eingelegt, selbst die Garnelen im Tempurateig werden im Gebirge gezüchtet.

Nachhaltigkeit muss wirtschaftlich sein

Es sind kleine, handgemachte Kunstwerke, die in der Küche des Hotels Bergrose entstehen. ,,Allein das Reiskochen ist eine Wissenschaft für sich, man glaubt nicht, wie viel man hier falsch machen kann“, weiß Edlinger. In unglaublicher Geschwindigkeit formt er kleine Gurkenstücke mit Reis und Noriblättern zu einer Rolle, schneidet sie in acht Teile, bevor er zum Schluss ein frisches Stück Seefisch darauf drapiert. Die hausgemachte Wasabi-Limetten-Mayo passt perfekt dazu, sie schmeckt raffiniert und doch nicht aufdringlich.

<b>Viktoria Edlinger und ihr Bruder Dominik haben japanische Spezialitäten an den Wolfgangsee geholt und ihnen eine eigene Note verliehen.</b><br draggable="true" data-highlightable="1" id="if7uq"/><i>BILD: SN/ALEKSANDRA NAGELE</i>
Viktoria Edlinger und ihr Bruder Dominik haben japanische Spezialitäten an den Wolfgangsee geholt und ihnen eine eigene Note verliehen.
BILD: SN/ALEKSANDRA NAGELE

„Für mich ist SeeSushi nicht nur ein Business, sondern auch eine Philosophie", erklärt Chefkoch Dominik. ,,Ich finde aber, nachhaltige Konzepte müssen gleichzeitig wirtschaftlich sein, sonst können sie nicht bestehen." Leute bekehren oder einem ganz hyperregionalen Trend folgen, davon hält Edlinger wiederum nichts: ,,Ich glaube nicht, dass es immer so extrem sein muss, bei mir gibt es auch mal Avocados. Ich freue mich einfach, wenn ich Menschen dazu bringe, über einen etwas einfacheren Lebensstil nachzudenken." Zum Nachdenken bringen die Edlingers ihre Gäste nicht nur beim Essen. Mittlerweile gibt Dominik Edlinger in Workshops die Kunst des SeeSushi-Machens an interessierte Hobbyköche weiter. Beim gemeinsamen Wandern finden Teilnehmende Kücheninspiration in Wald und Wiese, dabei wird viel über den Wert von Nahrung philosophiert: ,,Mir ist es wichtig, Bewusstsein zu schaffen, damit wir wieder sehen, inmitten welcher Schätze wir leben."

,,Ich möchte Bewusstsein für die Schätze um uns schaffen."
Dominik Edlinger, Küchenchef

Begeisterung und Sinn als Zutaten

Ein gutes Leben für alle, das ist Familie Edlinger ein Anliegen. Auch wenn es die starke Nachfrage erlauben würde, ihre Kapazitäten im Restaurant wollen sie gar nicht erhöhen. Der letzte Tisch wird um spätestens 20 Uhr vergeben: ,,Unsere Mitarbeitenden sollen zu einer anständigen Zeit heimgehen können." Die langen Schichten und den rauen Ton sehen sie mitunter als Gründe, warum es Gastronomie und Tourismus so schwer haben, den Nachwuchs für sich zu begeistern.

In der Bergrose ist das anders. „Wir hatten in diesem Sommer einen Praktikanten, der bei den SeeSushi Backyard Sessions viel mitgeholfen hat. Gäste konnten an lauen Sommerabenden bei Musik im Hotelgarten auf Picknickdecken ihre SeeSushis genießen. Als sein Praktikum zu Ende ging, bat er mich, ihn unbedingt vor der nächsten Backyard Session anzurufen, weil er dann wieder mithelfen möchte", erzählt Edlinger. „Wer den Sinn der eigenen Arbeit spürt, der macht sie gern und mit Begeisterung."

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,,Service ist die beste Schule fürs Selbstbewusstsein"

Die Leidenschaft fürs Kreative war es, die Viktoria nicht nach Klessheim, sondern ins Multiaugustinum in St. Margarethen im Lungau zog. Als Schwerpunkt wählte sie Kunst und Design. Service und Küche standen hier ebenso am Programm: ,,Ich wollte ja nicht ganz weg aus der Gastro. Aber ich singe sehr gern und interessiere mich für Schauspiel." Nach der Ausbildung führte sie ein Praktikum in ein Boutiquehotel im englischen Plymouth: ,,Dort habe ich so richtig gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen. Auch wenn Dinge beim ersten Anlauf nicht funktionieren, finde ich es wichtig, immer wieder aufzustehen und nicht alles sofort hinzuschmeißen." Einer Karriere auf der Showbühne trauert die 26-Jährige nicht nach. Als Serviceleiterin in der Bergrose stellt sie heute die Sushi-Kreationen ihres Bruders ins Rampenlicht: „Das mag überraschen, aber ich finde,im Service zu arbeiten ist eine gute Schule fürs Selbstbewusstsein, weit mehr noch als die Schauspielerei. Ich kann das nur jedem jungen Menschen empfehlen."

Gerade wenn Junge hadern und nicht wissen, welchen Weg sie beruflich einschlagen wollen, ,,dann sollten sie trotzdem einfach irgendetwas machen", rät Dominik Edlinger: „Am besten etwas, das sie mit einem großen Schritt aus der eigenen Komfortzone hinausbefördert." Denn erst dort finde Entwicklung statt. Wenn der Koch an seine Zeit in Dubai oder am Schiff zurückdenkt, dann fallen ihm viele verzweifelte Momente jenseits seiner Komfortzone ein: „Sieben Tage pro Woche für sechs Monate lang durcharbeiten, das hat mich schon an meine Grenzen gebracht." Aus der Ruhe bringt ihn dafür heute nichts mehr so schnell: ,,Ich glaube, mit einer gewissen Beharrlichkeit kommt man weiter. Diese Erfahrungen haben mich letztlich genau dorthin gebracht, wo ich heute bin."