Martin Eder spricht im Interview über unser Essverhalten und erklärt, warum Fooddesignerinnen und Fooddesigner Architekten der Lebensmittelbranche sind. ANNA MAIER

Furo-Inhaber Martin Eder plädiert dafür, Essen mehr wertzuschätzen. Irrtümlicherweise glauben viele, dass Fooddesignerinnen und Fooddesigner für die Optik der Gerichte zuständig sind. Dabei geht es aber eher um ein Gesamtkonzept hinter unserer Ernährung. BILDER: SN/ANDREAS EDER
Martin Eder steht hinter der Theke seines Lokals Furo. Der Name bedeutet übersetzt „kleiner Fluss" und steht dafür, dass alles immer in Bewegung ist - was man als Martin Eders Lebensmotto bezeichnen könnte. Der Salzburger mag die Veränderung. Nach der Matura ist er ins Ausland gegangen, war eine Zeit in Kitzbühel, dann als Barchef und F&P-Manager auf dem Schiff, im Brand Management einer Destillerie und zuletzt als Marketingleiter bei einer Salzburger Fast-Food-Gruppe tätig. Dazwischen gründete er mehrere Pop-upStores und studierte Fooddesign. Für ihn bedeutete Fooddesign, einen Ort zu eröffnen, den es so in Salzburg noch nicht gab. Herausgekommen ist ein Lokal in der Lasserstraße.


SN: Herr Eder, meiner Vorstellung nach stehen Fooddesignerinnen und Fooddesigner den ganzen Tag in der Küche und überlegen, wie sie ihr Gericht noch schöner präsentieren könnten.
Martin Eder: Wenn Sie so jemanden suchen, müssen sie ins Restaurant Brunnauer gehen oder in den Hangar-7. Da stehen 24 Köche für 22 Sitzplätze, jeder mit einer Pinzette in der Hand. Jedes Stück Blumenkohl und jede Blüte wird im richtigen Winkel drapiert und dekoriert. Dann gibt es noch die Foodstylisten, die einen ausschließlich optischen Zugang zu dem Thema haben. Meistens sind das Fotografen oder Köche mit einem Fotofokus. Der Apfelsaft ist dann ein Essigwasser und das Burgerpatty ist schon lange kalt und mit 10.000 Zahnstochern fixiert.
SN: Was macht also eine Fooddesignerin und ein Food designer?
Fooddesignerinnen und Fooddesigner setzen sich kritisch mit dem Thema Ernährung auseinander und entwerfen Konzepte für Gastronomie oder Lebensmittelproduzenten. Lebensmittelfirmen haben unterschiedliche Anliegen, die sie nicht selbst lösen können. ,,Unser Sortiment hat einen wahnsinnig schlechten CO₂-Fußabdruck, was können wir verbessern?“ oder „In unserer Schokoladenfabrik erreichen wir fast ausschließlich die Generation 50 plus, wie können wir die Zielgruppe der 25-Jährigen gewinnen?" sind klassische Fragen. Fooddesignerinnen bzw. Fooddesigner haben eine beratende Tätigkeit. Ein weiteres Aufgabenfeld besteht in der Erstellung von Gastronomiekonzepten. Es ist ein weiter Begriff, den man nicht so genau definieren kann.
SN: Warum braucht es eigens einen Studiengang, der sich mit Essen beschäftigt?
Meiner Ansicht nach hat Fooddesign einen Auftrag, und der ist klipp und klar im Sinne des Unworts Nachhaltigkeit. Fooddesign ist alles, was unsere Wahrnehmung stärkt: Wir wissen, so wie wir jetzt handeln, können wir nicht weitermachen. Ein No-Go ist für mich beispielsweise dieser Instagram-Hype. Wir essen Açaí-Bowls mit Heidelbeeren.
Diese Heidelbeeren kommen aus Peru, kosten 1,99 Euro die 250 Gramm. Da frage ich mich schon - ich war zwar noch nie in Peru, aber allein der Flug kostet mich über 800 Euro-, wie soll das auf eine umweltfreundliche Art geschehen? Die Ware kommt vom Schiff oder vom Flugzeug in den Kühllaster und zu uns. Eine Heidelbeere hat auch keine lange Haltbarkeit. Die Dinger sind so groß wie Himbeeren, schmecken tun sie nach nichts. Muss ich sie unbedingt haben? Nein, muss ich nicht.
SN: Was wir essen, hängt also stark von Trends ab?
Essen wird nur wichtig, wenn es irgendwie schick ist. Wenn es gerade ein Trend ist, dass ich jetzt meine Papaya mit Kokosflocken esse, dann ist es wichtig. Wenn Essen aber nicht im Fokus steht, ist es bequem und muss schnell gehen. Allein, was wir uns alles von Lieferdiensten nach Hause liefern lassen. Natürlich bekommen wir da Bauchweh, natürlich kriegen wir da Allergien. Weil wir uns mit unseren Lebensmitteln nicht auseinandersetzen. Als Otto Normalverbraucher ist uns gar nicht bewusst, wie der Preis für ein Packerl Hendl zustande kommt. Essen ist für viele eine Notwendigkeit, das sollte es aber nicht sein.
SN: Ohne Essen würde es aber auch nicht gehen.
Essen soll keine Notwendigkeit sein. Wir sind so getrieben von unserem Alltag, haben so viel Stress. Wir gehen ins Fitnessstudio, haben soziale Verpflichtungen, am Abend gehen wir aus. Irgendwann gründen wir eine Familie, nebenbei müssen wir immer online sein, über die neuesten Trends Bescheid wissen und in dem Moment, wo Essen nicht schick ist, sprich: ich es nicht mit der Öffentlichkeit teilen kann, ist es eine Notwendigkeit. Und das ist falsch. Wir ballern so viele ungesunde Dinge in uns rein, essen das ärgste Essen und versuchen dann, es auf einem anderen Weg wieder runterzubekommen und rennen 15 Mal in der Woche ins Fitnessstudio. Das ergibt für mich keinen Sinn. Wir müssen immer alle so optimiert sein - ein anderes Thema. Muss ich mich grenzenlos optimieren? Muss mein Essen immer die Notwendigkeit haben, dass es perfekt ist? Oder darf es auch mal eine Leberkässemmel sein? Ich freue mich schon auf die Schnitzel, die es am Sonntag bei meiner Mama gibt.
SN: Wie sollten wir also essen?
Für viele muss Essen schnell sein, billig sein, viel sein. So müssten wir eigentlich nicht essen. Man muss es viel mehr wertschätzen. Ausgewogenes Essen ist sehr wichtig, Verzicht ist für mich immer ganz schwierig. Ich könnte beispielsweise nie auf Schokolade verzichten, obwohl das eigentlich ein sehr arges Lebensmittel ist. Da gibt es Menschenhandel, da gibt es Kinderhandel, da steckt Sklaverei drinnen. Und trotzdem esse ich sie gerne. Ein weiteres Problem: Wir essen alle so viel Fleisch, obwohl wir das gar nicht müssten. Unser Fleischkonsum muss in ein gesünderes Verhältnis rücken. Wenn ich Fleisch esse, dann wenigstens aus artgerechter Haltung. Das Hendl darf ruhig echten Boden oder echte Wiese berührt haben. Das zahlt man, aber das finde ich auch richtig. Von 21 Mahlzeiten in der Woche beinhalten 14 Fleisch. Müssen es wirklich 14 sein oder reichen auch drei oder vier? Alles, was zu radikal in eine Richtung geht, zum Beispiel vegane Ernährung, überzeugt mich nicht zu hundert Prozent. Die Menge macht den Unterschied und kann eine große Wirkung schaffen. Es geht ums Gleichgewicht. Als Fooddesigner ist man wie ein Architekt in der Lebensmittelbranche. Unter Design verstehen viele etwas Schönes, aber Design sollte auch einen Konflikt lösen.
SN: Inwiefern spielt das Wie eine Rolle?
Das beginnt schon beim Geschirr. Beispielsweise haben meine Gläser einen speziellen Rand, der nach außen gebogen ist. Das hilft beim Trinkfluss. Bei einem Kaffeegeschirr aus Keramik wird die Hitze anders gespeichert. In den Achtzigerjahren hat ein Hauptspeisenteller einen Durchmesser von 23 bis 25 Zentimeter gehabt. Mitte der Neunzigerjahre ist die durchschnittliche Tellergröße schon auf 27 bis 30 Zentimeter angewachsen. Wenn man sich kurz mit Mathematik beschäftigt, weiß man, was der Radius für einen Unterschied beim Volumen macht, und man muss sich fragen: Warum essen wir denn alle falsch und so viel? Weil unsere Teller so groß sind und wir diese immer noch leer machen wollen. Das alles sind Dinge, mit denen sich Fooddesignerinnen und Fooddesigner auseinandersetzen.