Salzburger Festspiele 2022

Fürchterlich? Einzigartig!

Salzburg und seine Geschichte(n). Was macht Salzburg aus? Das kommt ein bisschen darauf an, ob man bei UNESCO-Experten nachfragt oder bei Thomas Bernhard. Im Salzburg Museum ergeben viele Blicke ein facettenreiches Bild.

Gasteiner Schnabelpercht von Peter Röck im Salzburg Museum. BILD: SN/SM/FRANZ NEUMAYR

Himmel oder Hölle? Heil oder Unheil? In alten heimischen Bräuchen kann der Weg vom einen Extrem ins andere kurz sein. Wenn etwa die Schnabelpercht beim traditionellen Gasteiner Perchtenlauf mit Vorteufel, Bärentreiber und anderen Figuren durchs Tal zieht, bringt sie Segenswünsche für das neue Jahr in die Häuser. Wer seine Stube aber nicht sauber hält, kann der Überlieferung nach auch zu spüren bekommen, warum die vogelartige Gestalt eine manchmal blutrot gefärbte Schere umgehängt hat: „Findet sie Schmutz in einem Haus, schneidet sie den Haushaltszuständigen den Bauch auf und kehrt den Schmutz dort hinein", steht auf einer Erklärtafel im Salzburg Museum zu lesen.

Trotzdem hat die Schnabelpercht ihren Hauptwohnsitz nicht in der Hölle und ist damit nicht mit den Krampussen zu verwechseln. Vor ihnen konnten sich nicht nur Kinder bei den jährlichen Krampusläufen auf dem Salzburger Land fürchten, sondern auch Erwachsene in der Landeshauptstadt. In einem Interview, das im Museum auf einem Bildschirm zu sehen ist, erinnert sich eine Salzburgerin an ihre Hochzeit an einem 5. Dezember. Das Fest sei sehr schön gewesen. Manche der geladenen Gäste hätten sich allerdings nicht zu kommen getraut - aus Angst vor den vielen „Kramperln", die an diesem Tag unterwegs gewesen seien.

Schnabelperchten sind Kulturerbe

Die Schnabelpercht und die Anekdote von den Krampussen sind in der aktuellen Dauerausstellung des Stadt-Land-Museums nur zwei von vielen Beispielen, die ein facettenreiches Bild ergeben. Die Schau gehe der Frage nach, „was Salzburg eigentlich einzigartig macht“, erläutert Direktor Martin Hochleitner beim Rundgang, der auch durch die „Goldegger Stube" des Museums führt: Hier sind Schnabelpercht und weitere Symbole der Gasteiner Perchten zu sehen, die seit 2011 in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen sind.

Warum auch der Alltag Einzigartiges zu bieten haben kann, vermittelt sich ein paar Räume weiter: Amateurfilme geben Einblicke in das Salzburger Leben der 50er-, 60erund 70er-Jahre. Auch Aufnahmen von der Hochzeit am Krampustag sind Teil davon.

Manches andere, das aus den Privatarchiven auftaucht, ,„war damals vielleicht alltäglich, aber heute ist es wieder besonders, weil es aus unserem Alltag entschwunden ist“, sagt Martin Hochleitner über die Filme, die das Museum in Kooperation mit dem Filmarchiv Wien gesammelt hat.

„Fürchten soll man sich nur vor solchen Dingen, die einem Schaden bringen können; vor anderen, die einen grundlos ängstigen, aber nicht.”
Dante, „Hölle", 2. Gesang

Krampusmasken kann man allerdings beim Weg durch die Schau öfters begegnen: Sie tauchen jedoch nicht als Schreckensgestalten auf, sondern als Freund und Helfer. Jeder Raum hat sein Logo, das in der Besucherführung als Orientierungshilfe dient.

Wegweiser in den Untergrund

Nicht in Richtung Unterwelt, aber doch in den Untergrund führt ein anderer dieser Wegweiser: Einer der ersten Räume ist der Archäologie gewidmet. Barren aus der Bronzezeit, eine keramische Schnabelkanne aus der Latènezeit oder Säulenteile eines römischen Weihetempels sind Symbolträger für Salzburgs Frühgeschichte. Mit dem Konzept der Ausstellung wolle das Museum die „Geschichte(n) aus Stadt und Land" (so der Untertitel) nicht nur sichtbar machen, sagt Hochleitner: „In Ausstellungen wird oft erläutert, was man als Besucherin oder Besucher zu sehen bekommt, aber seltener, warum es gezeigt wird." Daher kommen in einem eigenen Raum auch die Kuratorinnen und Kuratoren via Bildschirm zu Wort: Sie stellen je ein Objekt zu jedem Kapitel vor und erklären, wieso es bedeutsam ist. Dem täglichen Leben in einer Stadt, die UNESCO-Weltkulturerbe ist, widmet sich ein Kapitel, den Visionen, die Architekt Gerhard Garstenauer mit dem Kongress oder der Gondelbahn für Gastein entwarf, ein weiteres.

Ein Schmuckstück aus den 1970er-Jahren steht indes nicht nur für Juwelierkunst aus Salzburg, sondern leitet zu einem weiteren Schwerpunkt über: In dem Anhänger in Fläschchenform ist Salzburger Schnürlregen konserviert. In einer Zeit des Klimawandels sei es heute fraglich, ob dieses Wetterphänomen auch in Zukunft noch zu Salzburgs Einzigartigkeiten gezählt werden könne, berichtet Martin Hochleitner.

Fürchterliche Salzburger

Der Rundgang führt daher auch zur Wetterforschung auf dem Sonnblick. „Weil wir aber kein naturhistorisches Museum sind, haben wir den Forschungsthemen je ein Kunstwerk aus unserer Sammlung zugeordnet": Ein Aquarell von Wilhelm Scherübl, bei dem er die Farbe in der Eiseskälte kristallisieren ließ, ist hier zu sehen, oder auch die Arbeit „Blau, unendlich" von Inge Dick, in der die Künstlerin die allmähliche Veränderung des Lichts zwischen Nacht und Tag festgehalten hat.

Und damit wieder zurück zu den Extremen: In einer Schau, die viele Perspektiven auf Salzburg sichtbar machen will, darf der Blick von Thomas Bernhard nicht fehlen: „Die Salzburger waren immer fürchterlich wie ihr Klima", grantelt er also von einer Wand herab. Für die Ausstellung hat Nicolas Mahler den Schriftsteller durch Salzburg spazieren lassen und Graphic-Novel-Szenen zu berühmten Thomas-Bernhard-Zitaten gezeichnet. Auch überraschende Aussprüche sind da zu entdecken: „Die Stadt ist ein Kunstwerk, die Natur ist ein Wunder", heißt es an einer Stelle: „Aber es muß Leute geben, die immer ein Aber sagen ..."  CLEMENS PANAGL 

Ausstellung: „Salzburg einzigartig. Geschichte(n) aus Stadt und Land", Salzburg Museum.

Sommerakademie öffnet Räume

Kategorien überwinden, Freiräume schaffen: Das gehört zu den Klassenzielen, wenn die  Künstlerin Flaka Haliti bei der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst heuer einen Kurs für Skulptur, Installation und Mixed Media leitet. Wie das Aneignen von Räumen in ihrem eigenen Werk funktioniert, ist während des Sommers im Traklhaus zu sehen: Dort öffnet Flaka Haliti gemeinsam mit dem Designstudio Metahaven einen „Raum für Kunst und Diskurs" (19. 7. bis 10. 9.). 

Zum zweiten Mal fungiert das Traklhaus als Satellit der Sommerakademie (18.7. bis 27. 8.): Während die meisten Kurse in der Festung Hohensalzburg stattfinden, wird hier ein großer Teil der „Artist Talks" und der Gespräche mit Kuratorinnen und Kuratoren veranstaltet. Öffentlich zugängliches Programm bietet die Institution auch mit Kunst-Talks im Museumspavillon der Stadtgalerie und den „Open Studios", bei denen die Studierenden Einblicke in den Arbeitsprozess in ihren Klassen geben (Termine: www.summeracademy.at).


Kunst zum Sonnenuntergang

Sommerkinos gibt es viele, der Salzburger Kunstverein kann dennoch ein Alleinstellungsmerkmal für sich beanspruchen: Das von Direktor Séamus Kealy initiierte „Sunset Kino“ bietet „Österreichs einziges Sommer-Outdoor-Avantgarde-Filmprogramm".

Heuer ist die Freiluft-Reihe (die bei Schlechtwetter ins Künstlerhaus verlegt wird) von 17. Juli bis 24. August angesetzt. Den Anfang macht die Künstlerin, der Séamus Kealy auch die Sommerausstellung im Großen Saal des Kunstvereins widmet: Camille Henrot stellt am 27. und am 29. Juli ihre Filme und eine von ihr kuratierte Auswahl von Filmen anderer Künstlerinnen und Künstler vor.

An den weiteren Terminen zeigen auch Gastkuratoren wie Ángela Bonadies oder Tom Engels ihre Selektionen. Ebenfalls Teil des „Sunset Kinos", das heuer unter dem Motto ,,Love and its Remedies" steht, ist der Film „Die Geträumten" von Regisseurin Ruth Beckermann.