Iuvavum

Aus SALZBURGWIKI
(Weitergeleitet von Juvavum)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Iuvavum (Rekonstruktion)

Iuvavum war während der römischen Besiedlung der Provinz Noricum die Bezeichnung für Teile des heutigen südöstlichen Bayern und das heutige Bundesland Salzburg mit Ausnahme des Lungau. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird jedoch die Bezeichnung Juvavum meist nur für die engere Stadt Salzburg verwendet, was jedoch nicht korrekt ist.

Name

Tabula Peutingeriana - Ausschnitt

In der naturalis historia des älteren Plinius (* 23; † 79 n. Chr.) und der Geographie (um 150) des Klaudios Ptolemaios tauchte der Name Iuvavum erstmals als Bezeichnung eines der fünf norischen Munizipien auf. Dieser Name blieb zunächst traditionsgemäß bis in das späte Mittelalter in Gebrauch. In offiziellen Urkunden erscheinen Iuvavum und vor allem das Adjektiv Iuvavensis noch viel später. Die Etymologie von Iuvavum ist kompliziert und es existieren dazu verschiedene Hypothesen.

Bei Iuvavum handelt es sich um ein vorrömisches Substratwort mit älterer Wurzel. In der Tabula Peutingeriana wurde Iuvavum als Iuao bezeichnet, womit ein Straßenknotenpunkt am Fluss Iuaro (Iuvarus = Salzach) gemeint ist, an dem drei römische Straßen zusammenlaufen.

Clemens M. Hutter vertritt die Ansicht, dass ein Weihealtar aus dem 2. oder 3. Jahrhundert den Namen erklärt. Dieser Altar wurde unter dem Residenzplatz in Salzburg gefunden und dem "besten und größten Iupiter und dem Iuvavus" geweiht. Iuvavus war der Name des keltischen Flussgottes der Salzach (auch Igonta), dessen Name dann etwas latinisiert auf die Stadt überging [1].

Seit dem 8. Jahrhundert jedoch, als allmählich auch althochdeutsche Sprachformen schriftlich fixiert wurden, trat das mit den Römern in Verbindung gebrachte Iuvavum zugunsten der auf dem Salzhandel basierenden deutschen Bezeichnung in den Hintergrund. Das fast gleichzeitige Aufkommen der neuen Flussbezeichnung Salzach und des neuen Stadtnamens Salzburg (Salzpurch) ist ein einzigartiges Phänomen der Namenkunde und scheint auf einen gewollten Bruch mit der römisch/romanischen Tradition abgezielt zu haben.

Ausdehnung

Das Gebiet von Iuvavum reichte im Westen bis zum heutigen Gerlospass im Oberpinzgau, von dort verlief die Grenze durch das heutige Nordtirol an den Inn der über das heutige Rosenheim und Wasserburg am Inn bis zur Einmündung der Salzach zwischen Bayern und dem österreichischen Innviertel fließt und damals die Grenze von Iuvavum bildete. Im Innviertel verlief dann die Grenze bis in Richtung Vöcklabruck und durch das heutige Salzkammergut bis in die Schladminger Tauern, entlang der Niederen Tauern, südlich des Alpenhauptkamms durch heutiges kärntner und osttiroler Gebiet wieder über das Krimmler Achental nach Norden.[2]

Geschichte

Gründung

Nach Gründung durch die Kelten erlebte der Ort auf Grund seiner strategisch günstigen Lage zur Zeit der Römer eine rasche wirtschaftliche Blüte und erhielt während der Regierungszeit von Kaiser Claudius (41 - 54) als eine von fünf Siedlungen in Noricum das Stadtrecht verliehen.

Blütezeit

Zum Municipium Iuvavum, der Stadt, gehörte ein politischer und administrativer Bezirk, der wesentlich größer war als das heutige Land Salzburg und welcher bis zum Innbogen und Attersee reichte. Im Bezirk von Iuvavum sind etwa 250 Örtlichkeiten (Orts-, Gewässer und Raumnamen) bekannt. Etwa die Hälfte davon liegt im Gebiet auf dem heutigen Land Salzburg.[3] [4].

Das Municipium Iuvavum hatte im 1. Jahrhundert und 2. Jahrhundert nach Christus etwa 4 000 Einwohner. Es verfügte über einige großzügige Plätze und an der heutigen Kaigasse über einen imposanten Tempelbau zu Ehren des Gottes der Heilkunst, Asklepios (etwa im Gebiet des Hotels Kasererbräu). Die luxuriösen Bürgerhäuser im Bereich um den heutigen Dom waren mit prachtvollen Mosaiken ausgestattet, verfügten über komfortable Warmluftheizungen (Hypokausten) und mehrteilige Badeanlagen. Eine römische Amphore, die auf dem Mozartplatz gefunden wurde, enthielt Reste von 24 verschiedenen Meeresfischen und einigen Krebsarten. Große Mengen von Austernschalen, die im Bereich der Altstadt gefunden wurden, weisen darauf hin, dass sich die reichen Bürger fast täglich frische Austern kommen ließen. Die alten Iuvavenser verstanden es offenbar, das Leben zu genießen!

Von der heutigen Residenz bis zum Bürgerspital St. Blasius‎‎ erstreckte sich ein ausgedehntes Handwerkerviertel, in dem unter anderem Tongeschirr, Ziegel und Mosaiken produziert wurden. Der Festungsberg war von einem starken Wehrbau bekrönt. Im Verlauf umfangreicher Grabungen konnte eine Mauer aus der Zeit des Kaisers Aurelian freigelegt werden.

Grabungen im Wilhelm-Furtwängler-Garten im Winter 2007/08 anlässlich der Neugestaltung des Parks brachten weitere Erkenntnisse über das Leben der Römer in Salzburg. Die Funde ergaben, dass schon die Römer eine "Wegwerfgesellschaft" waren. Man fand alte Fibeln, Keramikscherben, Handwerksgerät, Metallgegenstände aus Bronze, Gürtelbeschläge und Teile von Verzierungen von Riemenzungen sowie einige Münzen.

Dass auf dem Areal des Furtwänglerparks zur Römerzeit ein Handwerksviertel lag, war bereits bekannt. Neu hingegen ist die Erkenntnis, dass die Leute auch direkt an ihrem Arbeitsplatz gelebt hatten. So wurden Reste von Grundmauern von Wohnhäusern mit Fußboden- und Wandheizungen freigelegt, dicht daneben Werkstätten und Feuerstellen. Den gefundenen Resten nach dürften Metall, Leder und Ton verarbeitet worden sein.

Niedergang

Im Markomannenkrieg um 170 n. Chr. war Iuvavum völlig zerstört worden und wurde nur in verkleinertem Umfang wieder aufgebaut.

Seit dem 3. Jahrhundert bildeten germanische Stämme, besonders die Alamannen, eine ständige Bedrohung. Zunächst wurden die Villen auf dem Lande aufgegeben, im 5. Jahrhundert verödeten auch Teile von Iuvavum. Als der hl. Severin um 470 an die Salzach kam, hatte sich die Bevölkerung von Cucullis (Kuchl) wieder auf die befestigte Höhe des Georgenberges zurückgezogen, die sie am Beginn der römischen Herrschaft verlassen musste. In Iuvavum fand Severin zwar eine blühende Christengemeinde und ein Kloster, bald darauf aber wurde die Stadt am Salzachufer aufgegeben. Die Reste der romanischen Bevölkerung, die "Iuvavenser", zogen sich auf die befestigten Höhen des Festungsbergs und des Nonnbergs zurück, wo sie die beiden "dunklen Jahrhunderte" der Völkerwanderung überdauerten.

Funde

Die Antike rückte am Beginn des 19. Jahrhunderts in den Blickpunkt des Interesses von aufgeklärten Bürgern und Adeligen.

1792 entdeckte Josef Rosenegger als Hobbyarchäologe bei Grabungsarbeiten für den neuen Park einen großen römischen Friedhof. Der Bürglstein wurde rasch zu einer überregional bekannten Attraktion. Allerdings begann Rosenegger bald Fälschungen anzulegen (Details siehe Artikel über ihn).

1815 wurde in Loig, einem Ortsteil von Wals, eine archäologische Sensation entdeckt. Die römische Palastvilla, dessen Hauptgebäude über 220 m Länge hat, zählt zu den größten aller bisher bekannten römischen Landhäuser. Das dort gefundene Theseus-Mosaik mit dem ursprünglichen Ausmaß von 6,36 mal 5,50 Metern befindet sich heute im Kunsthistorischen Museum in Wien und ist dort eines der Glanzstücke der Antikensammlung.

Ebenso 1815 entdeckte der Geometer Ludwig Grenier zwischen Glas und Glasenbach ein römisches Landhaus und grub es aus.

Als 1841 die Stadt Salzburg dem Komponisten Wolfgang Amadé Mozart ein Denkmal setzte, stieß man beim Ausheben des Fundaments auf zwei römische Villen und es kamen drei prächtige, übereinander liegende Mosaikböden zum Vorschein. Der oberste Mosaik aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. trug die folgende, nur zum Teil erhaltene Inschrift: "hic habitat felicitas, nihil intret mali" ("Hier wohnt das Glück, nichts Böses soll Zutritt finden").

Das untere Mosaik besteht heute, aufgrund einer lange vernachlässigten und nicht durchgeführten Nachrestaurierung, nur mehr aus wenigen, untereinander nicht mehr anpassenden Feldern. In seiner Gesamtheit ist es uns aber in einer kolorierten Zeichnung aus der Zeit der Auffindung dokumentiert. Über die Zeichnung lässt sich außerdem seine ehemalige Charakteristik erkennen. Neun Platten sind auch heute noch erhalten. Als Acheloosmosaik bezeichnet man zwei noch heute im Original erhaltene auf Platten montierte Sechsecke, die ober- und unterhalb des zerstörten Mittelbildes standen und auf weißem Grund die Köpfe des griechischen Flussgottes Acheloos zeigen. Drei Athletenkampfbilder, von denen heute wiederum nur mehr zwei existieren, wurde wohl im Rahmen einer Reparatur eingefügt und zeigen jeweils zwei Ring- oder Faustkämpfer. [5]

Am 21. Februar 1950 wurden bei Aushubarbeiten für den Sparkassenneubau in der Altstadt von Salzburg an der Ecke Judengasse/Brodgasse neue Funde entdeckt, u. a. ein zwei Meter breites Gässchen mit Steinkanälen sowie Reste von zwei alten Häusern mit Luftheizung aus dem römischen Juvavum zutage. Bei Bauarbeiten für den Stuböck’schen Neubau, Ecke Dreifaltigkeitsgasse/Bergstraße, wurden Mauerreste aus der Römerzeit sowie ein mittelalterlicher Brunnen aus Konglomeratstein gefunden.

Am 19. Juni 1951 wurden bei Kanalbauarbeiten in Salzburg - Maxglan in der Ganshofstraße und in der Gärtnerstraße Reste eines römischen Hauses und Gebrauchsgegenstände gefunden.

Bei der Neugestaltung des Residenzplatzes in der Salzburger Altstadt im Sommer 2008 fand Archäologe Peter Höglinger einen Weihealtar, der das Zeichen für Jupiter trägt. Mit seinen 1,2 Meter zählte er zu den ganz seltenen Funden, was Größe und Qualität anbelangt. Der Altar stammt aus dem 2. oder 3. Jahrhundert nach Christus.

Archäologische Grabungen im großen Hof der Neuen Residenz

Im Zuge des Ausbaus der Neuen Residenz für das Salzburg Museum und für eine Dependance des Wiener Bundesmuseums Belvedere soll der zweite, größere Hof zwischen Kaigasse und Residenzplatz für Schauräume unterkellert werden. Zu ebener Erde wird statt des bisherigen Parkplatzes ein Ruhe- und Begegnungsort entstehen, der durch drei historische Portale zu- und durchgänglich wird - von und zu Residenzplatz, Mozartplatz und Kaigasse.

Seit Mitte 2024 wird hier jeder Stein erkundet, jeder Quadratzentimeter wird mit einem Metalldetektor untersucht, jedes Detail wird vermessen und dokumentiert, jede Handvoll Erde wird gesiebt und jedes Metall- und Keramikstück wird an die Werkstätten des Salzburg Museums weitergegeben. Jede Maßnahme, jedes Entfernen einer jüngeren Schicht, um zu Älterem vorzudringen, wird vom Bundesdenkmalamt überwacht, sodass Peter Höglinger, Archäologe im Landeskonservatoriat, mehrmals die Woche die Grabungen begutachtet. Und er bestätigt: "Das ist eine Referenzfläche für die Stadtgeschichte".

Bis April 2025 waren vier bis viereinhalb Meter abgetragen - im Hof sowie sogar unterhalb des Mitteltrakts der Neuen Residenz, der unter anderem für künftige Besuchergarderoben unterkellert wird. Jetzt, vor dem letzten Grabungsmeter bis zum blanken Erdreich, wird es außergewöhnlich: Hier eröffnet sich, was an anderen Baustellen in der Altstadt nur punktuell erkundet konnte: die Frühzeit Juvavums, jener von den Römern zwischen den keltisch besiedelten Stadtbergen am Fluss gegründeten Niederlassung, die sich als Verkehrsknotenpunkt etablierte und, wie Ulli Hampfel feststellt, zu einer Boomtown des Römischen Reichs werden sollte.

Die bisherigen Grabungen brachten als eine Überraschung zwei parallele, etwa den halben heutigen Hof durchmessende, sechs Meter hohe unterirdische Mauern zutage. Diese Spitzenleistung von Baukunst aus imposanten, ebenmäßigen Konglomeratquadern stammt aus der Zeit Wolf Dietrichs. Offenbar habe der baulustige Fürsterzbischof ein immenses Kellergewölbe in Auftrag gegeben, dies aber wieder abgeblasen und den Bau der Neue Residenz woanders beginnen lassen, berichtet Ulrike Hampel. Die Beschlüsse Wolf Dietrichs müssen so spontan gewesen sein, dass nicht einmal das Erdreich zwischen den mit höchster Könnerschaft in den Boden gebauten Mauern ausgehoben ist.

Eine historisch noch größere Bedeutung haben jene Funde, die hier erhofft worden sind: jene aus dem antiken Rom. Die bisher größte Sensation sind ein paar dunkelgrüne Bronzebrocken, die zusammengesetzt das Abbild eines römischen Schiffsbugs ergeben. Noch wird gerätselt, was dieses hierorts bisher einzigartige Ding gewesen sein könnte: Ein Türknauf? Ein Wanddekor? Ursprünglich sei so eine Mini-Bugspitze einer Galeere samt Rammsporn als Auszeichnung für die Teilnahme an einer siegreichen Seeschlacht verliehen worden, erläutert Maximilian Bertet, der auf Metallfunde spezialisierte Archäologe im Salzburg Museum. In der vom Römischen Senator Titus Petronius um 60 n. Chr. verfassten Satire "Das Gastmahl des Trimalchio" sei so ein an der Wand hängender "Schiffsschnabel" erwähnt. Es dürfte also, wie Fasces, ein Staatsmachtsymbol gewesen. Wäre daraus zu folgern, dass ein römischer Veteran nach Juvavum übersiedelt ist?

Unter den weiteren Funden aus dem Residenzhof sind Bruchstücke eines Speiseservices aus Terra Sigillata, Fibeln, ein Weinsieb, Schreibgriffel, Schlüssel, Münzen und drei kunstvolle eiserne Scharniere. Die Archäologen haben nahe dem Residenzplatz eine römische Straße freigelegt und an dieser ein schlichtes Urnengrab entdeckt. Weil im Alten Rom immer außerhalb der Stadt begraben worden ist, lässt sich daraus folgern: Die erste römische Siedlung - laut Ulli Hampel um Christi Geburt - dürfte auf das Kaiviertel begrenzt gewesen sein. Aber bereits um 30 n. Chr. dürfte das Areal der Neuen Residenz besiedelt gewesen sein - als erstes Erweiterungsgebiet. Ende des 1. Jahrhunderts war Juvavum etwa so groß wie die heutigen Altstadt. Die Boomtown ist also rasant gewachsen, war bald reich und dicht besiedelt.

Im April 2025 fanden die Archäologen im Hof und unter dem Mitteltrakt Reste von Häusern des frühen Juvavum. Diese waren - wie Fachwerk - aus Holzbalken und mit Mauerwerk aus geflochtenen Ästen, die verputzt waren. "Das haben wir noch nie so gesehen", sagt Ulli Hampel. Diese kleinen Holzhäuser hätten, wie an zwei Stellen entdeckt, einen Kalk-Estrich. Dies zeige, dass Juvavum im ersten Jahrhundert "urbaner war als wir bisher dachten".

Anders als andere römische Städte hatte Juvavum kein Kanalsystem, sondern Senkgruben, wie sie auch im Mittelalter verwendet wurden. Im Hof entdeckten die Archäologen beides: eine römische und eine mittelalterliche Senkgrube.

Noch etwas frappiert: Das frühe Juvavum liegt hier etwa fünfeinhalb Meter unter dem heutigen Bodenniveau. Unter dem Alten Markt seien bei etwa 80 Zentimeter Funde des ersten Jahrhunderts zum Vorschein gekommen, berichtet Ulli Hampel. Juvavum war also deutlich welliger als das heutige Salzburg.[6]

Plan

Siehe auch

Quellen

Einzelnachweise

  1. Quelle: Hutter, Clemens M.: Iuvavum - Alltag im römischen Salzburg, Verlag Anton Pustet, Salzburg, 2012, Seite 24
  2. Quelle: Heinz Dopsch: Kleine Geschichte Salzburgs, "Der Verwaltungsbezirk von Iuvavum", Seite 17
  3. De Gruyter, Namensforschung, 2. Teilband
  4. Quelle: Hutter: Iuvavum ..., Seite 23
  5. Salzburg-Geschichte-Kultur/Acheloosmosaik
  6. www.sn.at, 17. April 2025: "Salzburg im Untergrund: Archäologen entdecken die Frühzeit von Juvavum", ein Beitrag von Hedwig Kainberger