Neue Architektur in der Altstadt von Salzburg zu verwirklichen, das ist in jedem Fall ein aufwendiges und vor allem langwieriges Verfahren. BERNHARD SCHREGLMANN

Modernes Atelier der Architekten Lechner & Lechner in der Priesterhausgasse. BILD: SN/HORST LECHNER
Denkmalschutz, Unesco-Hüterinnen und -Hüter sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger sorgen dafür, dass selbst kleine Veränderungen des Stadtbilds zur Mammutaufgabe werden können. Doch das ist nicht immer so. Wer schon im Vorfeld seine Hausübungen macht, kann sein Vorhaben schneller durchbringen - manchmal zumindest. Doch wie viel Neubau verträgt die Altstadt? ,,Es müssen gute Projekte sein, die verträglich sind und das Erscheinungsbild der Stadt nicht beeinträchtigen", sagt Horst Lechner vom Architekturbüro Lechner & Lechner: „Es geht darum, den Charakter der Stadt zu erhalten." Sein Atelier dient dabei als Vorbild, ist es doch ein ganz moderner Bau in der Priesterhausgasse.

Die Altstadt nicht infrage stellen
,,Die Altstadt ist ein Lebensraum, der auch einen touristischen Wert besitzt“, ergänzt Architekt Hermann Schnöll vom Büro Flöckner/Schnöll: ,,Ich möchte dieses Bild nicht durch Neubauten infrage stellen." Jene Neubauten, die errichtet worden seien, seien Perlen, die es so ohne Schutzstatus nicht gäbe. „Es geht um das Anschließen an das Bestehende in zeitgemäßer Form", ergänzt Maria Flöckner. Das bedingt eine große Sorgfalt, die es auch einzufordern gilt.
Wichtig sei es, zeitgemäß zu bauen, meint auch Architekt Fritz Lorenz. Neu- oder Umbauten sollten nicht historisierend sein, aber auch nicht modernistisch: ,,Was die Erzbischöfe gemacht haben, war brutal, aber es ist gute Architektur. Ob dies auch für Neues in der Altstadt gilt, wird sich wohl erst in 100 Jahren entscheiden." Lorenz hat beispielsweise den Neubau des Sternbräus entworfen. ,,Was wir abgebrochen haben, war nichts Altes. Die Arkaden waren historisierend und teilweise nachgebaut." Die Fassaden aus den 50er und 60er-Jahren seien einfach mit Konglomerat verkleidet worden. Dennoch sei das alte Sternbräu vorhanden mit der durch die Bäume geprägten Hofgestaltung. „Es braucht viel Fingerspitzengefühl, was geht und was nicht", sagt Lorenz. Der historisierende Neubau eines Teils des Mozart-Wohnhauses habe damals viel Diskussionsstoff geliefert, dagegen war der originalgetreue Wiederaufbau des Doms nach den Bombenschäden nicht anders möglich. Lorenz: „Nur historisierend zu bauen ist aber nicht der richtige Weg."
Wie nähert man sich als Architekt aber einer solchen Aufgabe? „Es ist wichtig zu schauen, was passt und was nicht. Man muss die Örtlichkeiten berücksichtigen und mit Gefühl und Einfühlungsvermögen an die Aufgabe herangehen. Oft wird etwas heftig diskutiert, aber nach einem Jahr redet keiner mehr drüber“, sagt Lorenz. Zudem sei der Entwurf allein noch nicht alles. „Es muss auch so umgesetzt werden wie geplant und auf die Details geschaut werden." Sind Wettbewerbe in dieser Hinsicht hilfreich? ,,Man muss auch etwas infrage stellen können. Oft zeigt die Jury, dass man einen falschen Zugang gewählt hat. Jede Aufgabe, besonders in der Altstadt, ist eine Herausforderung", bekräftigt Lorenz. Diese Herausforderungen seien nicht automatisch lästig, sondern oft hilfreich, wenn es um Raumhöhen, Türen etc. gehe. „Oft ist es schwieriger, ohne Vorgaben auf der grünen Wiese zu planen."

Den Unterschied zwischen Wettbewerb hat auch Architektin und Direktvergabe Maria Flöckner im Visier: „Bei einem Wettbewerb gibt es schon im Vorfeld die Information, was gewünscht ist und was nicht." Das sei für sie etwa beim Bau des neuen Pausenfoyers im Mozarteum so gewesen. Flöckner: ,,Im Rahmen eines Architekturwettbewerbs stehen im Wesentlichen die Schutzauflagen fest, es geht dann um die Rolle, die das Neue spielen kann. Es geht um Präsenz von alten und neuen Bauteilen und wie viel Energie das Alte hat." Ganz wichtig sei bei einem Wettbewerb: ,,Die Vorgaben müssen das Schutzziel definieren, aber nicht die Lösung." Es gehe also um das Ziel und nicht den Weg dahin. Ihr Partner Hermann Schnöll beschreibt das so: „Bevor man mit einem Projekt beginnt, muss man sich mit dem Ort, dem Objekt und dem Umfeld auseinandersetzen. Welches Gefüge hat die Stadt? Was ist schon da, was könnte man erreichen? Wir müssen also in die Vergangenheit und in die Zukunft schauen."
Horst Lechner hat mit Bauvorhaben in der Schutzzone widersprüchliche Erfahrungen gemacht: ,,Entweder du hast die eine gute Idee oder es fallen dir 1000 Sachen sein. Dann ist das oft ein langer Prozess." Ein Projekt bestehe manchmal zu 50 Prozent aus guten Ideen und zu 50 Prozent aus Annäherungen. Da brauche es oft einen halben Tag für eine einzige gute Lösung. Allerdings wisse man bei einem solchen Projekt im Vorfeld nie, wie lange es dauern werde, sagt Lechner: ,,Was die SVK sagen wird, können wir nicht einschätzen. Das ist aber eine wichtige Diskussion auf fachlicher Ebene, die oft sehr bereichernd ist." Letztlich seien die Projekte von Lechner & Lechner immer gut verträglich für die Altstadt gewesen, dazu gehören Dachausbauten ebenso wie die Renovierung des Kapitelsaals, den Lechners Mutter umgesetzt hat.
Braucht es nicht auch eine moderne Landmark in der Altstadt? Das müsse man anlassbezogen sehen, meint Horst Lechner und weist auf den modernen Marko-Feingold-Steg (früher Makartsteg) hin. Wenn die neue unterirdische Bahn komme, werde es auf dem Mirabellplatz wohl ein modernes Stationsgebäude geben: „Das kann modern sein, dafür weicht ja nichts Altes." Hermann Schnöll weist noch auf ein anderes Gebäude hin: ,,Schauen Sie sich das Museum der Moderne auf dem Mönchsberg an. Das ist ein extrem prominenter Standort und gleichzeitig moderne Architektur." Dennoch seien die Festung und die Stadtberge die dominierende Landmark. ,,Es müssen die Relationen stimmen“, ergänzt Maria Flöckner: „Wenn die Dimension passt, kann man etwas Modernes dazustellen. Ein Eingriff, wenn er gut ist, hat immer Potenzial." Für das Architektenduo stellt sich in Salzburg eine generelle Frage: Ist man mit dem Gesamtzustand der Stadt zufrieden? Schnöll: ,,Früher sind die Menschen zum Einkaufen in die Altstadt gefahren." Heute sei die Geschäftswelt vor allem auf die Gäste ausgerichtet. Es sei letztlich eine politische Entscheidung, welche Wege man in der Stadt gehe.
Auf die Frage nach einer modernen Landmark meint Fritz Lorenz: „Ich wüsste nicht wo." Etwa der außen liegende PanoramaAufzug auf den Mönchsberg, der Anfang der 2000er-Jahre als Projekt existierte, sei ,,sicher gut gewesen. Auch das Hollein-Museum". Das wären jedenfalls Projekte gewesen, bei denen das Neue auch sichtbar ist.
Und mit noch einem Problem müssen sich die Architekten in der geschützten Altstadt auseinandersetzen: der Anpassung an moderne Anforderungen, Stichwort: Barrierefreiheit. ,,Das ist schwierig", sagt Lorenz. Hier müsse man ausloten, was gehe und was nicht. Beispiel Lift: An welchem Platz soll er errichtet werden? Lorenz: ,,Wenn das wie bei der Landesregierung im Innenhof ist, dann ist das nicht so tragisch. Aber in der Getreidegasse ist das sehr schwierig. Da muss man darauf schauen, dass die Lösung für den Bauherrn, den Denkmalschutz und auch die SVK tragbar ist.
„Wir leben nun einmal in der Gegenwart, da muss eine gewisse Anpassung möglich sein", betont Hermann Schnöll. So habe man beim Mozarteum den Lift sinnvoll im Gebäude unterbringen können, dabei aber das Gesamtgefüge nicht verändert. „Es geht darum, so etwas zu integrieren und nicht zu addieren. Die Frage ist: wie?" Etwa mit einer Rampe und passenden Farben und Materialien. Das betrifft auch die Fenster. „In der Alten Residenz sind sehr traditionelle Kastenfenster eingebaut, wo man vielleicht nur mit einem Falz etwas machen kann. In einer anderen Gasse geht es vielleicht, dass eine der Scheiben aus Isolierglas ist.“ Schnöll: „Man muss abwägen, was wichtiger ist, das bauliche Erbe oder die aktuelle Wohnqualität.“ Jedenfalls müsse man alte Materialien verwenden und dürfe keinesfalls industrielle Lösungen nutzen. Flöckner: ,,Bauen ist etwas für eine sehr lange Zeit. Da muss man sich schon intensiv reinlegen und alle Ressourcen nutzen."