Eduard Paul Tratz

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Das Grab von Eduard Paul Tratz auf dem Salzburger Kommunalfriedhof

Dr. h.c. Eduard Paul Tratz, eigentlich als Paul Eduard Tratz geboren (* 25. September 1888 in der Stadt Salzburg, Bergstraße 10; † 5. Jänner 1977 ebenda), war ein Salzburger Zoologe.

Leben

Tratz als Zoologe

Tratz gründete 1914 das Österreichische Ornithologische Institut in Hellbrunn. Dieses Institut entwickelte sich zu einem österreichischen Zentrum ornithologischer Forschung mit – für die damalige Zeit revolutionärer – ökologischer Ausrichtung. Für diese Leistungen wurde er im Jahr 1923 von der Innsbrucker Universität durch Verleihung der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. 1924 rief Tratz das Museum Haus der Natur ins Leben, dessen Direktor er fortan - mit einer kurzen Unterbrechung - bis kurz vor seinem Tod war. 1935 wurde ihm zum zehnjährigen Bestehen des Hauses der Natur der Professorentitel verliehen. Ab 1935 wirkte er auch als Universitätsprofessor in Innsbruck[1]. 1961 gehörte er zu den Gründervätern des Hellbrunner Tiergartens. Er ist ein wesentlicher Mitbegründer des Vogelschutzes und Naturschutzes in Salzburg und in Österreich und hat zahlreiche wissenschaftliche Werke verfasst.

Tratz und die NS-Zeit

Während der NS-Zeit nutzte Tratz seine Regimetreue zur Weiterentwicklung des Museums. Er war SS-Hauptsturmführer, Träger des Totenkopfrings und in prominenter Position mit der SS-Wissenschaftsorganisation "Ahnenerbe" verbunden. Der Historiker Robert Hoffmann hat aufgezeigt, dass Tratz an Kunstraubaktionen in Polen beteiligt war, dass er das "NS-Euthanasie-Programm" rechtfertigte und dass die Tibetschau im Haus der Natur das Ergebnis einer engen Kooperation zwischen Tratz und und Dr. Schäfer, dem Leiter der von der SS geförderten Tibet-Expedition 19381939 gewesen sei.

1945 wurde Tratz als Direktor des Museums abgesetzt und für zwei Jahre im Lager Glasenbach interniert. Er wurde jedoch später rehabilitiert und 1949 wieder als Direktor bestellt.

Am Montag, den 27. September 1954 titelten die Salzburger Nachrichten einen Bericht über eine Festversammlung der Gesellschaft für dargestellende und angewandte Naturkunde mit 30 Jahre Pionierarbeit für Salzburg. und im Untertitel Salzburg huldigte Prof. Dr. Tratz.[2]

Am 27. September 1963 wurde Eduard Paul Tratz zum Ehrenbürger der Stadt Salzburg erhoben. Nach seinem Tod erinnerte eine Gedenktafel im Haus der Natur an dessen Gründer, sowie in der Bergstraße Nr. 10.

Nachdem die Bürgerliste Salzburg 2007 in Kenntnis der neuesten Forschungsergebnisse die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft gefordert hatte, wurden alle Erinnerungen an Tratz aus dem Museum entfernt. Eine Aberkennung der Ehrenbürgerschaft ist aber laut Magistrat Salzburg rechtlich nicht durchführbar.

Ehrendoktorat aberkannt

Der Senat der Universität Salzburg hat in seiner Sitzung am Dienstag beschlossen, Tratz das Ehrendoktorat dieser Universität 41 Jahre nach der Verleihung abzuerkennen. Tratz hatte die Salzburger Ehrendoktorwürde am 20. Juni 1973, knapp vier Jahre vor seinem Tod, verliehen bekommen.

Die Entscheidung im Senat sei einstimmig gefallen, sagte Universitätsrektor Heinrich Schmidinger. Es sei das erste Mal, dass an der Paris Lodron Universität die Ehrendoktorwürde aberkannt worden sei. Sie wurde seit der Wiedergründung der Universität im Jahr 1962 an 88 Personen verliehen. Es werde nun die gesamte Liste der Geehrten von einem Historikerteam untersucht, sagt Schmidinger.

Es sei nachträglich klar geworden, dass sich Tratz die Ehrung erschlichen habe, heißt es in der Begründung des Senats. Im damaligen Verfahren sei die gravierende Verstrickung von Tratz in nationalsozialistisches Unrecht verschwiegen worden. "Wäre dies bekannt gewesen, hätte die Ehrung nicht stattgefunden." Der Senat führt die Ergebnisse der Studie über Tratz ins Treffen, die der Salzburger Historiker und Universitätsprofessor Robert Hoffmann im Jahr 2008 publiziert hatte.

Demnach hatte sich Tratz hauptsächlich in den Jahren 1939 bis 1943 als SS-Hauptsturmführer an Kulturraub-Aktionen zugunsten des SS-Ahnenerbes in Ost- und Mitteleuropa beteiligt. Dabei wurden auch Exponate für das Haus der Natur erbeutet. Außerdem vertrat Tratz in seinen Schriften die "rassehygienischen" Pseudotheorien der Nationalsozialisten. In einer 1943 im "Ahnerbe-Stiftung Verlag" erschienenen Schrift beruft er sich auf die angeblich rücksichtslose Ausmerzung von "Krüppeln und Mißgeburten" in der Natur, woran sich der Mensch ein Beispiel nehmen möge.

Wegen dieser verschwiegenen Aktivitäten und Publikationen sei Tratz eines Salzburger Ehrendoktortitels unwürdig, betonte der Senat.

Er verstehe diese Entscheidung, sagt Norbert Winding, der Leiter im Haus der Natur. Mit der Erforschung seiner Vergangenheit habe das Museum seine Aufgaben erledigt. "Wir haben die Geschichte mit unserem Forschungsprojekt umfassend beleuchtet und klar dargestellt." In einer Ausstellung zu Jahresbeginn 2014 hatte das Haus der Natur über die Rolle des Museums in der NS-Zeit aufgeklärt. 2015 wird das Ergebnis der Forschungen in einer Publikation veröffentlicht. "Wir haben die Entscheidung des Senats durch unser Projekt wohl mit angestoßen", meint Winding.

Ehrenbürgerschaft aberkannt (eigentlich bereits seit dem Tod erloschen)

Schon 2007 hatte die Bürgerliste im Gemeinderat beantragt, Tratz die 1963 verliehene Ehrenbürgerschaft der Stadt abzuerkennen. "Die Ehrenbürgerschaft erlischt automatisch mit dem Tod", sagt dazu Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ). Bestehe aber der Wunsch, Tratz’ Ehrenbürgerschaft durch einen Formalakt zu tilgen, werde er die Historiker im Stadtarchiv bitten, die Angelegenheit zu prüfen. Sollten sie die Aberkennung empfehlen, werde er dies dem Gemeinderat vorschlagen.

5. Dezember 2014: "Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) hat am Freitag den Gemeinderatsfraktionen einen entsprechenden Amtsbericht zukommen lassen. Der Stadtsenat soll sich bereits am kommenden Montag mit dem Thema befassen. [..]"[3]

[..] Uni und Stadt zogen Ehrungen zurück

Der Salzburger Historiker Robert Hoffmann brachte mit seinem wissenschaftlichen Gutachten zu Eduard Paul Tratz den Stein dann ins Rollen.
Im Oktober distanzierte sich die Salzburger Universität von Tratz. Sie erkannte ihm das Ehrendoktorat ab.
Die Stadt Salzburg folgte im Dezember. Zwar sei die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod von Paul Eduard Tratz rechtlich abgelaufen, hieß es.
Der Gemeinderat setzte dennoch ein Zeichen und widerrief die Ehrenbürgerschaft. [..] [4]

Goldenes Verdienstzeichen des Landes Salzburg und Ring des Landes aberkannt

Tratz wurden im Frühjahr 2016 posthum der Ring des Landes (verliehen 1958) und das Goldene Verdienstzeichen des Landes Salzburg (verliehen 1968) aberkannt. Das ist auch posthum möglich - das Land hat vor einigen Monaten (Anfang 2016) das Gesetz geändert. Ein entsprechender Beschluss zur Aberkennung von Tratz' Auszeichnungen wurde 12. Mai 2016 in der Regierungssitzung getroffen.

Veröffentlichungen

  • Versuch einer Bearbeitung des Herbstzuges der Waldschnepfe auf Helgoland nach historischem und modernem Material, Neudamm 1913
  • Alpenländisches Vogelmerkbüchlein, Salzburg 1919
  • Vom Leben der Beschwingten, Leipzig 1923
  • Alpenvögel - Ein Handbuch zur Auffindung und Beobachtung der Vögel in den österreichischen Alpenländern, Salzburg 1930
  • Vom Auto aus - Beobachtungen und Betrachtungen, 1931
  • Alpenwild in Vergangenheit und Gegenwart, Salzburg 1934
  • Natur ist alles. Ein Buch zum Lesen, Anschauen und Nachdenken, Berlin 1943
  • Tiere der Berge, Seebruck am Chiemsee 1953
  • KWA HERI! Ostafrikanische Safari, Salzburg 1966
  • Das große Ostalpenbuch, Wien/München 1969
  • 45 Jahre Haus der Natur, 1969
  • Die Zukunftsaufgaben der naturhistorischen Museen, 1970

Tratz hat einige hundert naturwissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Zoologie veröffentlicht.

Er gab von 1924 an die "Mitteilungen aus dem Haus der Natur Salzburg" heraus, in denen er selbst unzählige Beiträge verfasste.

Würdigungen

Eduard Paul Tratz war eine wichtige Persönlichkeit des Naturschutzes in Österreich. Seine besonderen Anliegen galten neben dem Naturschutz der Erforschung der Natur sowie der Verbreitung naturkundlicher Kenntnisse.

Eduard-Paul-Tratz-Preis

Nach Eduard Paul Tratz wurde der Eduard Paul Tratz-Preis für Verdienste um die naturwissenschaftliche Erforschung des Landes Salzburg benannt; er wurde nach der Aufarbeitung von Tratz’ nationalsozialistischer Vergangenheit in Haus der Natur-Preis umbenannt[5]

Eduard-Paul-Tratz-Medaille

1969 stiftete der Naturschutzbund Österreich aus Anlass des 80. Geburtstages seines Präsidenten Eduard Paul Tratz, die Eduard-Paul-Tratz-Medaille. Mit dieser Medaille, die in Gold, Silber und Bronze bisher (1969 bis 1997) an 19 Persönlichkeiten vergeben wurde, sollen hervorragende Leistungen im Naturschutz von gesamtösterreichischer, regionaler und lokaler Bedeutung auf dem Gebiet der Grundlagenforschung zur Erhaltung der Natur, der praktischen Naturschutzarbeit oder der Verbreitung und Vertiefung des Naturschutzgedankens ausgezeichnet werden.

Literatur

  • Eduard Paul Tratz, Festschrift anlässlich der Vollendung seines 70. Lebensjahrs am 25. September 1958 (J. Klaus, A. Bäck und A. Schemel, Hrsg.), Salzburg 1958. (Mit ausführlicher Bibliographie und einem Portrait des Jubilars.)
  • Robert Hoffmann, Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger "Hauses der Natur" in das "Ahnenerbe" der SS. In: Zeitgeschichte 35 (2008) H. 3, 154 -175.

Weblinks

Quellen

Einzelnachweise

  1. Vermutlich wird bei diesen Angaben die Verleihung des Berufstitels "Universitätsprofessor" durch den Bundespräsidenten mit einer Professur (oder der bloßen Abhaltung von Lehrveranstaltungen an einer Universität (hier Innsbruck) vermengt.
  2. www.sn.at, Archiv der Salzburger Nachrichten, Ausgabe vom 27. September 1954, Seite 5
  3. http://salzburg.orf.at/news/stories/2682967/
  4. <http://salzburg.orf.at/news/stories/2697891/
  5. Wikipedia-Artikel "Eberhard Stüber
Zeitfolge
Vorgänger

--
 

Gründer und Leiter des
Hauses der Natur

19241945 und 19491976
Nachfolger

(1945) Maximilian Piperek,
(1976) Eberhard Stüber