
Angela Denoke in der Titelrolle von „Katja Kabanowa", Salzburger Festspiele 1998. BILD: SN/APA/FRANZ NEUMAYR
Der Schauplatz: der Innenhof einer tristen Mietskaserne, ausweglos. Anna Viebrock, die geniale Erfinderin der Realität abgeschauter Schauplätze, die dennoch eine Kunstwelt sind, hat ihn für Christoph Marthalers Salzburger Inszenierung von Leoš Janáčeks Oper „Katja Kabanowa" von 1998 geschaffen. Es war die längst fällige Salzburger Festspiel-Erstaufführung eines Meisterwerks des 20. Jahrhunderts und - trotz teilweise heftiger Ablehnung seitens des Publikums - einer der bedeutendsten Abende der Ära von Gerard Mortier als Intendant der Salzburger Festspiele.
Die Szene sparte jede Wolga-Romantik, jedes gefühlige Seelenpanorama, jede Stimmungsmalerei aus, zeigte vielmehr in gnadenloser Klarheit den gegenwärtigen Blick in eine Kleinbürgerhölle, die ins beängstigend Monströse ausuferte. Schönheit war da nur Artefakt, scharfsichtig und in wichtigen Details hochmusikalisch (Marthaler ist ja ein genuiner Musiker) dem Werk einkomponiert, ohne es je zu verraten.
Und es war die Entdeckung einer für die Titelrolle unerlässlichen engelsgleichen Sopranstimme: Angela Denoke leuchtete wie ein heller Stern in einem nachhaltig in Erinnerung gebliebenen Vokalensemble, das damals authentisch beglaubigt wurde durch das Idiom der Tschechischen Philharmonie unter der feinsinnigen, farbenreichen Leitung von Sylvain Cambreling. In Stimme und Erscheinung wirkte die Sopranistin wie ein fremdes Wesen in einer Welt, in der die Tristesse des Alltags keinen Platz für Außenseiter lässt: Unvergessen. Karl Harb