Karl Schmidt (Wagrain)
Franz Karl Schmidt (* 22. Jänner 1751 in Regen, Herzogtum Bayern; † 29. September 1820 in Wagrain) war Bader, Chirurg und Gemeindevorsteher in Wagrain.
Leben
Karl Schmidt, wie er allgemein in Quellen genannt wird, kam als viertes legitimes von neun Kindern eines bürgerlichen Baders im bayerischen Marktort Regen zur Welt. Sein Vater war Kärntner und hatte eine aus Regen stammende Weberstochter geheiratet. Vater Schmidt dürfte bis zu seinem Tod in Regen als Bader tätig gewesen sein. Ob sein Sohn von ihm das Wissen und die Schulung erhielt oder an einem anderen Ort ist unbekannt.
Die ersten Nachweise finden sich 1780. Am 12. Juni dieses Jahres hatte Karl Schmidt in der Vikariatskirche in Wagrain Barbara Hiebl geheiratet. Sie war die eheliche Tochter eines hochfürstlichen Fuhrknechtsaus Salzburg. Im August 1781 kam ihr erstes Kind, eine Tochter, zur Welt, deren Taufpatin die Vikarsköchin Scolastica Hiebl war. Sie war mit der Mutter des Kindes verwandt und ihr Onkel, Vikar Rupert Hiebl (1767–1784/1785) taufte es. Als Vetter von Karl Schmidt dürfte dieses verwandschaftliche Verhältnis Schmidt seinen beruflichen Beginn in Wagrain sehr stark erleichtert haben.
Zwei Tage vor der Eheschließung hatten die beiden als wirtschaftliche Grundlage für ihre Ehe das sogenannte "Reindl Hauß" mit Garten im Markt zum günstigen Preis von 600 Gulden gekauft. Zum Haus gehörte eine Badergerechtigkeit und ein Heilbad. Es hatte dem bürgerlichen Chirurg in Wagrain, Martin Sebastian Pauer gehört. Über Ersuchen des Vikars räumte Schmidt beim Kauf seinem Vorgänger das Recht ein, weiterhin sein Gewerbe ausüben zu dürfen. Vermutlich kam dieses Zugeständnis aufgrund des sehr günstigen Kaufpreises zustande und kostete Schmidt nach eigenen Angaben durchschnittliche 40 Gulden Mindereinnahmen pro Jahr.
Seine Tätigkeit in Wagrain
Bei der Bekämpfung der immer wieder epidemisch auftretenden Pocken (Blattern) konnte sich Schmidt einen gewissen Ruhm schaffen. Er dürfte 1782 vermutlich der erste im Erzstift gewesen sein, der Kinder gegen diese Krankheit impfte. Ausgehend von England war die sogenannte Inokulation, die absichtliche Verpflanzung der echten Pocken von einer auf eine andere Person bekannt. Diese Therapie galt jedoch um diese Zeit noch als gefährlich. Trotzdem gelang es Karl Schmidt etwa 380 Kinder erfolgreich zu behandeln ohne einen Todesfall verzeichnen zu müssen. So konnte diese Krankheit für etwa zwei Jahrzehnte in Wagrain eingedämmt werden.
Konflikte mit Priestern
1784 hatte Vikar Rupert Hiebl aufgrund von Leibesgebrechlichkeiten resigniert und verbrachte seinen Lebensabend im Baderhaus von Schmidt, wo er am 31. Oktober 1785 starb. Nach seinem Tod kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Koadjutor Johann Michael Schwaighofer und Schmidt, der den Koadjutor beschuldigte, die Sackuhr des Vikars entwendet zu haben. Schwaighofer soll Schmidt gewürgt und ihm einen Zinnteller ins Gesicht geschleudert haben. Bei den Erbverhandlungen musste Dechant Johann Adam Rieger in Altenmarkt die Vorwürfe prüfen. Aufgrund der nicht beweisbaren gegenseitigen Vorwürfe sollte Schwaighofer nach "Hof in Gastein" abreisen, um weitere Streitigkeiten zu vermeiden.
1787 erhob dann Koadjutor August Meilinger schriftliche Anklage gegen Schmidt, dieser hätte einen Hirschen unerlaubter Weise erlegt. Schmidt wurde auf Anordnung von Landrichter Franz Jakob Gold in den landesgerichtlichen Arrest gebracht. Dort legte er aber kein Geständnis ab. Bei einer Hausdurchsuchung fand man Gewehre und Munition. Schmidt verteidigte sich damit, dass er als eingeschriebener Feuerschütze zum Vortl Schüssen (Preisgeldschießen) diese Gewehre auf der Schießstätte benötigte. Nachdem der Koadjutor seine Vorwürfe neuerlich bekräftigte, musste Schmidt weiter in Haft bleiben. Erst ein medizinischer Notfall (eine komplizierte Geburt) und seine bisherige Unbescholtenheit verhalfen ihm zur Haftentlassung. Meilinger hingegen erneuerte in einem Protokoll im Franziskanerkloster. Nun begann man aber kirchlicherseits an seinen Angaben zu zweifeln und so entschloss sich Meilinger, wohl auch unter dem Druck der Kirchenbehörde und dem Landesherrn Fürsterzbischof Hieronymus Graf Colloredo, die angelaufenen Gerichtskosten von zwei Gulden und 39 Kreuzer zu übernehmen.
Ganz unschuldig dürfte Schmidt allerdings nicht gewesen sein. Denn vier Jahre später, im Juni 1791, wurde er von einem Forstpraktikant mit einer gerade geschossenen Wildtaube und einer Flinte in seinen Händen überrascht. Es kam zu einer Verurteilung zu vier Stockhieben und einer Geldstrafe von zwei Gulden. Durch sein wortgewandtes Reden konnte er sich herausreden und musste letztlich nur die Gerichtskosten samt Strafgeld von vier Gulden und 26 Kreuzer bezahlen.
Bereits wenige Monate später wurde er abermals der Wilderei angezeigt. Dieses Mal hätte er zusammen mit dem hochbetagten Austragsbauern Joseph Siberer von Zotterlehen zwei Rehgaiß geschossen. Trotz der wenig überzeugenden Unschuldsbeweise konnten die beiden nicht überführt werden. Dieses Mal musste die Hofkammer dem Landgericht Wagrain die Gerichtskosten vergüten.
Schmidt wird Bürgermeister, verlässt Wagrain und kehrt wieder zurück
In der bäuerlich geprägten Bevölkerung, die immer wieder unter Wildschäden litt, war Wilddiebstahl kein kriminelles Delikt. Oft schützten sie daher die aus ihrer Gemeinschaft stammenden Täter. Dieser Hintergrund, zusammen mit den Pockenbekämpfungserfolgen und trotz der dreimalige Konfliktsituation mit den Behörden dürften Gründe gewesen sein, dass Karl Schmidt 1794 das Bürgermeisteramt übertragen wurde.
Bereits in den 1780er-Jahren hatte Schmidt eine Anzahlung für ein Bad in Bayern geleistet und sich immer wieder mit dem Gedanken des Weggehens befasst. War es damals noch Vikar Hiebl, der ihn zum Bleiben überredete, hielt ihn nach dem Bürgermeisteramt niemand mehr zurück und er verließ Wagrain. Aber schon 1796 war er in den Markt Wagrain zurückgekehrt und im Dezember desselben Jahres berichtete bereits wieder Hofratsekretär Joseph Philipp Felner von Vorwürfen, die von Bürger- und Bauernausschüssen gegen Schmidt erhoben wurden. In einer Klageschrift vom 18. Juni des Jahres werden Vorwürfe grober Vernachlässigung und Unkenntnis seines Berufes, eine verfängliche Meinung zu politischen Themen, bedenklich Äußerungen zu Glaubensfragen, ja sogar leichtsinnig herbeigeführte Tode von Patienten, vorgeworfen.
Wie bei bisherigen Verfahren gelang es Schmidt wortgewandt und der Sicherheit, dass er einen gewissen Einfluss auf die Gattin des Ortsbeamten hatte, gelang es ihm auch diesem Mal alle Vorwürfe zu entkräften. Letztlich nahm ihn sogar der Pfleger von Festung Hohenwerfen in Schutz und es folge ein Freispruch. Allerdings musste er nach Werfen kommen, wo man ihn an seine Dienstpflichten erinnerte, dass er Äußerungen über Fragen der Religion und der Politik zu unterlassen haben und sich künftig nicht mehr in den Aufgabenbereich des Landrichters einmischen darf (Details gingen aus der Anklage hervor). Schmidt musste darüber hinaus die Hälfte der Kommissionskosten tragen (23 Gulden 30 Kreuzer). Die andere Hälfte musste die Bürgerschaft bezahlen, die ja den Prozess angestrengt hatte.
Die Wagrainer Ausschüsse wollten nun Schmidt zur Hebung aller Zwiste das Haus und Gerechtigkeit abkaufen. Das aber stieß auf Ablehnung bei den Behörden. Nur unter der Hand sollte er sich um einen anderen Wohnort umsehen.
1802, die nächste Auseinandersetzung
Im Frühjahr 1802 kam es erneut zu einer Auseinandersetzung mit der Gemeinde. Schmidt hatte den erzbischöflichen Leibarzt und Leiter der Hebammenkurse, Hofrat Prof. Dr. Johann Jakob Hartenkeil, über die ihm unzeitgemäß erscheinende traditionelle Geburtshilfe in Wagrain informiert. Die Vorwürfe gingen in Richtung Quacksalberei und Aberglaube. Dr. Hartenkeil war mit derartigen Vorwürfen immer wieder konfrontiert. Die als quacksalbernden Weiber eingestuften empirischen Hebammen stellten in ihre Heimatgemeinden oft eine übermächtige Konkurrenz dar, die sich der Unterstützung der Dorffrauen gewiss sein konnten. Die gelernten Hebammen jedoch gerieten in den Dörfern ins gesellschaftliche Abseits. Sie wurden selten zu Entbindungen geholt.
Nicht beurteilt werden kann, inwieweit es Schmidt tatsächlich ein Anliegen war, der modernen Geburtshilfe den Durchbruch in den Dörfern zu bescheren. Tatsache blieb, dass die einflussreichen Frauen des Marktes Wagrain weiterhin der empirischen Hebamme' ihre Unterstützung gaben. Teilweise dürfte es sogar zu Behinderungen gekommen sein, wenn eine Schwangere die ausgebildete Geburtshelferin aufsuchen wollte. Diese empirischen Hebammen war bereits eine alte Witwe und war sich ihrer Macht so sicher, dass sie sogar Kranke an Pfuscher verwies. Damit war ein Konflikt mit Schmidt vorprogrammiert gewesen.
Dazu kam, dass die Tochter von Schmidt, Anna Schmidt, 1799 im Alter von 18 Jahren den Hebammenkurs in der Stadt Salzburg absolviert hatte. Sie kehrte nach Wagrain zurück und gebar bereits im Jänner 1800 ein uneheliches Kind. Der Vater war der Badergeselle Anton Preißler, den sie in der Stadt Salzburg kennengelernt haben dürfte.
Seine letzten Jahre
Karl Schmidt bemühte sich nach 1800 für seine Tochter das Auskommen als Hebamme in Wagrain zu sichern. Aber die Streitigkeiten im Laufe der Jahre mit der Landbevölkerung trug nicht dazu bei, dass diese in Krankheitsfällen oder für Geburtshilfen die Familie Schmidt aufsuchten. So kam es, dass der Vater ihr Hebammengeschäft bald wieder niederlegen ließ. Erst Anna Brantnerinn, die sich 1807 als geprüfte Hebamme in Wagrain niederließ, konnte sich allmählich gegen die empirischen Hebammen durchsetzen. Sie hatte ebenfalls den Lehrkurs in Salzburg absolviert und vom Medizinalrat Geschicklichkeit in der Geburtshilfe bescheinigt bekommen.
Über die Tätigkeiten von Karl Schmidt lassen sich ab 1800 bis zu seinem Tod im Jahr 1820 kaum mehr Quellen finden. Seine einst so erfolgreich angewandte Inokulaton (Impfung) und auch die neue, vom englischen Arzt Eduard Jenner (* 1749; † 1823) eingeführte Vakzination nach 1800, durfte Schmidt nicht mehr anwenden. Dies war nunmehr dem jeweiligen Landgerichtsphysikus (Landgerichtsarzt) als verantwortlicher Impfarzt vorbehalten.
Als 1818 das gallichte Nervenfieber (es wurde auf schlechte und karge Nahrung zurückgeführt[1]) und die grassierende Lustseuche (Syphilis) bereiteten noch einmal Schmidt besondere Schwierigkeiten. Er wurde nun genau über seine beruflichen Kenntnisse und seine Arzneivorräte kontrolliert. Eine Apothekenvisitation im Oktober 1815 stellte Mängel in Hinblick auf die Ausstattung an Medikamenten fest. Schmidt entschuldigte sich damit, dass es ihm an Geld mangelt. Die allgemeine Armut seiner Patienten führe oft dazu, dass sie schleppend oder gar nicht bezahlten.
Sein Enkel gleichen Namens studierte die niedere Chirurgie und folgte seinem Großvater nach dessen Tod nach. Karl Schmidt starb im Alter von 70 Jahren an Lungentzündung. Sein Enkel starb bereits im Alter von 42 Jahren am 28. Jänner 1843 an Brustwassersucht.
Quelle
- Alfred Stefan Weiß: Leben zwischen Tradition und Aufklärung - der Wagrainer Bader Karl Schmidt. Ein Beitrag zur ländlichen Medizin- und Sozialgeschichte am Beginn der Moderne (ca. 1780–1820), erschienen in Salzburg Archiv, Band 18, 1994, Seite 151ff
Fußnote
- ↑ 1815 war der Vulkan Tambora östlich von Java im heutigen Indonesien ausgebrochen; es war dies der größte Vulkanausbruch der letzten Jahrtausende, dessen Asche sich in der gesamten Atmosphäre um den Erdball verbreitete und in den folgenden Jahren aufgrund des einsetzenden schlechten Wetters - Regen, Schnee das gesamte Jahr über - zu Missernten führte. Daraus resultierte eine weltweite Hungersnot. Quelle u. a. www.stuttgarter-zeitung.de, "Das Jahr ohne Sommer 1816"