„Schauspiel-Recherchen" zu Schnitzler und Jelinek.

Was wäre, wenn eine Frau im „Jedermann" die Hauptrolle hätte? Lars Eidinger als Jedermann und Verena Altenberger als Buhlschaft in der Aufführung 2021. BILD: SN/SF/MATTHIAS HORN
Für seine Reise in die Unterwelt wählte sich Dante Alighieri einen berühmten Kollegen als Führer: Der antike Dichter Vergil geleitete ihn ins „Inferno". 2021, als der 700. Todestag Dantes den Anlass für ein Gedenkjahr gab, suchte sich die österreichische Autorin Katharina Tiwald für ihre Erkundung heutiger Abgründe eine zeitgenössische Reisebegleitung: „Mit Elfriede durch die Hölle" hieß ihr Roman, in dem die Nobelpreisträgerin kontinuierlich mit Zitaten aus ihren Werken wie „Die Ausgesperrten" oder „Die Kinder der Toten" auftauchte.
Symposium „Kapital.Geschlecht"
Bei den „Schauspiel-Recherchen" der Salzburger Festspiele steht Elfriede Jelineks Werk heuer im Zentrum einer Betrachtung aus den Perspektiven von Wissenschafterinnen und Künstlerinnen: „Kapital.Geschlecht" heißt der Schwerpunkt (am 12. August, 20 Uhr, Solitär), der sich „in Form von einer Wider-Rede und Dialogen" mit den Zusammenhängen von „Geschlecht, Kapital und patriarchaler Macht" auseinandersetzt.
Die „Wider-Rede" hält Carolin Emcke, aus Elfriede Jelineks Texten liest Burgschauspielerin Mavie Hörbiger, an der Diskussion nehmen die Künstlerin Xenia Hausner, die Philosophin Lisz Hirn und Schauspielchefin Bettina Hering teil.
Salzburger Festspiele männlich dominiert
Das Thema „Kapital.Geschlecht" wird an den folgenden beiden Tagen fortgeführt, der „Interuniversitäre Forschungsverbund Elfriede Jelinek" sowie das Elfriede-Jelinek-Forschungszentrum kooperieren dabei mit dem Literaturarchiv Salzburg. Veranstaltungsort ist am Samstag wie am Sonntag, ab jeweils 15 Uhr, das Literaturarchiv in der Kapitelgasse. Am Samstag führen beispielsweise die beiden Literaturwissenschafter der Universität Salzburg, Uta Degner und Manfred Mittermayer, einen Dialog über „Kapital, Geschlecht und Gewalt in der österreichischen Literatur".
Danach wird dem Gründungsstück der Salzburger Festspiele auf den Zahn gefühlt: Über „Männlicher Mythos Jedermann - männlicher Mythos Salzburger Festspiele?" werden die Dokumentarfilmerin Ruth Beckermann und der Historiker Robert Hoffmann diskutieren.
Wie „Jedermann" als subversiv-feministisches Stück sein könnte, kommt in Video und szenischer Lesung zur Geltung. Dafür hat die österreichische Autorin Lydia Haider auf Einladung des Elfriede-Jelinek-Forschungszentrums den Text der Buhlschaft quasi überschrieben - mit dem Titel: „Die Buhlschaft in Herbert. Eine Heimführung". Daraus hat sie mit etwa 20 Schauspielerinnen und Schauspielern ein Video gedreht, das beim Symposium erstmals gezeigt und mit einer Live-Performance verbunden wird. Dies ist ein Projekt in Kooperation mit dem Volkstheater Wien, wo es im Herbst weitergeführt werden soll.
Gewalt gegen Frauen im Musiktheater
Am Sonntag geht es unter anderem um „Gewalt gegen Frauen im Musiktheater" - in einem Gespräch von Dramaturg Christian Arseni, Opernregisseurin Barbara Beyer und Sopranistin Karita Mattila.
Fragen nach Geschlecht und Macht
Neu gestellt werden Fragen nach Geschlecht, Hierarchie und Macht auch in einer „Überschreibung“ des „Reigen" nach Arthur Schnitzler bei den Salzburger Festspielen, für die zehn Autorinnen und Autoren die Dialoge Schnitzlers neu fassen. Bei den „Schauspiel-Recherchen" beziehen sie an drei Terminen Stellung zu den Themen des „Reigen" und ihren Texten: Am 29. Juli sind Mikhail Durnenkov, Sofi Oksanen und Hengameh Yaghoobifarah zu Gast in der Szene (17 Uhr), am 30. Juli Leif Randt, Leïla Slimani und Kata Wéber (17 Uhr) sowie Lukas Bärfuss, Lydia Haider, Jonas Hassen Khemiri und Sharon Dodua Otoo (20 Uhr).
Symposium: „Kapital.Geschlecht", 12. bis 14. August, Solitär der Universität Mozarteum und Literaturarchiv Salzburg.
Recherchen: Gespräche über die Neuinterpretation von Arthur Schnitzlers ,,Reigen", 29. und 30. Juli, Szene Salzburg.