Carl Orffs „De temporum fine comoedia" erklingt fast 50 Jahre nach der Uraufführung wieder in Salzburg.

Eine Szene in der Uraufführung von Orffs Werk im Jahr 1973. BILD: SN/DPA/PICTUREDESK
„Man müsste sagen, Orffs, Comoedia' bleibt ein Stück legitimstes Salzburg, und es darf mit diesem einen Sommer kein Ende haben": Diesen Wunsch setzt der legendäre SN-Musikkritiker Max Kaindl-Hönig ans Ende seiner Besprechung der Uraufführung. Herbert von Karajan hat dieses gattungsbegrifflich schwer einzuordnende Werk, vom Komponisten als „Vigilia" bezeichnet, also als Nachtwache vor hohen Kirchenfesten, am 20. August 1973 im Großen Festspielhaus aus der Taufe gehoben. Mit Regisseur Eine August Everding und Bühnenbildner Günther Schneider-Siemssen hatte der Festspielleiter führenden Kräften die szenische Umsetzung des Spiels vom Ende der Zeiten" anvertraut.
Es geht um die letzten Dinge in Carl Orffs letztem Bühnenstück, und der deutsche Komponist findet einen ganz eigenen Zugang. Körperlose Koloraturen, stimmliche Wellenbewegungen, rhythmischer Sprechgesang, dämonisches Flüstern: Die sibyllinischen Weissagungen, die den Kern des Librettos aus der Feder des Komponisten bilden, werden mit großer Vielfalt in Klang übersetzt. Drei Chöre und 96 Schlaginstrumente sollen - vom Tonband und live auf der Bühne - den kultischen Charakter des Mysterienspiels verstärken.
Bereits zuvor hat sich Carl Orff mit antikem Welttheater beschäftigt, auf der Basis von Aischylos' „Antigonae“ und „Prometheus" sowie Sophokles' „Ödipus" musiktheatrale Werke geschaffen. In der „comoedia" verkünden zunächst neun Sibyllen den Untergang der Welt. „Ewige Qual, ewige Marter, ewige Folter, ewige Pein", dringt der chorische Sprechgesang im vertrauten Klang der deutschen Sprache ins archaische Klangbild altgriechischer Beschwörungen. Neun Anachoreten erheben ihre Stimmen gegen die Weissagung ewiger Verdammnis.„Der Teufel geht um / unter den Menschen / Gott hat es gewollt", wird in rasendem Tempo deklamiert. Der gefallene Engel Lucifer findet im dritten Teil tatsächlich Erlösung. Die ätherischen Chor-Cluster im „Pater peccavi" - „Vater, ich habe gesündigt" - führen hin zu einem versöhnlichen Ende: Bachs Choral „Vor deinen Thron tret' ich hiermit" klingt im Epilog an, dessen Klang von vier Bratschenstimmen wie eine Rückführung in ferne, unschuldige Zeiten wirkt.
Die 1973 beschworene Rückkehr des „Stücks legitimsten Salzburgs" zu den Salzburger Festspielen wird sich erst ein halbes Jahrhundert nach der Uraufführung erfüllen: Romeo Castellucci und Teodor Currentzis realisieren „De temporum fine comoedia" in der Felsenreitschule. Welche Lösungen der rätselaffine Gesamtkünstler und der mythenumwobene Dirigent auf die Herausforderungen dieses Stücks finden, wie sie in dieser Doppelproduktion an Bartóks Blaubart-Einakter anknüpfen: Diese Fragen wird die erste Opernpremiere des Festspielsommers am 26. Juli beantworten. FLORIAN OBERHUMMER