Schleppbahn Kaprun

Die Schleppbahn Kaprun, einst unverzichtbare Lebensader der Kraftwerksbaustelle Kaprun. Sie ist heute aufgelassen, die Gleisanlagen sind abgetragen und die ehemalige Schleppbahntrasse wird als Freizeitanlage namens "Romantikweg" genutzt.
Einleitung
Die Schleppbahn war 6,8 Kilometer lang und führte vom Bahnhof Bruck-Fusch zunächst entlang der Salzach und dann durch den Ort Kaprun zum Kraftwerk Hauptstufe.
Vom Bau der Schleppbahn bis zum Abriss
Der Spatenstich durch Hermann Göring
Der so genannte "Spatenstich" für die Kraftwerksbaustelle Kaprun der Tauernkraftwerke Kaprun – kurz TKW genannt, erfolgte am 16. Mai 1938 durch Hermann Göring. Die Veranstaltung war improvisiert und vor allem auf Propaganda ausgerichtet. Die Stelle, an der die Inszenierung vorgenommen wurde, war weit von jedem späteren Baugeschehen entfernt. Das vor Ort für den Anlass verlegte Gleis war nichts als ein "Bühnenrequisit", das keinem anderen Zweck diente und nach der Veranstaltung wieder entfernt wurde. Zumindest ein Teil des anwesenden Publikums war zum Erscheinen "veranlasst" worden. Zum Zeitpunkt des Spatenstichs waren die Baupläne für das Kraftwerk noch gar nicht fertiggestellt. Der Baubeginn erfolgte zwar noch 1938 aber erst geraume Zeit nach dieser Inszenierung.
Planung, Kommissionierung, Genehmigung, Enteignung
Eine der wesentlichen Baustelleneinrichtungen der Kraftwerksgruppe Glockner-Kaprun war die Schleppbahn. Vor deren Errichtung waren einerseits Planung, Kommissionierung und Genehmigung erforderlich, andererseits die Enteignung der Grundbesitzer. Ein Geschädigter war die Familie Gildemeister, die außer dem Schloss Fischhorn in Bruck an der Großglocknerstraße eine große, damals bereits sehr modern geführte Landwirtschaft besaß.
Die Bewilligung zum Bau und Betrieb der Schleppbahn wurde vom Reichsverkehrsminister am 28. November 1939 erteilt.
Bau, Trassenverlauf und Einsatz der Arbeiter
- Hauptartikel NS-Zwangsarbeit am Beispiel Tauernkraftwerke Kaprun
Im Jänner 1941 wurde mit dem Bau der Schleppbahntrasse begonnen, im April oder Mai 1943 konnte sie fertig gestellt werden.[1]. Die Trasse führte vom Bahnhof Bruck-Fusch nach Kaprun. Die Trasse verlief zuerst eben, dann mit einigen Steigungen und einer S-Kurve Richtung Westen, bzw. Süd-Westen. Im Ortsbereich von Kaprun erfolgte ein 130 m langer Tunnelbau zur Untertunnelung des Kapruner Kirchbichls. Die Bahn war normalspurig, 6,8 km lang und endete im so genannten "Kapruner Winkl", wo sich ein dreigleisiger Endbahnhof befand. Eines der Gleise führte zum 250 m weiter südlich gelegenen Krafthaus, ein zweites zur Freiluftschaltanlage am orographisch rechten Salzachufer.
Die Trasse der Schleppbahn führte größtenteils durch moorigen Grund. Das erschwerte die notwendigen Unterbauarbeiten erheblich. Sie wurden hauptsächlich von französischen Kriegsgefangenen durchgeführt, jedoch kamen in der späteren Bauphase nach dem Überfall auf die Sowjetunion auch sowjetische Kriegsgefangene zum Einsatz. Die Arbeiten erfolgten bei unzureichender Bekleidung und Ausrüstung auch in den strengen Wintermonaten der Winter 1940/1941, 1941/1942 und 1942/1943. Das heutige Salzachbrückenwirtshaus, seinerzeit "Barackenwirt" genannt, erinnert noch an die damaligen Arbeiterbaracken. Zur Befestigung des Trassenunterbaues wurde Schotter aus dem Diabaswerk Saalfelden und Moränenschotter aus dem Aushub des Krafthauses aufgeschüttet.
Betrieb der Schleppbahn
Die Schleppbahn diente hauptsächlich dem Transport von Baumaterial, vor allem von Zement und Betonzusatzmitteln. Der Zement stammte aus den Portlandwerken in Kirchbichl in Tirol und wurde von Kufstein in Erzwaggons über die Salzburg-Tiroler-Bahn zum Bahnhof Bruck-Fusch in Bruck an der Großglocknerstraße transportiert, wo die Waggons von der Lok der Schleppbahn übernommen und zur Umladestation in Kaprun weitergeführt wurden. Dazu wurden zwischen Kufstein und Bruck-Fusch eigene Züge nach gesondertem Fahrplan eingesetzt. In den Jahren 1953 bis 1955 waren es 6 800 Erzwaggonladungen in 360 Zügen mit offenem Zement. Der Sack-Zement wurde in so genannten "G-Waggons" geliefert.
In den ersten Betriebsjahren diente die Schleppbahn aber auch dem Transport der Arbeiter, der in entliehenen alten Tramwagen erfolgte. Die Aufgaben der anfangs eingesetzten Dampflok erfüllte später eine 360 PS starke Diesellokomotive. An Waggons waren je ein vier- und ein zweiachsiger Plattformwagen und zwei Niederbordwagen im Einsatz. Neben den angeführten Baumaterialien wurden mit der Schleppbahn auch große Maschinen und Maschinenteile nach Kaprun geliefert, z. B. am 19. Mai 1951 "Läufer" der Firma ELIN Salzburg mit 160 Tonnen Eigengewicht. Die Intensität des Betriebes der Bahn war während der Bauphasen hoch und reduzierte sich nach Fertigstellung der großen Kraftwerksanlagen auf gelegentliche Fahrten.
Einstellung, Auflassung und Abriss
Der Betrieb der Schleppbahn durch die TKW wurde im Jahr 1969 eingestellt. Die Betriebsführung wurde mittels Vertragsabschluss im Jahr 1969 der ÖBB überlassen. Nun gab es nur mehr Fahrten zur Instandhaltung der Trasse, u. a. zum Einsatz von Unkrautvertilgungsmitteln. Am 24. Juni 1985 erfolgte der Vorstandsbeschluss der TKW über die Auflassung der Bahn. Die Gleisanlagen wurden erst im Jahr 1988 abgebaut. Das Schienenmaterial konnte von der IG Museumstramway, Betreiber der Museumsbahn in Mariazell, erworben werden. [2].
Die Schleppbahn und deren heutige Verwendung
Von der Schleppbahntrasse zum "Romantikweg"
"Die Gemeinde Bruck hat die ehemalige Schleppbahntrasse gekauft, um auf ihr einen Romantikweg anzulegen." (freiheitlicher Gemeindekurier Bruck). "Romantikweg als Fremdenverkehrsattraktion". (Bruck aktiv, ÖVP-Ortsgruppe Bruck). So und ähnlich lauteten in den Jahren 1988 und 1989 die Schlagzeilen in Bruck an der Großglocknerstraße. Am 13. Juli 1989 konnte die Gemeinde Bruck jenen Teil der Schleppbahntrasse, der auf Brucker Gemeindegebiet liegt, von der TKW um öS 1,700.000,- käuflich erwerben. Hier ist hervorzuheben, dass die TKW-Verantwortlichen im Interesse des Allgemeinwohles dem geringeren Gebot der Gemeinde den Vorzug gegeben haben, obwohl ein weit höheres eines privaten Interessenten vorlag.
Zweck des Erwerbs durch die Gemeinde war die Absicht zur Errichtung einer gemeindeübergreifenden Freizeitanlage in Absprache mit der Gemeinde Kaprun, die über den Anteil auf Kapruner Gemeindegebiet verfügte. Der so genannte "Romantikweg" sollte nach dem Willen der beiden Gemeinden und der Europa-Sportregion ursprünglich acht bis zehn Meter breit werden, aus einem Gehweg, einem Radweg sowie einem Kutschen- und Reitweg bestehen und mehrere Rast- und Informationsstationen aufweisen.
Eine schriftliche Einwendung gegen die geschmäcklerische und nichtssagende Bezeichnung "Romantikweg" erwirkte bei den betroffenen Gemeinden kein Umdenken. In abgespeckter Form ist heute tatsächlich ein großer Teil der ehemaligen Schleppbahntrasse ein beliebter, Gemeinde übergreifender Freizeitweg für Fußgänger und Radfahrer und heißt offiziell "Romantikweg". Einen Hinweis auf die ehemalige Schleppbahn sucht man vergeblich.
2024: Der Tunnel in Kaprun wird saniert
Im 130 m langer Tunnelbau zur Untertunnelung des Kapruner Kirchbichls war kein Platz für eine Bahntrasse. Direkt über dem Tunnel liegt der Friedhof von Kaprun. Der Tunnel wird als Geh- und Radweg genützt. Er ist eine wichtige Verbindung zwischen der Werkssiedlung im Süden des Ortes und dem Bereich bei der Maiskogel-Talstation. Bisher musste der Tunnel im Winter aber aus Sicherheitsgründen geschlossen werden, weil sich an der Decke durch das eindringende Wasser Eiszapfen bildeten, wie Bürgermeister Domenik David (SPÖ) sagt. Das ist in Zukunft nicht mehr nötig, weil die Gemeinde 2024 die Sanierung beschlossen hat. Sie kostet rund 720.000 Euro. Der Tunnel wird mit einer wasserdichten Beschichtung versehen. Zusätzlich wird er mit einer modernen Beleuchtung ausgestattet, die eine sichere Durchquerung zu jeder Tageszeit ermöglicht.[3]
Quellen
- Bruck aktiv, Nr. 30, 10/1988 v. 30.10.1988, und Nr. 32, 3/1989, März 1989, Aussendungen der Ortsgruppe der ÖVP Bruck
- Brucker Rundschau, Nr. 33, Juni 1989, Aussendung der SPÖ Bruck
- Der freiheitliche Gemeindekurier, Bruck/Glocknerstraße, Folge 67/6/90
- Die Hauptstufe des Tauernkraftwerkes Glockner-Kaprun der Tauernkraftwerke A.G., Zell am See, Festschrift, zusammengestellt von J. Götz, HG Tauernkraftwerke A.G. Zell am See, 1951
- Die Oberstufe Glockner-Kaprun, Tauernkraftwerke A.G., Festschrift, HG Tauernkraftwerke A.G., September 1955
- Korrespondenz mit der TKW in Kaprun
- Korrespondenz mit der Bundesbahndirektion in Linz
- Korrespondenz mit dem Ministerium für Land- und Forstwirtschaft in Wien
- Korrespondenz mit dem Stadtamt Mariazell
- Effenberger, Max, Brucker Heimatbuch, HG Gemeinde Bruck, ohne Jahresangabe
- Müller, Adalbert, Die Eisenbahnen in Salzburg, Geschichte der Schienen- und Seilbahnen, Verlag der Salzburger Druckerei 1976, S. 124 - 125
- Rathkolb, Oliver, Freund, Florian (Hg.), NS-Zwangsarbeit in der Elektrizitätswirtschaft der "Ostmark", 1938-1945, Böhlau Verlag Wien –Köln – Weimar, 2002
- Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Band 140 (2000), Heinrich Harrer: Die Anschlussbahn der Tauernkraftwerke AG Kaprun
Einzelnachweise
- ↑ Anmerkung des Verfassers: zum Fertigstellungszeitpunkt gibt es unterschiedliche Angaben
- ↑ Anmerkung des Verfassers: Die Mariazeller-Museumsbahn führt vom Bahnhof Mariazell, der im Gemeindebereich von St. Sebastian – die nördlichste Gemeinde der Steiermark – liegt, zum Erlaufsee
- ↑ www.sn.at, 3. Oktober 2024
Hauptartikel: Tauernkraftwerke Kaprun
Geschichte: Tauernkraftwerk-Projekt der 1920er-Jahre · Tauernkraftwerk-Projekte der 1930er-Jahre · Baugeschichte Tauernkraftwerke Kaprun · NS-Zwangsarbeit am Beispiel Tauernkraftwerke Kaprun · Schleppbahn Kaprun · Tauernkraftwerke AG
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