Bis zu 450 Igel hat Gabi Reisinger schon bei sich zu Hause in St. Lorenz betreut. Die kleinen Tiere mit den Stacheln stecken in großen Schwierigkeiten. Reisinger erklärt, wieso.
CHRISTINE GNAHN

Mit liebevoller Fürsorge pflegt Gabi Reisinger Igel, die Hilfe benötigen. BILDER: SN/SCHNABLER (3); PRIVAT
Igel hätten es heutzutage gar nicht leicht, erklärt Reisinger. Und das aus mehreren Gründen. Einer davon ist der Rasenroboter oder Trimmer. ,,Viele glauben, es macht nichts, wenn man den Roboter tagsüber einsetzt, weil Igel ja nachtaktiv sind. Aber ein Igel legt sich, wenn es warm ist, auch einfach auf den Rasenrand, entspannt sich, hat sich längst an das Geräusch vom Mähroboter gewöhnt - und wird dann schwer verletzt oder getötet, wenn der Roboter bei ihm ankommt." Auch die Jungen, die tagsüber von der Mutter gesäugt werden und dann aktiv sind, seien durch den Rasenroboter in großer Gefahr. ,,Und nicht nur sie, auch Eidechsen, Blindschleichen und viele weitere Tiere." Auch das Klima mache den stacheligen Vierbeinern zu schaffen. ,,Ich finde große und ausgewachsene Igel, die nur noch Hautfetzen sind. Sie finden im Sommer keine Insekten mehr, weil es zu trocken ist und natürlich, weil es allgemein viel weniger Insekten als früher gibt." Ein weiteres Problem sei die veränderte Parasitenlandschaft, verursacht durch den Einsatz von chemischen Mitteln in Landwirtschaft und Gärten.
Igelpflegerin


Igel mit Verletzungen, Igel mit Parasiten, Igel mit Krankheiten, Igel mit Untergewicht - sie alle finden bei Reisinger ein warmes Plätzchen, an dem sie wieder aufgepäppelt werden. Ihr akribisches Wissen über die Tiere hat Reisinger durch jahrzehntelange Arbeit gesammelt. So begann alles vor 22 Jahren mit einem Inserat, das sie in der Zeitung sah: Der Verein Igelfreunde in Hallwang suchte nach jemandem, der einen Igel bei sich aufnehmen könnte. Reisinger, die mit vielen Tieren aufgewachsen war und sich schon immer mit ihnen verbunden gefühlt hatte, meldete sich spontan dafür. Zusätzlich begann sie, sich neben ihrer Berufstätigkeit als Lehrerin einen Nachmittag in der Woche in der Igelstation zu engagieren. Bei sich zu Hause nahm sie erst einen, im Folgejahr zwei, im dritten Jahr vier Igel bei sich auf. Als die Räumlichkeit in Hallwang zu klein wurde, übernahm Reisinger die Igelfreunde und siedelte sie in ihrem Zuhause in St. Lorenz an. ,,Mein Vater war damals gestorben und ich habe seine ehemalige Wohnung als Igelherberge umgebaut."

Reisinger kümmert sich nicht nur selbst um hilfsbedürftige Igel, sie berät auch gerne Menschen, die ihren Findling eigenständig über den Winter bringen wollen. Sie bietet dafür ihre Beratung an (WWW.IGELHILFE.NET ). Mit dem richtigen Wissen und einem guten Platz für die Igel sei jeder in der Lage, einen Igel bei sich überwintern zu lassen, ,,außer bei Babys, da muss man sehr viel wissen. Da ist mir lieber, die Leute bringen sie zu mir." Auch im Falle von schweren Verletzungen, Parasiten oder Krankheiten kümmert sich Reisinger lieber selbst um die Tiere. ,,Ich arbeite eng mit dem Tierarzt zusammen." Doch im Falle dessen, dass tierliebe Menschen hilfsbedürftige Igel selbst über den Winter bringen wollen, sei sie sehr froh.
,,Die Lage ist angespannt", erklärt Reisinger, ,,kaum einer der zu spät geborenen Igel kann in der freien Natur überleben. Grund dafür ist das Untergewicht dieser jungen Igel. Sie brauchen bis Ende Oktober unbedingt 800 Gramm, damit sich die benötigten Fettschichten entsprechend entwickeln können." Bei einem geringeren Gewicht seien die Tiere nicht in der Lage, diese Fettschichten aufzubauen. Ein gesunder Winterschlaf sei dann nicht möglich. Stattdessen könne der Igel nur einen Dämmerschlaf halten. „Das bedeutet, dass er die Körperfunktionen nicht herabsetzen kann und den Schlaf zum Fressen immer wieder unterbrechen muss. Er verliert dabei sehr viel an Gewicht und das, wo er ohnehin keine 800 Gramm Ausgangsgewicht hatte. Das überlebt er dann meist nicht." Da die zu spät geborenen Igel in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben und auch dadurch immer weniger Igel überleben, nimmt die Igelpopulation sehr stark ab. ,,Wenn es so weitergeht, wird es in acht Jahren unter Umständen keine Igel mehr in der freien Natur geben." Zusätzlich hat Reisinger in St. Lorenz eine Wildblumenwiese für Insekten angepflanzt. Sie freut sich über alle, die es ihr nachtun.