Salzburger Festspiele 2022

Eine göttliche Opernkomödie

Cecilia Bartoli setzt ihre Rossini-Mission in Salzburg mit dem „Barbier von Sevilla" fort.

Cecilia Bartoli als Rosina im silbernen Käfig. BILD: SN/SALZBURGER FESTSPIELE/MONIKA RITTERSHAUS

Eine „Rossini-Mania" rief die Wiener Staatsoper Anfang Juli aus. Anhand einer Schwerpunktwoche sollten die fieberhaften Zustände in Erinnerung gerufen werden, die Gioachino Rossini 1822 in Wien auslöste, als er eine Reihe seiner besten Werke präsentierte. Dass 200 Jahre später Cecilia Bartoli bei ihrem ausgesprochen späten Staatsoperndebüt eine „Bartoli-Mania" auslösen würde, war zu erwarten. Die mit Charisma und einer Ausnahmestimme gesegnete Mezzosopranistin scheint für die irrwitzigen, vor Energie sprühenden Werke ihres Landsmanns wie geschaffen.

In Salzburg richtete die Künstlerische Leiterin der Pfingstfestspiele bereits 2014 alle Augen und Ohren auf Rossini: Neben Sakralwerken und einem Galakonzert im Zeichen des Belcanto-Meisters gab es am langen Feiertagswochenende auch zwei szenische Produktionen - „La Cenerentola" und „Otello" - zu sehen. 2018 folgte „L'italiana in Algeri" und heuer die viel gespielte Buffo-Oper „Il barbiere di Siviglia". Cecilia Bartoli leistet damit wertvolle Aufbauarbeit, findet sich in der 100-jährigen Festspielgeschichte doch zuvor nur eine Handvoll szenischer Rossini-Produktionen - auch wenn mit dem „Barbiere" 1968 immerhin das ruhmreiche Wirken des Regisseurs Jean-Pierre Ponnelle in Salzburg seinen Anfang nahm.

Die ganz spezielle Stimmung - auch als Italianità bezeichnet -, mit der Rossinis Werke das Pfingstfestival erfüllen, wirkt in den Sommer hinein. Im Reigen „ernster" Opern - zu denen bei aller Komik auch Mozarts Werke gezählt werden sollten - bringen diese göttlichen Komödien eine helle Farbe ins Spiel. Szenischen Festspielansprüchen gemäß überführten sowohl Damiano Michieletto als auch das Duo Moshe Leiser/Patrice Caurier die federnde Leichtigkeit von „Cenerentola“ und „L'italiana in Algeri" in eine zeitgemäße Regiesprache, die neben komödiantischem Timing auch die nötigen Zwischentöne enthält.

Eine „ernsthafte" Annäherung an die Kunst der Komik wohnt auch Rolando Villazón inne, den seine Sängerkollegin für den „Barbiere" als Regisseur gewinnen konnte. Der vielfach begabte Künstler führt eine neue Figur namens Arnoldo ein. Dieser Cineast - verkörpert vom beliebten italienischen Verwandlungskünstler Arturo Brachetti - schwelgt in der Welt des Stummfilms und erweckt dabei seine Leinwandlieblinge zum Leben. Immer wieder nimmt diese stumme, aber überaus präsente Rolle Einfluss auf das Geschehen. „Ein clownesker Moment soll nicht nur Lacher erzielen, sondern die Geschichte weitererzählen", sagte Rolando Villazón bereits im Vorfeld der Pfingstfestspiel-Premiere.

Stimmliche Zentralpunkte sind Nicola Alaimo, der als Figaro mit famoser Bühnenpräsenz und ungeheuren stimmlichen Möglichkeiten gesegnet ist, und Ildebrando D'Arcangelo als dämonischer Basilio. Und natürlich Cecilia Bartoli, die 35 Jahre nach ihrem Rosina-Debüt in dieser Rolle frühlingsfrisch wie eh und je klingt. Ihre Rossini-Mission könnte angesichts 39 Bühnenwerken noch lange nicht zu Ende sein. FLORIAN OBERHUMMER