Sie ist charmant, lebensfroh und wertig: die Tracht. Zwei Salzburger Manufakturen gewähren Einblick in ihre Werkstätten – und verraten die Trends im Herbst. SANDRA BERNHOFER

Charmant und leicht sind die Trachten und Stoffe aus dem Salzburger Heimatwerk. BILDER: SN/SALZBURGER HEIMATWERK (1), ANDREAS KOLARIK (1)
Leinenhemd und Lederhose für den Herrn; Dirndl, Bluse und Schürze für die Dame - so zeigen sich die Salzburgerinnen und Salzburger bei Festen und Veranstaltungen gerne. Brauchtumspflege ist hierzulande neun von zehn Personen ein Anliegen, zeigt eine IMAS-Studie von 2016. Und auch Hildegund Schirlbauer ist überzeugt: Traditionen und Werte geben Halt, gerade in Krisenzeiten. Und für Tradition steht die Tracht nun einmal besonders.
Schirlbauer ist seit Geschäftsführerin Jahresbeginn im Salzburger Heimatwerk. Für viele ist das Haus am Residenzplatz in der Mozartstadt die erste Adresse, wenn es ums Dirndl geht. Qualität schreibt sich hier groß. 1500 Stoffe, vorwiegend aus der Alpenregion, stapeln sich, in Ballen aufgewickelt und nach Farben sortiert, in den Regalen. Diesen Herbst sind kräftige Töne angesagt, vom leuchtenden Pink zum Royalblau, genauso aber der monochrome Look in Nudefarben und Taupe. Das Wichtigste: „Es muss zum Typ passen."
Besonders stolz ist das Heimatwerk-Team auf die Biotextilien aus Vorarlberg und die Seide, die aufwendig von Hand bedruckt wird, zum Teil in bis zu sieben Farben. Ein Heidenaufwand: Der Model muss nach jeder Schicht gründlich gewaschen werden, die Farbe zwischentrocknen. Was dabei entsteht? Unikate. ,,Wenn der Stoff aus ist, ist er aus", warnt eine der Verkäuferinnen gerade eine Kundin.
Kulturgut mit Geschichte
Das Heimatwerk ist mehr als ein Trachtengeschäft: Es versteht sich als Kultureinrichtung. „Bei uns verbindet sich gelebte Tradition mit visionärem Gestalten. Die Kundschaft kauft hier nicht nur ein Dirndl, wir geben ihr auch mit, woher es kommt - sie bekommt obendrauf also die Geschichte der vergangenen 250 Jahre", betont Geschäftsführerin Schirlbauer. Dirndl und Lederhose waren einst nämlich das Arbeitsgewand der ländlichen Bevölkerung. Neben den Alltagstrachten gab es auch das Festgewand. Jene Frauen, die sich das nicht leisten konnten, tauschten sonntags kurzerhand die Schürze, die so vom schützenden zum schmückenden Teil wurde. Im 19. Jahrhundert entdeckte schließlich die urbane Bevölkerung Trachtenkleidung für sich: ,,Man hat aus der einfachen Arbeitskleidung etwas gemacht, das auch für Menschen aus den Städten tragbar war - beispielsweise für diejenigen, die auf Sommerfrische gefahren sind", erzählt die Heimatwerk-Leiterin. In jener Zeit entdeckte auch die Wissenschaft das Thema Tracht für sich. „Es wurde dokumentiert, was in den Regionen als Tracht zu verstehen ist. Aus diesem Fundus an Dokumentationen schöpfen wir noch heute."
Stücke für die Ewigkeit
Viele kommen bereits mit einer fixen Vorstellung ins Heimatwerk. ,,Die Marketenderin braucht eine Tracht, die zum Rest der Musikkapelle passt, die Almwirtin ein robustes Dirndl, bei dem die Schürze oft gewaschen werden kann. Bei anderen entsteht das gute Stück im Verkaufsgespräch", erzählt Schirlbauer. Und physisch entsteht es schließlich in der Schneiderei des Hauses: Die liegt im oberen Stockwerk. Vier Schneiderinnen sitzen dort über die Arbeit gebeugt. Zwölf Stunden arbeitet eine Schneiderin an einem Dirndl, an einem mit Stehfalten schon einmal fünf Stunden länger. Sie muss Muße mitbringen und einen Hang zur Perfektion. Vor allem, wenn es um ein Festtagsdirndl geht, denn darin steckt schnell einmal eine Woche Arbeit: Rüschenverzierungen, Stickarbeiten mit Silberoder Goldfäden und Perlen, Blumen, bei denen jedes einzelne Blatt per Hand genäht wird, brauchen nun mal ihre Zeit. Jede Region hat ihre eigene Charakteristik, doch eines haben alle Festtagsdirndl gemeinsam: Sie sind bodenlang, aus erlesenen Stoffen und aufwendig verziert.
Oft werden die wertvollen Stücke von Generation zu Generation weitergegeben. „Ein Dirndl ist etwas für die Ewigkeit", ist Schirlbauer überzeugt: „Aber man muss mit der Zeit gehen. Ein wenig spielerische Innovation und Dynamik darf man schon wagen." Und: ,,Man muss nicht alles sofort weggeben. Die knöchellangen Kleider von früher lassen sich schnell auf die aktuell modischen 70 Zentimeter kürzen. Und auch eine neue Schürze sorgt für Pfiff."
Apropos Schürze - Dirndl-Insiderinnen und -Insider wissen: Die Schleife muss vorn sitzen und spricht eine deutliche Sprache. Eine links gebundene Masche bedeutet, dass die Dame nicht liiert ist. Sitzt die Schleife rechts, ist die Dame bereits in festen Händen.
Edle Dirndl aus dem Familienbetrieb
Schauplatzwechsel in die Manufaktur von Susanne Spatt: Im Familienunternehmen der Designerin packen alle mit an. Für den original Ausseer-Handdruck, dem in ihrer Kollektion ein ganz besonderer Wert zukommt, sorgt ihr Ehemann; die vier erwachsenen Kinder steuern Finanzwissen, Design-, Styling- und Marketing-Know-how bei.

Eigentlich ist Susanne Spatt ja Juristin, aber seit 1996 kreiert sie Trachtenkollektionen von höchster Qualität: einzigartig, klassisch und mit außergewöhnlicher Detailverliebtheit. Heute zählt sie zu den Topdesignerinnen in der Szene. Was für sie die Faszination an der Trachtenmode ausmacht? ,,Zur Tracht gekommen bin ich aus Liebe zur Tradition", erzählt sie: „Tracht hat eine besondere Wertigkeit. Sie ist zeitlos, es ist Qualität made in Austria, in schönen Designs und tollen Farben. Und was mich besonders freut: Diese Arbeit wird auch geschätzt. Man bekommt viel zurück."
Als Grundmaterialien für ihre Entwürfe verwendet die Designerin hochwertige Seide, Baumwolle, reines Leinen oder Samt in zurückhaltenden Farben. Leib, Rock und Schürze stimmt sie harmonisch ab. Liebevolle Details wie handstaffierte Knopflöcher, Applikationen aus Swarovski-Kristallen und Nerzbesätze verleihen klassischen Modellen eine elegante und modische Note. ,,Tracht ist etwas Regionales und kann nur authentisch sein, wenn man sie auch mit der Region in Verbindung bringt. Unsere Stoffe kommen deshalb auch nicht aus Indien oder sonst wo her. Unsere Kollektion wird in der Steiermark produziert, hier in Salzburg bieten wir Maßanfertigungen an."
Für den Herbst empfiehlt Spatt: ,,Loden, Wollstoffe und Seide in Kombination mit Baumwolle, genauso Jagdliches im englischen Stil. Angesagt sind ein pudriges Bordeaux, Braun, Eukalyptus. Blau geht auch immer." Neben den zwei Mal jährlich wechselnden Kollektionen gibt es bei Spatt auch eine klassische Linie sowie Brautmoden, die in der hauseigenen Manufaktur maßgeschneidert werden. „Unsere Kundinnen schätzen, dass wir nachhaltig und wertig arbeiten, dass wir keine Massenproduktion haben, kein Polyester, keinen Kitsch, keine Minilängen. Unsere Trachten sind stilvoll. Das wird geschätzt, gepflegt und weitergegeben." Als sie vor 25 Jahren begonnen habe, sei der Markt ein schwierigerer gewesen, erinnert sich die Designerin: „Da war Tracht so ein Trend, da waren Massen am Markt. Jetzt wird es wieder gediegener. Über die Jahre hat sich Tracht zur Mode entwickelt. In Kombination mit einer Jeansjacke etwa kann man sie problemlos auch im Alltag tragen."
,,Anders als ihre oft schnelllebige Schwester,Mode' verliert die Tracht nie an Aktualität, denn sie hat Qualitäten, die sich jeder zeitgeistigen Laune widersetzen", ist man auch im Heimatwerk überzeugt. Zeitlose Nachhaltigkeit für den Kleiderschrank eben.