Unter Tag. Dank einer historischen Besonderheit kann man wie Vergil und Dante ins Erdinnere hinabsteigen.

Eingang zum Barbarastollen im Schaubergwerk Hüttau. BILD: SN/HKK
„Auf der Hälfte des Weges unseres Lebens fand ich mich in einem finsteren Wald wieder, denn der gerade Weg war verloren." So beginnt Dante Alighieri den ersten Teil seiner „Göttlichen Komödie“, der in die Hölle führt. Vielerorts im Land Salzburg gibt es solche Wälder, in denen man diese Gedanken samt der Angst vor einem wilden Tier nachvollziehen kann. Und solch schaurig erscheinende, mit Aufschriften versehene Eintritte ins Innere der Erde sind tatsächlich in steilen, waldreichen Gefilden zu finden. An deren Pforte könnte man wie Dante am Ende des 2. Gesangs der „Hölle" sagen: „Nachdem er losgegangen war, betrat auch ich den steilen, rauen Weg."
Der Grund für diese Einstiege ins Erdinnere ist eine Besonderheit der Salzburger Wirtschaftsgeschichte: der Bergbau. In den vorigen drei Jahrzehnten, als die letzten Bergwerke ihren Betrieb eingestellt hatten, wurden einige Stollen zu Schaubergwerken umgewandelt.
Jenes in Hüttau im Fritztal ist in Bezug zur „Göttlichen Komödie" so außergewöhnlich, weil die zwei Stollen dank jener Tugend zugänglich gemacht sind, die das Gegenteil dessen ist, was Vergil dem von ihm in die Hölle geführten Dante in Aussicht stellt: „du werdest die gepeinigten Menschen sehen, die die Gabe der Einsicht verloren haben."
Gabe des Erkennens, Mut, Idealismus und Eigeninitiative zeichnen jene Männer aus, die angeregt vom früheren Eisenerzer Bergmann Rainer Mrazek großteils auf eigene Kosten ab 1990 in acht Jahren die Herkulesarbeit am Larzenbach vollbracht haben, um die verschütteten Stollen - die ältesten vermutlich aus dem 13. Jahrhundert - freizulegen und mit teils von Hüttauer Bauern gespendeten Lärchenstämmen zu sichern.
Ein Zentimeter in acht Stunden
Da packen einen Schauder und Grauen, wenn man die Finsternis unter Tag betritt. Es ist glitschig und kalt. Die Pflicht, einen Helm zu tragen, ist in den schmalen, niedrigen, teils sogar schräg verlaufenden oder steil nach oben führenden Schlünden segensreich. Die höllischen Arbeitsbedingungen schildert Moritz Buchegger, der im Sommer die Besucher in Kleingruppen durch Georg- und Barbarastollen führt: In der ersten Epoche im frühen Mittelalter hätten die Bergmänner mit Spitzhacke und Hammer pro achtstündiger Schicht einen Zentimeter Stollen geschlagen. Wenn man bedenkt: Heute durchschreitet man das Schaubergwerk – wenngleich mit Zwischenstopps zum Staunen und zum Zuhören – in gut einer Stunde. In späteren Epochen des Stollenbaus sei mit Dynamit gesprengt worden, sagt Moritz Buchegger.
Weil der Stollenbau so höllenschwierig war, mussten Bergleute oft liegend oder kniend mit schwerem Gerät arbeiten - ein Schlenkerhammer wog an die acht Kilogramm. Weiße Kleidung trugen sie nach Angaben Moritz Bucheggers deshalb, weil diese das wenige Licht im Stollen reflektierte. Zu Kälte und Finsternis kam Feuer: In einer „Dom" genannten Höhle wurde Holz angezündet, um das herausgehauene Gestein zu erhitzen; indem man es mit Wasser abschreckte, wurde es poröser und leichter zu teilen, um es aus dem Berg, weiter ins nahe Pocherhaus und von dort zur Schmelze nach Lend zu bringen.
Höllenkraft des Wassers
Auch das Wasser kann eine Höllenkraft entfalten. Überall rinnt und tropft es. Trockenen und sauberen Schuhs kommt hier keiner durch. Dass ohne regelmäßiges Auspumpen die Stollen binnen weniger Jahre vermutlich ähnlich wie nach dem Ende des Kupferbergbaus 1869 verschwinden würden, gibt der Name der tiefsten Stelle zu bedenken: „ersoffener Schacht".
„Grausig viele Spinnen"
Gibt es Lebewesen im Stollen? Nur Insekten und „grausig viele Spinnen", sagt Moritz Buchegger. Die kämen bei den ganzjährig stetigen acht Grad vor allem zum Überwintern.
Hüttau ist ein Beispiel für die Bergwerke in der an Rohstoffen einst reichen Grauwackenzone - vor allem mit Kupfer, wie in Mühlbach (mit Schaustollen), Mitterberg, St. Veit (Schaubergwerk Sunnpau), Niedernfritz oder Filzmoos. Bergbaumuseen und Schaubergwerke dieser Gegend haben zur touristischen Erschließung den „Geopark Erz der Alpen" mit einem Besucherzentrum in Bischofshofen formiert.
Auch andernorts darf man ins Berginnere - sei es in den Salzwelten bei Hallein, im Schaubergwerk Schwarzleo bei Leogang, wo einst Kupfer, Blei, Silber, Quecksilber, Nickel und Kobalt gefunden wurden. „Glück auf!" heißt es nach mehr als 200 Jahren seit 1990 wieder in Ramingstein im Lungau. Auch dort haben mutige Lungauer Männer und Frauen die Stollen des Silberbergbaus wieder zum Leben erweckt: auf dass wir wie Dante und Vergil „mit heiterer Miene" in „die abgeschiedenen Bereiche" hineinkraxeln können. HEDWIG KAINBERGER